Hasso Plattner wird 80: Ein unruhiger Schöpfergeist

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Der Palast Barberini (hier vor dem Richtfest 2015) zählt zu Plattners Lebenswerk.

Wer den Unternehmer Hasso Plattner in wenigen Worten beschreiben wollte, könnte es so formulieren: Ihn treibt der absolute Wunsch zu gewinnen. Ob als Softwareentwickler, Dax-Vorstandssprecher und -Aufsichtsratsvorsitzender, als Segler auf Weltklasseniveau oder Fußballer – immer wolle der Gründer, Manager, Kunstsammler und Stifter vorne sein, sagen enge Wegbegleiter.

Er habe sich nie mit dem Erreichten zufriedengegeben, sich immer neue Ziele gesetzt, nie nachgelassen. Sein Baby SAP, das er mit Dietmar Hopp, Klaus Tschira, Hans-Werner Hector und Claus Wellenreuther Anfang der 1970er Jahre aus sicherer Anstellung beim Computerkonzern IBM auf die Welt brachte und zum jüngsten deutschen Weltkonzern entwickelte, gibt er erst im neunten Lebensjahrzehnt aus der Hand.

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Hasso Plattner (2. von rechts) im Kreise der SAP-Mitgründer

Denn bislang war Plattner der Garant dafür, in zahlreichen Häutungen den Konzern entlang der technologischen Brüche über Jahrzehnte für Neues zu öffnen. Nach dem achtzigsten Geburtstag an diesem Sonntag wird er den Posten des Chefkontrolleurs im Mai aufgeben. Doch seine Rolle als Antreiber der deutschen Innovationskraft dürfte er noch eine Weile ausfüllen.

Eishockeyvereine und Staaten sollen im Wettbewerb bestehen

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Hasso Plattner mit Kanzlerin Angela Merkel vor einem Munch

Wenn man sich einen akribisch arbeitenden, wettbewerbsorientierten, weitsichtigen, freiheitsliebenden Menschen vorstellt, der es hasst, wenn Menschen, Unternehmen, Eishockeyvereine oder Staaten hinter ihren Möglichkeiten (und damit im Wettbewerb) zurückbleiben, hat man ein stimmiges Bild von ihm: Viele Millionen Euro gibt Plattner seit Jahren als Mäzen für gute Zwecke aus. Aber er weiß auch, woher das Geld kommt, und was man dafür tun muss, damit man es verdient.

Von einem Treffen von Führungskräften bei SAP in Walldorf wurde vor einigen Jahren dies berichtet: Plattner war aus der Ferne am Bildschirm zugeschaltet, konnte aber seinerseits die Kamera steuern, die ihm das Bild aus dem Besprechungsraum wiedergab. Einer der Anwesenden stellte seine Kaffeetasse neben der Untertasse ab. Plattner habe dann mit seiner Kamera auf die Tasse gezoomt, so wird berichtet – schon die Kamerafahrt habe alle im Raum zusammenzucken lassen. Das anschließende Donnerwetter über die Unachtsamkeit oder Unkonzentriertheit des Managers hätte sich der Betroffene gerne erspart.

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Am Tag des Börsengangs 1988 posiert Plattner vor der Kurstafel.

Doch obwohl ihm der Ruf eines impulsiven und bisweilen brutal im Interesse der SAP-Zukunft handelnden Managers vorauseilt, war eine gute Stimmung im Konzern Voraussetzung für große Leistungen. „Er kann die Reißleine ziehen“, sagt Henning Kagermann, der in den 1990er Jahren neben Plattner als erster Manager von außerhalb des Gründerteams an die SAP-Spitze rückte.

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Die Methode des Design Thinking öffnet Wege.

Manager sägte er ohne Vorbereitung ab

Niemand werde erfolgreich, wenn ihm kommerzielles Gespür fehle und er in kritischen Situationen nicht hart sei. Die späteren Chefs Léo Apotheker und Jennifer Morgan, die er ohne Vorbereitung abgesägt hat, haben das zu spüren bekommen. „In der Belegschaft war die Zustimmung zu den Gründern und ihrer Strategie aber immer enorm“, betont Kagermann. Das habe nur durch die wettbewerbsorientierte und offene Kultur gelingen können, die besonders Hopp und Plattner vorgelebt hätten.

