Deep Purple: Als in Montreux das Kasino brannte, inspirierte das die britische Band zu ihrem grössten Hit

deep purple: als in montreux das kasino brannte, inspirierte das die britische band zu ihrem grössten hit

Deep Purple zählt zu den stilbildenden Bands des Hardrock. ;Jon Lord, Glenn Hughes, Ian Paice, David Coverdale und Richie Blackmore (v.l.n.r.; Kopenhagen, 1973). Jorgen Angel / Redferns ;/ Getty

Das Jahr 1972 ist in der Hardrock-Geschichtsschreibung fest in der Hand von Deep Purple. Ihr Album «Machine Head» setzt sich sofort in allen Charts fest und etabliert die Band endgültig an der Spitze des Genres – neben Led Zeppelin und Black Sabbath. Und ein Song ist damit jetzt in der Welt, dessen ingeniöses Vier-Akkorde-Riff als Übungseinheit für Gitarrenschüler jahrzehntelang so gute Dienste geleistet hat, dass es in den Instrumentengeschäften dieser Erde bei Höchststrafe verboten ist.

Ein Riff ist eine Abfolge von Akkorden, die sich zu etwas Schlüssigem verbinden – vergleichbar mit Worten, die sich zu einem Satz fügen. Beim Erkennungs-Riff von «Smoke on the Water» ist das sozusagen ein ziemlich kurzer, prägnanter und appellativer Hauptsatz mit einem Ausrufezeichen. Er funktioniert wie ein Slogan, den jeder sofort mitsprechen kann.

Deshalb ist er auch bei Anfängern so beliebt. Und bei allen anderen verhasst. Nicht zuletzt bei seinem Erfinder Ritchie Blackmore, dessen geballte Lustlosigkeit immer wieder zu kuriosen oder auch genialischen Aktionen geführt hat. Irgendwann wurde das Lied tatsächlich lästig. Nur «Satisfaction» war noch schlimmer vernutzt.

Ein Riff für Luftgitarristen

Etwas so Archetypisches lässt sich nur noch als Relikt der Pop-Geschichte goutieren und nicht mehr wirklich reaktivieren, hätte man meinen können. Aber als in der späten Deep-Purple-Besetzung Steve Morse Gitarre spielte, nahm er «Smoke on the Water» so ernst, als würde er diesen Hit zum ersten Mal spielen. Und tatsächlich gelang es ihm, das Riff zu neuem Leben zu erwecken.

Kurioserweise erkannten die Band und ihr Label erst spät das kommerzielle Potenzial von «Smoke on the Water». Vielleicht, weil das Stück zunächst nicht mehr war als ein Füllsel, um die Albumspielzeit auf die probaten vierzig Minuten zu bringen. Vielleicht auch, weil es ihnen so leicht von der Hand ging. «Smoke on the Water» wurde als vierte Single von «Machine Head» erst ein Jahr später ausgekoppelt. Zu diesem Zeitpunkt standen die harten Rocker längst auf den Tanzflächen der Rock-Discos und spielten dazu Luftgitarre.

Die Produktion von «Machine Head», die in «Smoke on the Water» beschrieben wird, gehört zum Sagenschatz der Rockmusik. Die Band ist unzufrieden mit dem leblosen Sound des Vorgängeralbums «Fireball». Um ihre Live-Qualitäten besser aufs Band zu bekommen, versuchen die britischen Musiker, eine Bühnensituation zu fingieren.

Sie buchen deshalb das Montreux-Kasino, das ihnen vom Auftritt im April 1971 noch in guter Erinnerung ist, und karren das mobile Studio der Rolling Stones heran. Am Vortag der geplanten Session treten hier noch Frank Zappa und seine Mothers of Invention auf – es handelt sich um die letzte Veranstaltung vor der Winterpause. Dabei fackelt ein verwirrter Fan mit einer Leuchtpistole das ganze Kasino ab. Und Deep Purple bemerken von ihrem Hotel aus eine riesige Rauchwolke, die über den Genfer See zieht. So ist der Titel geboren.

Der Text von «Smoke on the Water» nimmt sich aus wie ein Tagebucheintrag ohne grosse lyrische Ambitionen. Aber die Fakten stimmen. «We all came out to Montreux / On the Lake Geneva shoreline / To make records with a mobile / We didnʼt have much time / Frank Zappa and the Mothers / Were at the best place around / But some stupid with a flare gun / Burned the place to the ground.»

Deep Purple brauchten eine Ersatz-Location für die geplanten Aufnahmen. Sie wechselten in die Konzerthalle Le Pavillon. Aber wegen Lärmbelästigung setze sie die Polizei hier nach ein paar Tagen an die Luft. Die Band hatte Glück im Unglück. Das Grand-Hotel in Territet, etwas ausserhalb von Montreux, machte Winterpause. So mietete man kurzerhand das ganze Haus. Das Mischpult musste allerdings ausserhalb des Hotels platziert werden, wodurch bei den Aufnahmen gewisse Probleme bei der Kommunikation auftraten. Aber der Spiritus Loci stimmte. Die Band war froh, endlich einen Ort gefunden zu haben, wo sie in Ruhe arbeiten konnten.

deep purple: als in montreux das kasino brannte, inspirierte das die britische band zu ihrem grössten hit

Nach dem Brand am 4. Dezember 1971 war das Kasino von Montreux komplett zerstört. ; Arrigoni / Photopress / Keystone

Viel Zeit hatten sie zwar nicht. Immerhin hatten sich schon einige Song-Ideen angesammelt. So reichten zwei Wochen für die Aufnahmen. Tatsächlich bedingte es täglich 16- bis 18-stündige Sessions vom frühen Nachmittag bis zum nächsten Morgen, um «Machine Head» rechtzeitig aufs Band zu bekommen. Es wird zum Deep-Purple-Klassiker schlechthin, der mit «Highway Star», «Lazy», «Space Truckinʼ» und «Smoke on the Water» vier Hits zu bieten hat und überall auf der Welt die obersten Chart-Positionen belegen sollte. Mit 2,8 Millionen verkauften Exemplaren ist «Machine Head» bis heute das erfolgreichste Album von Deep Purple geblieben.

Ein überflüssiges Sakrileg

Nun ist mit zweijähriger Verspätung gerade die «Super Deluxe Edition» zum 50-Jahre-Jubiläum erschienen. Bei den Stereo- und Dolby-Atmos-Mixen von Dweezil Zappa (dem Sohn von Frank Zappa) handelt es sich eigentlich um ein Sakrileg: weil man sich sonst an Kunstwerken solcher Strahlkraft nicht vergreift. Er hat die klangliche Überarbeitung allerdings auf homöopathische, eigentlich überflüssige Eingriffe beschränkt.

Interessant sind die beigefügten Live-Aufnahmen aus Montreux. Zu hören ist hier eine obsessive Jam-Band, die noch nicht ihr Gleichgewicht gefunden hat zwischen Unterhaltung und selbstvergessener Egomanie. Allerdings liess sich bei diesen Bändern nichts mehr richten, die Aufnahmen haben Bootleg-Qualität.

Das Album hingegen erklingt in alter Frische. Lester Bangs, der legendäre Rock-Kritiker, hat es bei der Veröffentlichung mit einer Eloge im «Rolling Stone» gewürdigt. Beim furiosen Opener «Highway Star» staunte er über das «halsbrecherische» Tempo. Das letzte Stück «Space Truckinʼ» ist Bangs Favorit. Und zwischen «diesen beiden Klassikern findet man nichts als gute, hart zulangende Musik». Das sahen die Fans genauso.

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