Register und Beratung: Wie der Gesundheitsminister die Zahl der Suizide senken will
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Die Bundesregierung will die Zahl der Suizide in Deutschland reduzieren. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat am Donnerstag Empfehlungen für die Umsetzung einer Suizidpräventionsstrategie vorgestellt. Unter anderem sollen Suizide künftig erfasst werden. Das Bundesgesundheitsministerium plant dazu ein deutschlandweites Suizidregister mit pseudonymisierten Daten, das regelmäßig wissenschaftlich ausgewertet wird. Ziel des Registers ist es demnach, „Methoden und Hotspots, die typischerweise einem Wandel mit der Zeit unterworfen sind, frühzeitig zu identifizieren“.
In einem zweiten Schritt sollen häufige Suizidmethoden eingeschränkt werden, etwa durch kleinere Packungsgrößen für Schmerzmittel oder einen erschwerten Zugang zu Orten, die häufig für Suizide genutzt werden – zum Beispiel Hochhäuser, Brücken oder Bahnübergänge. Untersuchungen zeigen, dass diese sogenannten „Methodenrestriktionen“ einen eindeutigen Effekt haben.
Eine systematische Auswertung von 1797 Studien zur Suizidprävention kam zuletzt zu dem Ergebnis, dass Suizide oft Momententscheidungen sind und die Verfügbarkeit entsprechender Gelegenheiten eine entscheidende Rolle spielt. Die Reduzierung dieser Gelegenheiten hält Lauterbachs Ministerium für einen evidenzbasierten Schritt zu weniger Suiziden.
Bundestag stimmte mit deutlicher Mehrheit für mehr Prävention
Während der Trend in den vergangenen Jahrzehnten rückläufig war, hat das Statistische Bundesamt zuletzt wieder einen Anstieg verzeichnet. Die Zahl der Suizide lag demnach 2022 bei 10.119, im Jahr zuvor bei 9.215. Im Jahr 1981 wurden in Deutschland 18.825 Selbsttötungen verzeichnet. Lauterbachs Vorschläge gehen auf einen Antrag des Bundestags zurück, für den im Juli fast der gesamte Bundestag gestimmt hatte. Nur fünf Abgeordnete hatten den Antrag nicht angenommen.
Mit dem Vorstoß hatte das Parlament die Bundesregierung beauftragt, ein Konzept zur Suizidvorbeugung vorzulegen – eigentlich bereits bis Januar. Bis Ende Juni soll dem Antrag zufolge ein entsprechendes Gesetz folgen. Eine interfraktionelle Gruppe, die sich mit dem Thema befasst und den Antrag initiiert hatte, kritisierte Lauterbach zuletzt wegen der Verzögerungen und warf ihm mangelndes Engagement für die Suizidprävention vor.
Das Thema gehört aus Sicht vieler Parlamentarier weit oben auf die bundespolitische Tagesordnung, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Verbot von Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt hat. Eine liberalere Gesetzgebung zum assistierten Suizid könnte, wie es zuletzt Statistiken aus den Niederlanden zeigten, zu einer höheren Suizidrate führen. Diesem möglichen Trend sollen mehr Präventionsmaßnahmen entgegenwirken.
Suizide: Alte Männer als Hochrisikogruppe
Eine zweite Säule für die Suizidprävention soll die gezielte Ansprache von Hochrisikogruppen sein. Als besonders gefährdet gelten alte Männer. Im Durchschnitt fallen pro Jahr zwölf Suizide auf 100.000 Deutsche, unter über 90-jährigen Männern sind es knapp hundert. Das Gesundheitsministerium schlägt daher Kampagnen in urologischen Praxen, Seniorentreffs, Hospizen sowie über Zeitungen und das Fernsehen vor. Bei Frauen steigt das Suizidrisiko statistisch ebenfalls mit dem Alter. Auch Menschen, die einen Suizidversuch überlebt haben, sind besonders gefährdet. Sie sollen künftig von Krankenhäusern in längerfristige Betreuungen überführt werden – mit dem Ziel, weitere Versuche zu verhindern.
Drittens schlägt das Ministerium eine Reihe von Präventionsmaßnahmen vor, deren Wirksamkeit empirisch allerdings bislang nicht nachgewiesen wurde. Darunter fallen eine bundesweit einheitliche Notrufnummer für Menschen mit Suizidgedanken und eine nationale Kompetenzstelle für Suizidprävention. Die Forderung von Fachgesellschaften, 20 Millionen Euro für die Förderung der Prävention im Bundeshaushalt zu verankern, taucht in dem Papier des Ministeriums nicht auf.