Bei großen Unternehmern ist es wohl so: Sie müssen mutig sein, Risiken eingehen, dabei im Alltag nicht nachlassen, das Team im Auge behalten, auf Werte achten. Dass mit Plattner der letzte geht, ist für den Konzern eine Zäsur.

Mitgründer Hopp nennt Plattner, der mit seiner Frau zwei Töchter hat, in einem Geburtstagsgruß „ein Produkt des unbändigen Siegeswillens“, geprägt von einer „schier unermüdlichen Schaffenskraft“. Plattner selbst aber hat einmal gegenüber einem Gesprächspartner betont, er könne nicht auch noch am Wochenende Vollgas geben, weil er die Zeit zum Nachdenken brauche. Vielleicht hat ihm das ermöglicht, schneller als andere zu erkennen, was in der Informationstechnik als nächstes wichtig wird.

SAP ist über mehrere technische Klippen gesprungen

„Deine Bereitschaft, Dinge anders anzugehen, Deine kreative Kraft, technische Prozesse neu zu denken, war herausragend“, schreibt Hopp. Tatsächlich verbinden Kenner des Konzerns diese Denkart damit, dass SAP seit Ende der 1970er Jahre über mehrere technische Klippen wie die Datenverarbeitung in Echtzeit, das Internet (und damit das Cloudcomputing) und die In-Memory-Datenbanktechnik gesprungen und weiter gewachsen ist.

Dazu kommt ein ausgeprägter Sinn für Ästhetik. Den Aufbau der Kunstsammlung von SAP übernahm er, später wurde er auch privat ein bedeutender Sammler und Museumsgründer. Im Unternehmen stand die Ästhetik für ihn in Verbindung mit guter Haptik. „Was uns fehlt, ist ein zweckmäßiges nutzerfreundliches Design“, sagte er, als er auf einer CDU-Veranstaltung 2015 vor Kanzlerin Merkel über Defizite deutscher Unternehmen sprach. Apple-Handys würden auch wegen ihrer abgerundeten Ecken gekauft. Eine digitale Mikrowelle aus den USA lasse Nutzer am Aufwärmprozess akustisch teilhaben. „Ein deutscher Ingenieur hat extreme Schwierigkeiten, eine so einfache Anwendung zu bauen“, sagte er.

Erst 2017, mit der Eröffnung des von ihm gestifteten Museum Barberini am Potsdamer Alten Markt, wurde der Öffentlichkeit offenkundig, dass sich Plattner schon lange für Kunst interessierte. Das ganze Ausmaß seiner Sammelleidenschaft offenbarte sich allerdings erst vier Jahre später: Weitgehend unbeachtet von der Kunstwelt hatte er über drei Jahrzehnte eine mehr als hundert Werke umfassende Sammlung impressionistischer Landschaftsmalerei zusammengetragen. Seither ist sie als Dauerleihgabe der Hasso Plattner Foundation im Barberini zu sehen. Selbst als Sammler behält er die unternehmerische Resolutheit – für die Entscheidung, ob er ein Werk kaufe, brauchte er nur zehn Sekunden, sagte Plattner einmal. Entscheidend sei für ihn: Kann ich ohne das Werk leben?

Potsdam schloss durch ihn zu Weltmetropolen auf

Der Museumsbestand des Barberini umfasst Werke von Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir, Alfred Sisley und Berthe Morisot, Camille Pissarro, Gustave Caillebotte und Paul Signac sowie weiteren Malern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Meisterwerke wie Caillebottes „Brücke von Argenteuil“ (1883), Monets „Getreideschober“ (1891) und „Seerosen“ (1914–1917), Signacs „Hafen bei Sonnenuntergang“ (1892) – die brandenburgische Landeshauptstadt wurde dank seiner Sammelleidenschaft fast über Nacht zu einem Zentrum impressionistischer Kunst, neben Städten wie Paris, Chicago und New York.

