Sibirien: Schon Jäger und Sammler haben Festungen gebaut

Forschende haben eine archäologische Stätte in Sibirien untersucht und die wohl bisher älteste befestigte Siedlung der Welt nachgewiesen. Damit stellen sie gängige Vorstellungen vom damaligen Zusammenleben infrage.

Sibirien: Schon Jäger und Sammler haben Festungen gebaut

Jäger und Sammler lebten in Höhlen: Dieses Klischeebild hält womöglich nicht länger Stand. Denn schon vor 8000 Jahren haben Menschen Festungen gebaut, wie Forschungsarbeiten zu einer Anlage in Sibirien zeigen. Die Siedlung Amnya gilt als nördlichste steinzeitliche Wallanlage Eurasiens. Den Forschenden zufolge zeigt sie nun, dass Menschen sich schon damals sozial komplex organisieren konnten.

Vor Ort haben die Forscherinnen Proben gesammelt und schließlich analysiert. So konnten sie das steinzeitliche Alter der Stätte bestätigen. »Diese Erkenntnis verändert unser Verständnis der frühen menschlichen Gesellschaften«, sagte Henny Piezonka vom Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin, die das Forschungsprojekt geleitet hat. Sie stelle die Vorstellung infrage, dass die Menschen erst mit dem Aufkommen der Landwirtschaft begannen, dauerhafte Siedlungen mit monumentaler Architektur zu bauen und komplexe soziale Strukturen zu entwickeln. Die Forschungsergebnisse wurden vergangene Woche in der Fachzeitschrift »Antiquity« veröffentlicht.

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»Unsere neuen Untersuchungen zeigen, dass die Bewohner Westsibiriens einen hoch entwickelten Lebensstil führten, der auf den reichhaltigen Ressourcen der Taiga basierte«, sagte Mitautorin Tanja Schreiber. Die prähistorischen Bewohnerinnen und Bewohner fingen der Studie zufolge Fische im Fluss Amnya und jagten Elche und Rentiere mit Knochen- und Steinspeeren. Um ihre Vorräte an Fischöl und Fleisch zu konservieren, stellten sie demnach kunstvoll verzierte Töpferwaren her.

Die neuen Forschungsergebnisse stellen noch eine weitere etablierte Annahme infrage: dass dauerhafte Siedlungen mit Verteidigungsanlagen erst mit der Entstehung bäuerlicher Gesellschaften verbunden waren. Stattdessen konnten die Wissenschaftlerinnen bislang zehn steinzeitliche Festungsanlagen mit Grubenhäusern nachweisen, die von Erdwällen und Holzpalisaden umgeben waren. Die Bauten belegen den Angaben zufolge fortschrittliche architektonische und defensive Fähigkeiten der Taiga-Gesellschaften.

»Der Wettbewerbscharakter, der sich aus der Lagerung von Ressourcen und der Zunahme der Bevölkerung ergibt, ist in diesen prähistorischen Bauten offensichtlich und widerlegt frühere Annahmen, dass es in Jäger- und Sammlergesellschaften keine größeren Konflikte gab«, sagte Piezonka.