Ein Spürhund der belgischen Zollbehörde sucht nach Drogen. Antwerpen gilt inzwischen als wichtigster Umschlagplatz in Europa, vor allem für Kokain.
Noch nie gab es in Europa so viel Kokain wie heute. Der Stoff, der aus Südamerika kommt, bringt Gewalt und Korruption mit sich. Nun verspricht die EU: Wir tun etwas dagegen.
Ein Kontinent auf Koks
Der Hafen von Antwerpen ist ein ebenso beeindruckender wie furchterregender Ort. Aus der Ferne betrachtet liegt er wie ein Moloch im Dunst der Raffinerien. Die kreiselnden Windräder wirken wie Symbole eines Geschäfts, das niemals zum Stillstand kommt. Laut offizieller Bilanz sorgt er jedes Jahr für 20 Milliarden Euro Umsatz und sichert direkt und indirekt 150 000 Arbeitsplätze. Nicht mitgerechnet sind die Droge
nmilliarden und die Drogenjobs.
Es gibt keinen besseren Anlaufpunkt für das Kokaingeschäft als diesen belgischen Hafen. Vom Frachtaufkommen her ist er der zweitgrößte in Europa nach jenem in Rotterdam, flächenmäßig mit 115 Quadratkilometern der größte. Und er ist nach allen Seiten offen und deshalb schwer zu kontrollieren von Zoll und Polizei, dazu bestens angebunden ans europäische Autobahnnetz.
Seit vielen Jahrzehnten ist Antwerpen das Ziel von Containerschiffen aus Südamerika. Und in diesen Containern, vorwiegend aus Ecuador und Kolumbien, lagert neben dem Obst versteckt immer häufiger das Kokain. “Narcobananas” lautet im Fachjargon der Begriff für diese Fracht.
116 Tonnen Kokain wurden 2023 in Antwerpen sichergestellt – ein neuer Rekord
Es war ein Wendepunkt im internationalen Drogenhandel, als 2022 in Antwerpen erstmals mehr Kokain sichergestellt wurde als in Rotterdam. 110 Tonnen, Europarekord. Nun liegen die Zahlen für 2023 vor: 116 Tonnen, ein weiterer Rekord. Weitere fünf Tonnen fand der belgische Zoll im 100 Kilometer entfernten Hafen von Seebrügge. Zum Vergleich: In den Niederlanden, der zweitwichtigsten Anlaufstelle in Europa, wurden vergangenes Jahr 60 Tonnen sichergestellt, in Deutschland 35 Tonnen – auch das ein Rekord nach 20 Tonnen im Jahr zuvor. Als Faustregel gilt: Trotz intensiverer Fahndung werden nach wie vor maximal zehn Prozent des Kokains entdeckt, das in Südamerika nach Europa verschifft wird.
Wer die Kokainschwemme in Europa eindämmen will, muss in Antwerpen beginnen. Deshalb hatte es seine Richtigkeit, dass die für die Bekämpfung von Organisierter Kriminalität zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson diese Woche dort auftrat. Im Alten Hafenhaus stellte die Schwedin die neue europäische Hafenallianz vor. Es ist ein Versuch, die europäischen Kräfte im Kampf gegen den Kokainhandel zu bündeln.
Neben staatlichen Sicherheitsbehörden gehören der Allianz auch Hafenbehörden und Logistikunternehmer an. Sie sollen gemeinsame Standards dafür entwickeln, welche Container vorrangig auf Drogen zu untersuchen sind. Gemeinsam will man auch mobile Scanner anschaffen, die, auf Lkws montiert, als schärfste Waffe im Kampf gegen den Drogenschmuggel gelten. Mit ihnen lassen sich pro Tag sehr viel mehr Container überprüfen als mit den fest installierten Anlagen.
Die belgischen Sicherheitsbehörden sind überfordert und froh über Unterstützung
Europaweite Standards soll es auch für die Überwachung der Hafenanlagen und der Hafenmitarbeiter geben. Denn um die Drogen aus den Containern zu holen, sichern sich die Drogenbanden interne Hilfe. Sie zahlen dafür fünfstellige, manchmal sechsstellige Euro-Summen. In Antwerpen sind bereits Dutzende Hafenarbeiter aufgeflogen. Manche suchten das schnelle Geld, andere wurden erpresst. Auch eine Handvoll Zollmitarbeiter landete im Gefängnis.
Wer die Kokainschwemme in Europa eindämmen will, muss in Antwerpen beginnen.
Die belgische Regierung, die derzeit in der EU die Ratspräsidentschaft innehat, setzt das Thema ganz oben auf die europäische Agenda, durchaus aus Eigennutz. Denn Gewalt und Korruption, die das Drogengeschäft mit sich bringt, überfordern die belgischen Sicherheitsbehörden. Der Krieg der albanischen und marokkanischen Clans findet häufig auf offener Straße statt, es gab sogar den Versuch, den Justizminister zu entführen. Diese Woche wurde bekannt, dass in den Amtsräumen der Bildungsministerin Caroline Désir 50 Pakete mit Kokain gefunden wurden. Ein Mitarbeiter hatte sie dort gelagert.
Andererseits haben auch die anderen EU-Staaten ein Interesse daran, sich gegen die Fracht aus Südamerika zu wappnen. Denn wenn die Drogenclans irgendwo Widerstand spüren, weichen sie aus. Weil der belgische Staat in Antwerpen genauer hinsieht, gibt es Anzeichen dafür, dass mehr Kokain im schwedischen Helsingborg, im portugiesischen Sines, im spanischen Algeciras landet. Auch Deutschland, vor allem der Hamburger Hafen, werde von den Drogenlieferanten immer stärker ins Visier genommen, sagt Innenministerin Nancy Faeser (SPD), eine Unterstützerin der Hafenallianz. Man brauche jetzt “maximalen Ermittlungsdruck”, sagt sie.
Das Kokaingeschäft in Europa hat sich in zehn Jahren vervierfacht
Ministerin Faeser diskutierte am Donnerstag beim Treffen mit ihren Kolleginnen und Kollegen in Brüssel weitere Schritte im Kampf gegen die Kokainflut. Polizei, Justiz und Zoll sollen auf allen Ebenen zusammenarbeiten. Das Ausmaß des Problems machte Kommissarin Johansson mit einigen Zahlen deutlich: 40 Prozent aller kriminellen Vereinigungen in Europa sind im Drogengeschäft, die Hälfte aller Morde in Europa stehen im Zusammenhang mit Drogen. Das Kokaingeschäft in Europa hat sich binnen zehn Jahren vervierfacht.
Europa hat die USA als wichtigsten Kokainmarkt für die südamerikanischen Kartelle abgelöst. Und die europäischen Staaten werden einen langen Atem brauchen im Kampf gegen das Kokain, denn von allein wird die Flut so schnell nicht verebben. Es gibt laut Europol eine massive Überproduktion an Kokain. Der belgische Zoll hat herausgefunden, dass die Mehrzahl der Lieferungen, die in Antwerpen ankommt, nicht mehr aus Kolumbien, sondern aus Ecuador kommt – einem Land, das sich wegen des Kriegs der Drogenkartelle gerade am Rande eines Bürgerkriegs befindet.
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