Klimaretter stecken 300 Millionen Euro in waghalsige Ideen

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Das Technische Forschungszentrum Finnland VTT hat im Oktober 2023 einen Quantencomputer in Betrieb genommen – auch mithilfe von World Fund.

Linienstraße, Berlin-Mitte. Die Häuser hier könnten Farbe vertragen. Gegenüber vom Café ein verlorenes Rasenstück, um die Ecke liegen die etwas anarchistische Volksbühne, der Neubau des Suhrkamp-Verlags, die U-Bahn. Doch der erste Eindruck täuscht. In den Altbauten hier sitzen zahlreiche Investoren und viele junge Firmen. Danijel Višević kommt mit einem etwas angestaubten Rad. Und auch er sieht nicht aus wie jemand, der den bisher größten Risikokapital-Klimafonds Europas aufgelegt hat: 300 Millionen Euro.

Das Geld steckt in Firmen mit sehr unterschiedlichen Produkten. Sie reichen von Kakao- und Fleischersatz ohne Ackerbau über integrierte Solardächer bis Quantencomputer, von Batteriespeichern und -recycling über serielle Gebäudesanierung bis zu Fabriken im All. Alles junge Unternehmen, Start-ups, die im industriellen Maßstab arbeiten können, wenn das Produkt fertig ist – und deren Technologie die Chance bietet, auf sehr viel klimaschädliches CO2 zu verzichten.

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Višević hat Volkswirtschaft studiert, für Zeitungen und Rundfunk gearbeitet. „Ich dachte, wenn ich als Journalist über Gründer berichte, die im Klimabereich besonders viel bewegen, rüttelt das die Menschen auf, mehr zu tun“, sagt er später im Café über einem Müsli. „Der wahre Hebel sind aber die Unternehmen, das Unternehmertum an sich.“ Und der technische Fortschritt. „Wir verfügen in Deutschland über führende Klimatechnologien, weil unsere Forschung führend ist. Und wir haben auch mit die meisten Gründungen weltweit in diesem Bereich. Was fehlt, ist die Finanzierung. Das Kapital.“

Wie aus einem Reporter ein erfolgreicher Start-up-Gründer wird

Dabei geben viele spezialisierte Fonds, Anlagefirmen großer Familien, Business Angels genannte Einzelinvestoren jungen Unternehmen Geld. Auch der Staat finanziert Start-ups, etwa die Sprunginnovationsagentur der Bundesregierung, der Hightech-Gründerfonds HTGF und der Deep Tech and Climate Fonds. Insgesamt flossen 2023 rund 2,5 Milliarden Euro Risikokapital, in der Branche Venture Capital oder VC genannt, in deutsche Unternehmen, wie der Bundesverband Beteiligungskapital berichtet. 1,1 Milliarden Euro weniger als im Jahr davor. Der Bedarf ist seit Jahren höher.

Mit dieser Erkenntnis taten sich Višević, Daria Saharova und Tim Schumacher 2020 zusammen, um das Geldproblem der jungen Technologiefirmen zumindest zu verringern und die Klimawende voranzutreiben. 2021 gründeten sie World Fund. Sitz ist Berlin, wo die meisten der derzeit 20 Beschäftigten arbeiten. Standorte hat das Unternehmen auch in Amsterdam, Köln und München. World Fund legte einen ersten Fonds auf, beschaffte Investoren, sucht die Start-ups, in die der Fonds investiert und dafür Firmenanteile bekommt.

Mehr als 200 Investoren aus dem europäischen Mittelstand gaben Geld. Dabei sind auch ein deutscher Rückversicherer, eine Stiftung, eine deutsche und eine französische Bank, zwei britische und ein kroatischer Pensionsfonds und ein litauischer Energieversorger. Sie alle hoffen darauf, dass das Team von World Fund mit seinen Anlagen richtig liegt, idealerweise alle dieser Firmen durchstarten und die Anteile mit Gewinn verkauft werden können. Der Fonds von World Fund läuft zehn Jahre. Spätestens dann sollen die Beteiligungen verkauft werden.

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Die 300 Millionen Euro hat der Fonds noch nicht komplett investiert. Anteile hält er an 15 Firmen, 10 bis 15 weitere sollen hinzukommen. Und: „Wir haben etwa zwei Drittel unseres Kapitals reserviert, um den Firmen in Folgerunden weitere zehn und bis 25 Millionen Euro bereitstellen zu können“, sagt Višević. Ein übliches Vorgehen in der Branche. Junge Firmen brauchen meist zum Start in der sogenannten Frühphase etwa eine Million Euro. Um ein Produkt zu entwickeln, einen Prototypen, zu bauen, sind weitere fünf bis zehn Millionen Euro nötig. Danach hilft Kapital, um zu wachsen.

Start-up-Szene: Gründer unterstützen Gründer

Und wie findet World Fund die Start-ups, die eine Investition lohnen? „Viele Unternehmen kommen auf uns zu, wenn sie Geld brauchen“, sagt Višević. „Wir arbeiten aber auch mit Universitäten zusammen, etwa die RWTH in Aachen, die TU in München, die ETH in Zürich oder das KIT in Karlsruhe. Dort entstehen die Ideen.“ Zudem haben die Gründer von World Fund jede Menge Kontakte. „Wir sind tief drin im VC-System und seit Jahrzehnten sehr gut in der Gründerszene vernetzt“, sagt Višević, der unter Passanten vor dem Café immer wieder jemanden erkennt.

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Er selbst hat unter anderem für einen Wagniskapitalgeber gearbeitet. Saharova war beim VC-Arm des Heizungsbauers Viessmann, bevor sie World Fund mitgründete. Schumacher ist Business Angel und Mehrfachgründer. Craig Douglas aus dem Führungsteam hat Fonds-Erfahrung und berät die EU-Kommission in Energiefragen. Viele andere Mitarbeiter sind ebenfalls Gründer, kennen sich in der Szene aus. Zudem hilft ein Team von Beratern, etwa von der TU Berlin, Max-Planck-Instituten, Fraunhofer-Instituten, dem Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt DLR und dem Weltklimarat IPCC.

Davon profitieren auch die Start-ups, die nicht nur Geld aus dem Fonds bekommen. Das World-Fund-Team berät auch und knüpft Kontakte, etwa zwischen Planet A Foods, die kakaofreie Schokolade entwickelt haben, und der Handelskette Rewe. Višević muss zum nächsten Termin und schwingt sich aufs Fahrrad. Der erste Fonds ist geschlossen, neue Investoren werden nicht mehr aufgenommen. Das World-Fund-Team arbeitet aber bereits am zweiten Fonds. Er soll noch größer werden.

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