Am Anfang von Plattners Weg als Unternehmer stand die fast monopolartige Stellung seines Arbeitgebers. Zu Beginn der 1960er Jahre hatte IBM einen gewaltigen Marktanteil in der Informationstechnologie. Auf neun von zehn neu gebauten Großrechnern befand sich das Logo von „Big Blue“, wie IBM genannt wurde. Der Name hatte einen Klang wie heute der von Google, Apple oder Amazon. Die fünf SAP-Gründer arbeiteten zunächst allesamt für die deutsche Tochtergesellschaft des Technologievorreiters aus den Vereinigten Staaten.

„In den ganz frühen Jahren der Computerindustrie zählten nur die Rechner, Programme galten als wertlos, man bekam sie in der Regel einfach dazu“, schreiben Ludwig Siegele und Joachim Zepelin über die damalige Zeit in ihrem Buch „Matrix der Welt – SAP und der neue globale Kapitalismus“, das bis heute lesenswert ist. Erst in der Zeit der Gründung habe sich eine eigenständige Branche entwickelt. Ausgangspunkt sei ein großes „Unbundling“ von IBM gewesen. „Um ein drohendes Kartellverfahren abzuwenden, entschied sich der Computerkonzern 1969, Hardware und Software fortan getrennt zu verkaufen.“

Am Anfang stand eine übertragbare Standardsoftware

Ein Team um Hopp sollte für das damals sehr gut funktionierende System IBM/360-20 für mittlere und kleinere Kunden ein Buchhaltungssystem entwickeln. Im Chemieunternehmen ICI galt es, ein integriertes Softwarepaket der Finanzbuchhaltung, Materialwirtschaft und Auftragsabwicklung zu schaffen – Grundstock für eine „Standardsoftware“, die auf andere Unternehmen übertragen werden konnte.

Bevor ein Computer Daten bearbeiten und ausschließlich per Drucker wieder ausspucken konnte, mussten diese umständlich auf Lochkarten gestanzt werden, mit welchen wiederum der Rechner gefüttert wurde. Plattner und die vier anderen Gründer wagten sich an das Neue. Mithilfe des technischen Fortschritts und des eigenen Ehrgeizes gelang es, in Echtzeit mit dem Computer zu kommunizieren. Das geschah also in „real time“, weshalb sie ihr erstes Software-Paket später auch R nannten. Eine enge Beziehung zum Kunden wurde zum SAP-Markenkern.

Plattner war für die erfolgreiche Expansion in den USA verantwortlich. Nach dem Börsengang 1988 dauerte es nur sieben Jahre bis SAP zu den damals 30 größten börsennotierten Konzernen gehörte, die den Index Dax formierten. Als Vorstandsvorsitzender und Hopps Nachfolger wirkte er in den sechs Jahren nach 1997, danach wechselte er auf den Posten des Chefkontrolleurs, wo er die Grundlagen dafür schuf, dass der Konzern unter Bill McDermott zum wertvollsten deutschen Unternehmen wuchs.

Er liebt die Unmittelbarkeit der Impressionisten

Der Wechsel in den Aufsichtsrat ließ ihm mehr Zeit für seine anderen Projekte. So auch als Kunstsammler: Bei der Wahl der Motive folgte er zunächst seiner Begeisterung für das Meer, zunehmend traten weitere Themen der Impressionisten in den Fokus seines Interesses – das urbane Leben in Paris, die ländliche Peripherie, die mondänen Küstenstädtchen an der Côte d’Azur und der italienischen Riviera. Plattners Faszination für die Impressionisten speist sich aus deren unmittelbarer Vermittlung sinnlicher Eindrücke: „Die Impressionisten beschreiben die Atmosphäre so unmittelbar, dass ich beim Anblick von Caillebottes Gemälde der Seine unwillkürlich ins Wasser springen möchte, dass mich Monets abendliche Szene mit den Segelschiffen bei Argenteuil zum sofortigen Lossegeln einlädt, dass sein Bild eines Kornfeldes bei mir den Wunsch auslöst, durch die wogenden Ähren zu laufen.“

