Zum Siebzigsten der Künstlerin Kiki Smith: Körperwelten und Kapellen

zum siebzigsten der künstlerin kiki smith: körperwelten und kapellen

Kiki Smith, 2019 in Paris

Ein Übersichtswerk zu den in den vergangenen zehn Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossenen „Künstler-Museumskapellen“, also von bildenden Künstlern und nicht von den jeweiligen Architekten gestalteten Sakralräumen innerhalb von Ausstellungshäusern, steht leider noch aus.

Der irische Maler Sean Scully hat 2023 eine altehrwürdige Renaissancepalastkapelle in Valencia innerhalb der spanischen Sammlung Hortensia Herrero mit funkelnd bemalten Glasfenstern und einem Altargemälde wieder ertüchtigt, der amerikanische Lichtmagier James Turrell hat im Swarovski-Museum in Wattens bei Innsbruck sowie im Diözesanmuseum (DIMU) von Freising meditative Räume zum Anbeten einer höheren Wahrheit in Form von Licht eingerichtet.

zum siebzigsten der künstlerin kiki smith: körperwelten und kapellen

Rotes Pfund, Teil unserer Natur: Kiki Smiths Papierarbeit „Untitled“ von 2020 ist tatsächlich in Aquarellfarbe mit Tomate gedruckt und handbemalt.

In letzterem Museum gibt es gar den Luxus einer gleichsam mittelalterlichen Doppelkapelle – im Innern des neoklassizistischen Baus am tatsächlichen Ort der einstigen Kapelle ebender Turrell-Raum mit seiner sakral-luminösen Atmosphäre und außen, nur fünf Meter neben dem DIMU, eine eigens errichtete futurogotische Kapelle von Brückner & Brückner Architekten aus 18.000 wiederverwendeten Dachziegeln einer abgedeckten Kirche in Ruhpolding.

Von Weitem sieht man schon den Heiligen Geist der 1954 in Nürnberg als Tochter des amerikanischen Bildhauers Tony Smith geborenen, allerdings in New Jersey aufgewachsen Künstlerin Kiki Smith in Gestalt einer goldenen Taube aufsteigen. Auch im Innern macht sie durch eine subtile Sprache der Tücher mit der Installation „Mary’s Mantle“ den abwesenden Körper der Muttergottes umso präsenter.

Zwar ist Smiths Werk von der katholischen Bildwelt geprägt, sie würde sich aber dennoch nicht notwendigerweise als klassische Gläubige bezeichnen, auch wenn sie seit den Siebzigerjahren eine Wandlung von der durchaus wütenden Feministin zur eher versöhnlichen Mahnerin durchlaufen hat. Parallel zur Franziskus-Ausstellung im DIMU wurde ihr im Hauptgebäude mit „Empathy“ auch eine eigene Schau gewidmet, die nicht nur pflichtschuldig die Kapellengestalterin abfeierte, sondern anhand der ausgestellten zarten Papierarbeiten (viele davon mit Tieren und Mischwesen) und Skulpturen eines deutlich werden ließ: Das Œuvre Kiki Smiths ist den Werken des Franz von Assisi über die Jahrhunderte hinweg wesensverwandt.

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Kiesel wie menschliche Organe: Kiki Smiths Plastik „Second Choice“ von 1987 besteht aus zwölf Teilen verschiedene Keramikarten, einige davon glasiert.

Ihr Plädoyer für die Natur

Die immer zärtliche, sich oft im subtilen Medium hauchfeiner Aquarelle äußernde Hinwendung zu vernachlässigten bis misshandelten Kreaturen und das unausgesetzte Plädoyer für einen bewussteren und schonenderen Umgang mit der Natur ziehen sich als roter Faden durch beider Arbeiten und Taten. Herausragend ist hier die „Pietà“ benannte Federzeichnung, die sie mit zwei toten Katzen im Schoß zeigt. Nicht zufällig hatte sich Smith 1985 in New York zur Rettungssanitäterin ausbilden lassen, um ein präziseres Gefühl für die Fragilität des menschlichen Körper zu bekommen.

Doch ist die Künstlerin keinesfalls nur in Süddeutschland, in Mannheim, Kaiserslautern, Freising und München präsent, wo sie der Pinakothek der Moderne vor Jahren eine großzügige Schenkung ihrer Werke machte. In der französischen Hauptstadt eröffnete sie 2019 in der Monnaie de Paris eine große Schau, zuvor wurde sie etwa von der Fundació Joan Miró in Barcelona oder dem Pariser Centre Pompidou mit Re­tro­spek­tiven geehrt.

An der Venedig-Biennale und der Documenta X im Jahr 1997 nahm sie ebenso teil, wie sie zum Mitglied der American Academy of Arts and Letters erwählt wurde. Heute feiert die dauerjugendlich wirkende Kiki Smith in New York ihren 70. Geburtstag und plant wohl bereits die nächsten Kunst-Streiche.

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