Raumfahrt: Deutsche Rakete hebt zum Jungfernflug ab – mit Kerzenwachsantrieb
Die einstufige SR75 kann laut Hersteller Kleinsatelliten in eine Höhe von bis zu 250 Kilometern transportieren. Beim ersten Test lag die Zielmarke jedoch deutlich tiefer.
Raumfahrt: Deutsche Rakete hebt zum Jungfernflug ab – mit Kerzenwachsantrieb
Angetrieben mit Kerzenwachs und flüssigem Sauerstoff ist erstmals seit Jahrzehnten eine kommerzielle Trägerrakete eines deutschen Unternehmens zu ihrem Jungfernflug gestartet.
Die zwölf Meter lange und 2,5 Tonnen schwere SR75 habe um kurz nach sieben Uhr MESZ im australischen Koonibba abgehoben, teilte der Raketenentwickler HyImpulse mit. Man setze damit »ein wichtiges Signal für Deutschland als Raumfahrtnation«, so Co-Firmenchef und Mitgründer Mario Kobald. Für Ende 2025 plane das Unternehmen eine größere, mehrstufige Transportrakete, die bis zu 600 Kilogramm schwere Satelliten in niedrigen Erdumlaufbahnen absetzen soll.
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Die nun eingesetzte einstufige SR75 kann den Angaben zufolge Kleinsatelliten mit einem Gewicht bis 250 Kilogramm in eine Höhe von bis zu 250 Kilometern transportieren. Als Treibstoff dienen das als Kerzenwachs bekannte Paraffin und flüssiger Sauerstoff. Dies drücke die Kosten und sei sicherer, weil bei konventionellen Flüssig- und Festbrennstoffen Explosionsgefahr bestehe, ließ das Unternehmen verlauten. Diesmal war jedoch nur eine Flughöhe von 60 Kilometern geplant, die Grenze zum Weltraum wurde damit nicht überschritten. Wie hoch die Rakete tatsächlich geflogen ist, lässt sich nach Auskunft von HyImpulse erst sagen, wenn sie geborgen und der Flugschreiber ausgewertet wurde. Dies werde ein paar Tage dauern.
Die mehrstufige SL1 soll in etwa eineinhalb Jahren einsatzbereit sein und ebenfalls mit einem Hybridantrieb aus Paraffin und flüssigem Sauerstoff fliegen. Diese Rakete habe eine Höhe von 32 Metern, wiege 50 Tonnen und könne je nach Gewicht der Nutzlast eine Höhe von mehr als 500 Kilometern erreichen, sagte Christian Schmierer, der zweite Co-Chef von HyImpulse. Ein Start der größeren Rakete koste etwa sechs Millionen Euro. Pro Kilogramm Nutzlast wolle das Unternehmen etwa 6500 Euro berechnen. In einer späteren Ausbaustufe soll die Rakete Nutzlasten von mehreren Tonnen ins Weltall transportieren. Dabei sei sie »für den kostengünstigen Transport von Kleinsatelliten in den Weltraum ausgelegt«, so Schmierer.
Die Firma HyImpulse sitzt in der Nähe von Heilbronn in Baden-Württemberg. Laut dem Unternehmen sind Raketen der nun verwendeten Bauart deutlich weniger komplex, was die Baukosten auf rund die Hälfte – verglichen mit konventionellen Antriebssystemen – reduziere. Der Bedarf an kommerziellen Transportraketen in Europa sei riesig. »Entsprechend haben wir mit weit über 100 Millionen Euro bereits ein hohes Volumen im Orderbuch, das monatlich steigt«, so Schmierer. Zu den Kunden gehöre etwa die Automobilindustrie, die Satelliten für die Navigation und das autonome Fahren braucht. HyImpulse will bis 2032 jährliche Umsätze von rund 700 Millionen Euro generieren und strebt einen operativen Gewinn an.
Der ehemalige Astronaut Ulrich Walter sieht gute Chancen für private Hersteller von kleineren Raketen. Satelliten werden nach seinen Aussagen immer kleiner. Die neuen Kleinraketen-Anbieter seien flexibler als die großen, bei denen man schon zwei Jahre im Voraus einen Platz buchen müsse. In Zukunft werde der Markt ordentlich wachsen, sagte der Professor für Raumfahrttechnik an der TU München.
Bereits in den späten Siebzigerjahren hatte die deutsche Firma Otrag eine private Rakete entwickelt, die eine günstigere Alternative sein sollte. Es gab einige Raketentests in Afrika. »Nach heutigem Sprachgebrauch würde man Otrag als Start-up bezeichnen«, sagte Walter. Die Firma Otrag (Orbital Transport- und Raketen-Aktiengesellschaft) hatte Ende 1984 nach eigenen Angaben Produktion und Forschung eingestellt.
HyImpulse ist nicht das einzige Start-up in Deutschland, das an der Entwicklung sogenannter Microlauncher arbeitet. In Bayern gibt es zwei Mitbewerber: Rocket Factory in Augsburg und Isar Aerospace nahe München. Alle drei wurden in den vergangenen Jahren gegründet. Zudem gibt es etwa das wissenschaftlich orientierte Projekt »Moraba« beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), bei dem regelmäßig Texus-Trägerraketen in Kiruna (Schweden) starten.