Mit 39 Gemälden von Claude Monet sind außerhalb von Paris nirgends in Europa mehr Werke dieses Künstlers an einem Ort zu sehen, selbst mit den großen Häusern in den USA ist man in Potsdam auf Augenhöhe: das Metropolitan Museum of Art in New York etwa zählt 40 Monets. Einzigartig in Deutschland ist der Bestand der Gemälde von Caillebotte, Pissarro, Signac, Sisley und dem Fauvisten Maurice de Vlaminck. Die Sammlungspräsentation spannt den Bogen von den Sechzigerjahren des 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert und versammelt Werke aus drei Generationen an Künstlern.

„Es gibt keine vergleichbare Sammlung, die die Landschaftsmalerei der französischen Impressionisten so umfangreich und die Entwicklung wie auch die Ikonographie so schlüssig zeigt“, strich die Direktorin des Barberini, Ortrud Westheider, die Bedeutung der Kollektion im aktuellen Impressionismus-Jahr 2024 heraus. Und das Konvolut wächst stetig. 2022 und 2023 kamen zehn Gemälde neu in die Sammlung, darunter die selten gezeigten Werke Monets: „Das Parlament, Sonnenuntergang“ oder „Der Apfelbaum“, die zuletzt 1904 und 1906 beim Galeristen Paul Cassirer in Berlin zu sehen waren, bevor sie in die USA verkauft wurden. In nur sieben Jahren hat sich Plattners Museumsgründung in der internationalen Museumslandschaft und beim Publikum einen Namen gemacht.

Neben französischer Landschaftsmalerei erwirbt Plattner auch DDR-Kunst. Dieser widmete das Museum Barberini 2018 die Ausstellung „Hinter der Maske“. Im September 2022 öffnete mit dem MINSK Kunsthaus in Potsdam das jüngste Projekt der Foundation: Das zu einem modernen Ausstellungshaus gestaltete, ehemalige Terrassenrestaurant „Minsk“, erbaut in den 1970er Jahren im modernistischen Stil der DDR, soll sich zu einem Ort für Begegnungen zwischen moderner und zeitgenössischer Kunst entwickeln. Plattner ließ es aufwendig sanieren, seine Begründung war auch hier bündig: „Es war furchtbar, wie es verfallen war. Das Minsk ist gute Architektur. Das hätte auch der westdeutsche Egon Eiermann nicht besser hinbekommen“.

Auf einer Stufe mit Mutter, Richter und Schumacher

In mehr als einem halben Jahrhundert Unternehmensgeschichte gibt es auch schwarze Flecken auf der Weste. Dazu zählt etwa eine langjährige Fehde mit dem ehemaligen Oracle-Chef Larry Ellison, die Vorwürfe wegen Urheberrechtsverletzungen nach sich zogen. Nach einem zurückgenommen Gerichtsurteil mündeten sie 2014 in einen Vergleich über einen mittleren dreistelligen Dollarbetrag. Korruptionsanwürfe wegen Geschäften in Südafrika ließen sich nicht bestätigen.

Insgesamt aber verdrängt viel Licht wenig Schatten. Für seine Leistungen als Unternehmer und Mäzen hat Plattner Anerkennung weit über seine Branche hinaus erhalten. Der Unternehmensberater Roland Berger zählte ihn in einem Interview der „Welt am Sonntag“ neben den Künstlern Anne-Sophie Mutter, Gerhard Richter, Kurt Masur und dem Sportler Michael Schumacher zu der Handvoll Deutscher, die ihn am meisten beeindruckt hätten: „Die Art, wie sich SAP mehrmals selbst neu erfunden hat unter seiner Führung – eine Meisterleistung.“

Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte anlässlich von Plattners sechzigstem Geburtstag, um Deutschland wirtschaftlich voran zu bringen, „brauchen wir eine Menge Hasso Plattners und eine Menge SAPs“. Und der Moderator Günther Jauch, der wie er in Potsdam lebt, würdigt seine Leistungen als Stifter und Kunstsammler. „Ich bewundere ihn aber auch für seine Geduld, wenn er auf die Bedenkenträger stößt, die auch seine Projekte stets begleiten“, sagte er dem „Tagesspiegel“.

