Die EZB lässt die Leitzinsen unverändert und hält sich bedeckt im Hinblick auf mögliche Zinssenkungen nächsten Jahr

die ezb lässt die leitzinsen unverändert und hält sich bedeckt im hinblick auf mögliche zinssenkungen nächsten jahr

Frankfurter Hauptquartier der EZB bei Sonnenuntergang: Im Kampf gegen die hohe Inflation wollen die Zentralbanker die Zinsen vorerst nicht senken. Wolfgang Rattay / Reuters

Der Kampf gegen die hohe Inflation in der Euro-Zone zeigt Wirkung, denn die Zinserhöhungen um insgesamt 4,5 Prozentpunkte seit Juli 2022 haben die Teuerung stark gedrückt. Im November ist die Inflationsrate nach einer ersten Schätzung der Statistikbehörde Eurostat vor allem wegen eines unerwartet starken Rückgangs der Energiepreise von 2,9 auf 2,4 Prozent gesunken. Das ist der niedrigste Wert seit Juli 2021. Aufgrund dieser erfreulichen Entwicklung liess die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen am Donnerstag erwartungsgemäss unverändert.

Im neuen Jahr droht eine Gegenreaktion bei der Inflation

Damit ist die Bekämpfung der höchsten Teuerung in Europa seit Jahrzehnten aber noch längst nicht final geglückt. Zwar nähert sich die Gesamtinflation immer stärker dem Zielwert der EZB von mittelfristig 2 Prozent an, doch die Kerninflation ohne die volatilen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak notiert weiterhin bei hohen 3,6 Prozent. Viele Ökonomen gehen aufgrund historischer Erfahrungen davon aus, dass der letzte Meter bis zur Erreichung der Preisstabilität der schwierigste und zäheste im gesamten Prozess ist.

Bereits im Januar könnte sich eine gewisse Ernüchterung einstellen, wie Marktbeobachter befürchten. In Deutschland steigen dann mehrere administrierte Preise, beispielsweise kehrt die Mehrwertsteuer für die Gastronomie auf ihr altes Niveau zurück, und die Preise für CO2, Gas und Fernwärme gehen ebenfalls nach oben. Auch der EZB-Rat rechnet laut seiner Präsidentin Christine Lagarde damit, dass die Inflationsrate auf kurze Sicht vorübergehend wieder anziehen wird.

Für den weiteren Verlauf des Jahres 2024 erwartet die EZB dann eine allmählich zurückgehende Teuerungsrate. Die Experten der Notenbank rechnen laut den neusten Prognosen für das Jahr 2024 mit einer Gesamtinflation von 2,7 Prozent (nach 5,4 Prozent in diesem Jahr), für 2025 von 2,1 Prozent und für 2026 schliesslich von 1,9 Prozent. Die Kerninflation wird jedoch gemäss den Projektionen der EZB-Ökonomen in zwei bis drei Jahren noch über der Gesamtinflationsrate liegen.

Vor allem das hohe Lohnwachstum in der Euro-Zone dürfte dafür sorgen, dass die Kerninflation auf einem zu hohen Niveau verharrt. Im dritten Quartal betrug der Lohnanstieg 4,7 Prozent. Das klingt zwar üppig, doch unter dem Strich sind viele Arbeitnehmer in den vergangenen zwei Jahren ärmer geworden, da sie real, also unter Abzug der Teuerung, deutliche Lohneinbussen erlitten haben, womit auch ihre Kaufkraft abgenommen hat. Das dürfte sich auf die Konsumlust auswirken.

Dessen ungeachtet haben die Teilnehmer an den Finanzmärkten auf die deutlich sinkenden Inflationszahlen in den vergangenen zwei Monaten mit einem Kursfeuerwerk bei Aktien und Anleihen reagiert. Der DAX erreichte am Donnerstagmorgen einmal mehr ein Rekordhoch und kletterte erstmals in seiner Geschichte kurzzeitig über 17 000 Punkte.

Der deutsche Leitindex hat seit dem 30. Oktober damit um 16 Prozent zugelegt. Im Gegensatz zu vielen anderen Indizes werden beim DAX allerdings die Dividenden in die Performance eingerechnet, was ihn im direkten Vergleich mit anderen Börsenbarometern positiver erscheinen lässt. In den USA ist der Leitindex Dow Jones Industrial in der gleichen Zeit um 14 Prozent gestiegen und notiert auch auf einem Rekordhoch.

Die Marktteilnehmer spekulieren schon seit Wochen über den Zeitpunkt der ersten Zinssenkungen in den USA und in der Euro-Zone. Die amerikanische Notenbank (Federal Reserve) hatte am Mittwoch die Leitzinsen zum dritten Mal in Folge unverändert gelassen und erstmals Zinssenkungen für das Jahr 2024 angedeutet. Auch die Bank of England und die Schweizerische Nationalbank (SNB) haben die Leitzinsen bei ihrer Zinssitzung am Donnerstag unverändert gelassen.

Für den Euro-Raum rechnen Marktteilnehmer inzwischen im Durchschnitt mit einer ersten Zinssenkung im März sowie einer Zinsreduktion um 150 Basispunkte bis Ende des Jahres 2024. Präsidentin Lagarde liess sich bei der Pressekonferenz am Donnerstag nicht dazu verleiten, diese Erwartungen zu kommentieren. Stattdessen verwies die Französin darauf, dass zwischen Zinserhöhungen und Zinssenkungen ein Plateau liege und die Zentralbank ihre Geldpolitik weiterhin aufgrund der eintreffenden Wirtschaftsdaten austariere.

Enttäuschungspotenzial an den Finanzmärkten

An den Märkten hat sich somit möglicherweise Enttäuschungspotenzial aufgebaut. Der Druck auf Zinssenkungen würde sich für die EZB vor allem dann erhöhen, wenn die Euro-Zone in eine Rezession rutscht. Damit rechnet die EZB in ihrem Basisszenario aber nicht. Derzeit stagniert die Wirtschaft in Europa lediglich, und Bankökonomen rechnen, Stand heute, schlimmstenfalls mit einer sehr milden Rezession. Zudem zeigt sich der Arbeitsmarkt weiterhin robust. Die Arbeitslosenquote im Euro-Raum notiert in der Nähe des Rekordtiefs.

Auch mittelfristig ist die EZB ist im Hinblick auf die konjunkturelle Entwicklung weiterhin zuversichtlich. Die hauseigenen Ökonomen erwarten für 2024 ein Wachstum von 0,8 Prozent. In den beiden darauffolgenden Jahren soll das Bruttoinlandprodukt (BIP) dann jeweils um 1,5 Prozent zulegen. Bis dahin kann aber noch viel passieren. Derart langfristige Prognosen unterliegen naturgemäss grosser Unsicherheit.

Überraschenderweise kündigte die Währungsbehörde ferner an, die Reinvestitionen von fällig werdenden Geldern aus dem Pandemie-Wertpapierkaufprogramm (PEPP) ab der zweiten Jahreshälfte 2024 um monatlich 7,5 Milliarden Euro zu reduzieren und die Reinvestitionen dann wie geplant Ende Jahr vollständig einzustellen. Die meisten Beobachter hatten mit einer solchen Entscheidung bestenfalls für das erste Quartal des kommenden Jahres gerechnet.

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