Reaktionen auf den Tod des Schriftstellers Paul Auster
Paul Auster und Siri Hustvedt, aufgenommen in ihrem Haus in Brooklyn 2020
Er muss bis zuletzt geschrieben haben. Paul Auster hat bis vor Kurzem noch neue Bücher veröffentlicht, gerade erst war auf Deutsch „Bloodbath Nation“ erschienen: ein Band mit Fotografien von Tatorten amerikanischer Waffengewalt, zu dem Auster die Texte beigesteuert hatte. Sein letzter Roman, der also jetzt wirklich sein allerletzter Roman geworden ist, „Baumgartner“, datiert vom vergangenen November.
Paul Auster, der amerikanische Autor von Standardwerken des späten 20. Jahrhunderts wie „Stadt aus Glas“ und „Leviathan“, ist am 30. April 2024 im Alter von 77 Jahren gestorben. Was in Deutschland an diesem Dienstagabend sogar die „Tagesschau“ meldete, denn Auster war, auch wenn seine Romane, der letzte eingeschlossen, meist von hochgradig literarisch verdichteten Figuren erzählten, die ihm selbst ähnelten, ein populärer Schriftsteller, in Frankreich ein Star.
Und seine letzten Jahre müssen nicht leicht gewesen sein, auch wenn er davon nicht öffentlich redete. Über seine Krebserkrankung hatte Siri Hustvedt, Austers Frau und Schriftstellerin, die Öffentlichkeit im März 2023 informiert und per Instagram auf dem Laufenden gehalten. Kein Wort nach außen auch, nachdem Daniel, Austers Sohn aus seiner ersten Ehe mit der Schriftstellerin Lydia Davis, im Frühjahr 2022 an einer Überdosis gestorben war – kurz zuvor war Daniel Auster angeklagt worden, für den Tod seiner zehn Monate alten Tochter verantwortlich zu sein, in deren Körper man Heroin und Fentanyl festgestellt hatte. Jetzt, da Paul Auster gestorben ist, sprechen andere für ihn darüber, wie seine Freundin, die Autorin Lucy Sante: Daniels Tod und der seiner Enkelin Ruby, schrieb sie in der „New York Times“, „habe sein eigenes Ende beschleunigt, hat Paul gesagt“.
Dieser Artikel war schon am Todestag in der „Times“ erschienen. Siri Hustvedt hat nun in einem Post auf Instagram erklärt, dass „noch bevor seine Leiche unser Haus verlassen hatte, die Todesnachricht in den Medien kursierte und Nachrufen erschienen. Weder mir noch unserer Tochter Sophie noch unserem Schwiegersohn Spencer noch meinen Schwestern, die Paul wie seine eigenen geliebt hatte und die sein Sterben bezeugt hatten, wurde die Zeit gewährt, diesen schmerzlichen Verlust zu begreifen. Niemand von uns konnte seine oder ihre Nächsten anrufen oder ihnen schreiben, bevor das Geschrei im Netz begann. Wir wurden dieser Würde beraubt. Ich weiß nicht, wie es dazu kam, aber eins weiß ich: Dass es falsch ist.“
Was Paul Auster über das Leben und das Schreiben selbst gesagt hat, geht auf Instagram jetzt als Zitatkachel um: „Das Leben ist so kurz, so zerbrechlich, so rätselhaft. Wie viele Menschen lieben wir eigentlich im Laufe eines Lebens? Nur ein paar, ein paar ganz wenige. Wenn die meisten von ihnen nicht mehr da sind, verändert sich die Landkarte unserer inneren Welt.“ Wie Auster die inneren Landkarten anderer verändert hat, davon hat die schwedische Autorin Ia Genberg im autofiktionalen Roman „Die Details“ erzählt, der jetzt für den International Booker Prize nominiert ist. Darin erinnert sie sich an die Lektüre seiner „New-York-Trilogie“: „Auster, klaustrophobisch, aber geschmeidig, simpel und bizarr, paranoid und nüchtern, zwischen den Wörtern ein offener Himmel.“
Die Trilogie war Austers Durchbruch gewesen, auch Menschen, die sonst nichts von ihm gelesen haben, haben deren ersten Band „Stadt aus Glas“ (1985) gelesen. Oder auch „Mond in Manhattan“, wenig später erschienen. „Von dem Augenblick an“, schreibt Ia Genberg über dieses Buch, „war Auster eine Art Himmelsrichtung für mich, lesend wie schreibend – auch wenn ich ihn mit der Zeit aus den Augen verlor und mir nicht mehr jedes neue Buch gleich nach Erscheinen besorgte. Seine Schnörkellosigkeit wurde ein Ideal, das erst an seinen Namen geknüpft war und dann ohne ihn weiterlebte.“ Jetzt leben Paul Austers viele und von vielen geliebte Geschichten für immer ohne den Autor weiter.