Schon im Vorstandsvorsitz hatte sich Plattner zusätzlich als Wissenschaftsmäzen engagiert. Er hatte festgestellt, dass ein reifes Unternehmen mit alternder Belegschaft weniger innovativ ist. Von der Wissenschaft erhoffte er sich Impulse. Hinzu kam, dass der gebürtige Berliner schon auf Segeltouren auf dem Wannsee in seiner Jugend das unerreichbare Potsdam als Sehnsuchtsort wahrgenommen hatte. Nach dem Mauerfall kaufte er dort Grund mit der Absicht, eine Universität zu gründen. Um die Jahrtausendwende nahm das Hasso-Plattner-Institut seine Arbeit auf, wo talentierte junge Leute komplexe IT-Systeme verstehen, entwickeln und zu beherrschen lernen sollten.

Bei Plattner zählt das Argument, nicht die Hierarchie

„Die Vorlesungen waren ein Jungbrunnen für ihn“, sagt Christoph Meinel, der die Leitung des Hasso-Plattner-Instituts übernahm. Anders als im Konzern traten ihm die jungen Talente ohne Furcht entgehen. „Sie waren respektlos und sagten: Das würde ich ganz anders machen. Das hat ihm gefallen.“ Hier konnte er ausleben, was er schon bei SAP kultiviert hatte: Das bessere Argumente würde gewinnen – unabhängig von der Hierarchie, man begegnete sich auf Augenhöhe, notfalls musste man sich für ein Argument auch eine Stunde nehmen.

Zu dieser Zeit beginnt das, was sich als „SAPisierung der Republik“ mit starkem Einfluss Plattners bezeichnen lässt. Neben der Alterung der SAP-Belegschaft sah er ein zweites Hindernis für Innovationen. Durch die Komplexität der Software ließen sich Systeme nicht mehr anfassen und auf Bedürfnisse von Nutzern zuschneiden. Es brauchte also Methoden, um haptischer und intuitiver zu neuen Ideen zu kommen. An der kalifornischen Universität in Stanford wurde er nach längerer Suche fündig. Dort besuchte er Seminare von Designern, die in interdisziplinären Teams mit schneller Vertestung neuer Produktideen einen Weg gefunden hatten.

Daraus wurde die Methode des Design Thinking, an deren Systematisierung sich Plattner mit Geld und Ideen beteiligte – und der Verbreitung über das Hasso-Plattner-Institut. Mehr als 10.000 Menschen sind inzwischen in diesen Methoden geschult worden: Studenten, Manager, Verwaltungsmitarbeiter. Viele haben die Methodik in ihre Organisationen getragen und damit die Innovationsfähigkeit durch interdisziplinäre Teams verbessert. Manchmal begann es mit einer Handvoll Kollegen unterschiedlichen Alters an einem Stehtisch mit Schere, Papier und Legosteinen.

Design Thinking war für ihn eine große Inspirationsquelle

Als 2016 das SAP Innovation Center am Hasso-Plattner-Institut eröffnet wurde, hielt er eine seiner typischen inspirierenden Reden. Den Laptop vor sich, im Pullover (weil sein eines Jackett nach einer kurzen Nacht verknüllt und das andere in der Bay Area liegen geblieben war), mit kurzen schnellen Gedankengängen, abgehackt, viele Lacher, nie fertig ausformuliert. „Es ist möglich, ein Milliardär zu werden. Und nichts ist daran falsch“, rief er den Leuten zu. SAP habe wie viele andere deutsche IT-Konzerne das größte Problem in der Kundeninteraktion. Deshalb habe ihn der Einfluss aus Stanford umgehauen. „Es hat mich nachhaltig umgestimmt, wie man mit Design Thinking Dinge weit über das hinaus verbessern kann, was wir für das Ende der Verbesserungen hielten.“

