Vor dem Kongress feierten Ukraine-Unterstützer am Samstag das Votum im Repräsentantenhaus.
In einer der schwierigsten Phasen des russischen Angriffskriegs kann die Ukraine Hoffnung schöpfen: Amerika ist wieder zur Stelle. Wenn vermutlich am Dienstag auch der Senat dem Hilfspaket zugestimmt und Präsident Joe Biden das Gesetz unterschrieben hat, dürften die ersten Artilleriegranaten und Waffen binnen Tagen auf dem Schlachtfeld ankommen. Das ist der Unterschied zu vielen Zusagen aus Europa, die, weil die Rüstungsproduktion nicht resoluter hochgefahren wurde, meist nur Versprechen für eine gefährlich ferne Zukunft sind.
Man kann mit Trump verhandeln. Taugt Speaker Mike Johnson zum Vorbild für die Europäer?
Wenn Kiews Kommandeure russische Stellungen wieder vermehrt mit Artillerie statt mit Drohnen angreifen können, dürfte das den Aggressor zumindest bremsen. Sollte Biden auch die von den Abgeordneten verlangten ATACMS-Raketen mit großer Reichweite rasch und ohne die bisherigen Einschränkungen liefern, bekäme Kiew neue Möglichkeiten zur Verteidigung (und in Deutschland dürfte die Debatte um die in mancher Hinsicht ähnlichen Taurus-Marschflugkörper neu aufflammen).
Mindestens so wichtig ist das Signal, das von dem Washingtoner Beschluss ausgeht – an Kiew, aber auch an dessen europäische Partner. Der Westen ist nicht gelähmt oder gar tot, Donald Trump genießt (noch) keine Vetomacht gegen eine amerikanische Bündnispolitik, die weiterhin von einer überwältigenden Mehrheit der Volksvertreter getragen wird. Mehr noch: Er ist kompromissbereit.
Für eine Kriegswende wird das Paket nicht genügen
Von einer Kriegswende allerdings sollte man jetzt nicht phantasieren. Nur ein Viertel der rund sechzig Milliarden Dollar, welche die amerikanischen Steuerzahler abermals für Europas Sicherheit aufbringen, fließt in direkte Waffenlieferungen an die Ukraine. Das dürfte nicht ansatzweise reichen, um die von Russland eroberten Gebiete zu befreien – zumal der Ukraine nicht nur Material, sondern Soldaten fehlen. Die wichtigste Frage bleibt deshalb, wie sehr sich die Ukraine auch künftig auf Amerikas Unterstützung verlassen kann.
Das bleibt im Ungewissen, aber die jüngste Volte lehrt doch einiges. Vor allem dies: So laut die Mini-Trumps, „America First“-Nationalisten und Isolationisten im Kongress auch den Ton angeben mögen, die große Mehrheit der Abgeordneten und Senatoren ist durchaus noch fähig, ihr politisches Gewicht zugunsten der Ukraine auf die Waage zu bringen. Dass dabei ausgerechnet der Trump-Loyalist Mike Johnson zur treibenden Kraft wurde, obwohl er deshalb um sein Amt als Sprecher des Repräsentantenhauses bangen muss, dürfen Amerikas NATO-Partner als Zeichen der Hoffnung lesen.
112 republikanische Gegenstimmen bleiben zwar ein Alarmsignal. Doch weder sind alle diese Abgeordneten überzeugte Isolationisten, was schon die viel größere Unterstützung für das Israel-Hilfspaket zeigt, noch muss man sie allesamt als Putin-Freunde abschreiben. Die Abgeordneten haben mit Blick auf ihre Wahlkreise viele Rechnungen aufgemacht, bevor sie entschieden, ob sie früherer Rhetorik zum Trotz ein Ukraine-Paket ohne Maßnahmen gegen illegale Migration unterstützen.
Trumps Ukraine Politik bleibt transaktional
Die Mehrheit der treuen NATO- und Ukrainefreunde könnte in den Kongresswahlen, die im November gleichzeitig mit der Präsidentenwahl stattfinden, zwar weiter schrumpfen; die Verwandlung der Republikanischen Partei in einen Trump-Kult schreitet voran. Eine Minderheit dürfte aus der Beinahe-Dreiviertel-Mehrheit vom Samstag aber nicht so schnell werden. Also hätte Donald Trump auch als Präsident mit einem Kongress zu ringen, der die Gefahr namens Putin klar erkennt. In seiner ersten Amtszeit hat Trump schon nicht zuletzt in der Russland-Politik die Erfahrung gemacht, dass selbst ein republikanisch dominierter Kongress nicht stets nach der Pfeife eines republikanischen Präsidenten tanzt.
Trumps Ukraine-Politik bleibt ohnehin eher transaktional als prinzipienfest. Der Kandidat hatte Gründe, diesmal nicht aktiv gegen das Ukraine-Paket zu werben, sondern sogar Johnson den Rücken zu stärken: Er mochte nach einer Niederlage nicht als Schwächling dastehen und wollte wohl das Chaos einer führungslosen Republikaner-Fraktion vermeiden. Trump könnte zudem kalkuliert haben, dass ein weiteres russisches Vorrücken aufgrund unterlassener Hilfeleistung aus den USA seine Wahlchancen mindern würde, denn mit seinen Hardcore-Anhängern allein kann er im November nicht gewinnen. Johnson hat vorgeführt, dass man mit Trump verhandeln kann, wenn man auch etwas zu bieten hat. Für die Europäer wird dieses „Etwas“ vor allem Geld für die NATO sein.
Wie früher blind auf Amerika verlassen können sie sich auch künftig nicht. Selbst wenn Biden wiedergewählt wird, ist der trumpistische Spuk nicht vorüber. Umgekehrt gilt aber selbst nach einem Sieg des Republikaners: Washington ist mehr als Donald Trump. Das hat sich jetzt gezeigt. Deshalb war es ein schlechter Tag für Wladimir Putin.
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