Die Methode ist inzwischen in deutschen Unternehmen in der Fläche ausgerollt. Aber zwei Eigenschaften Plattners verdeutlichen, warum er damit als Aufsichtsratsvorsitzender besonders stark in die strategische Entwicklung von SAP eingebunden blieb. „Design Thinking ist auch ein ästhetischer Prozess“, sagte sein ehemaliger Ko-Vorstandssprecher Kagermann, als er vor einigen Jahren eine Laudatio auf ihn hielt. „Dies ist für Hasso Plattner von jeher ein ganz zentrales Thema und erklärt vielleicht auch seine enge Verbindung zur Kunst.“ Seine Kunstliebe hat ihm also das Tor zu neuen Innovationsansätzen eröffnet. Das andere ist die permanente Bereitschaft, das Bestehende in Frage zu stellen.

Auch dies beschreibt Kagermann. Noch in den 1980er Jahren waren die Projektbücher voll: USA-Expansion, den Mittelstand an SAP heranführen. Schon von 1987 an aber habe er Druck gemacht. „Das war anstrengend: Im bestehenden System waren viele Module noch nicht fertig, Er aber drängte. Das hat uns manchmal gestresst“, sagt er. Und doch habe das die Belegschaft auch motiviert. „Ohne unruhigen Geist verpasst man Gelegenheiten.“

Auf der Cebit 1991 machte er aus der Not eine Tugend

Nur dadurch konnten Plattner und seine Mitstreiter zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Dafür mussten sie auch mutig ins Ungewisse springen: Zu Beginn der 1990er Jahre wurde schließlich die Softwareversion R/3 angekündigt, die das Unternehmen zum Weltkonzern machen sollte. Dies war mit einem bemerkenswerten technischen Wandel verbunden: Denn die neue SAP-Software wurde auf einer Client-Server-Architektur einsetzbar, bei der Personal Computer an Netzwerkrechner (Server) angebunden wurden. Das aber war aus der Not geboren, da die Großrechner nicht in der Lage waren, das Programm zum vorgesehenen Zeitpunkt auf der Computermesse Cebit 1991 in Hannover zum Laufen zu bringen.

Die Entwickler schlugen vor, einfach die für die Entwicklung genutzte Computer-Architektur aus Workstations zu nutzen, angetrieben vom Betriebssystem Unix. Zur Cebit klappte das. Die eigentliche Sensation aber, dass das Programm in einem kleinen Unix-Rechner steckte, wurde zunächst verschwiegen. Das war ein derartig großer Fortschritt, dass ihn, so Plattner später, zum Zeitpunkt der Vorstellung „keiner verstanden“ hätte. Die Architektur war wirtschaftlicher und erlaubte die Arbeit mit grafischen Oberflächen sowie die Einbindung des Internets. Später, als sich zeigte, dass Hauptspeicher immer günstiger wurden und relevante Daten schnell aufnehmen konnten, ließ Plattner Studenten ein Pilotprojekt ausarbeiten, das später dem Konzern einen weiteren großen Schritt erlaubte.

„Er ist geladen mit Energie und hin und hergerissen zwischen verschiedenen Dingen“, sagt der langjährige HPI-Präsident Meinel. Nach kurzer Zeit hingen ihm Zuhörer an den Lippen. Seine Selbstkritik zwinge den Konzern, Fehler schnell abzustellen. „Aus diesen Spannungen kommen Kräfte heraus, die ihm ermöglichen, massenhaft Menschen hinter sich zu versammeln.“ Insofern ist Plattner als rastloser schöpferischer Zerstörer einer der deutschen Unternehmer, auf die die Schumpetersche Vorstellung am besten passt. Ein konstruktiver Querdenker sei Plattner, schrieb Mitgründer Dietmar Hopp vergangenes Jahr in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „Wir haben uns gemessen, haben den Wettbewerb geliebt. Aber vor allem: Wir haben dieses Ringen zum Wohl der SAP eingesetzt.“ Und darüber hinaus.

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