Zähes Ringen um Asyl-Unterkünfte: Auch Dietramszell zieht wegen Zwangszuweisungen vor Gericht

Landratsämter durch Eilbeschluss unter Druck

Zähes Ringen um Asyl-Unterkünfte: Auch Dietramszell zieht wegen Zwangszuweisungen vor Gericht

zähes ringen um asyl-unterkünfte: auch dietramszell zieht wegen zwangszuweisungen vor gericht

Rund 50 Geflüchtete kommen pro Monat in jedem Landkreis an. Bald werden die Zahlen wohl steigen. F.: Picture Alliance

Greiling hat gegen die Zwangszuweisungen von Asylbewerbern geklagt und im Eilverfahren Recht bekommen. Das wird wohl kein Einzelfall bleiben, auch Dietramszell geht nun diesen Weg. Die Landratsämter hoffen weiterhin auf Solidarität.

Helmut Hartl hat keinen leichten Job. Er muss dahin, wo es weh tut, sagt er. In Gemeinderatssitzungen, in denen hitzig über die Unterbringung von Flüchtlingen diskutiert wird zum Beispiel. Gelegentlich werde er dort sehr angefeindet, berichtet er. Die Kritik hört er sich mit großer Ruhe an, erklärt viel, will Transparenz schaffen – und für ein gutes Miteinander werben. Hartl ist im Landratsamt Weilheim-Schongau für die Flüchtlingsunterbringung zuständig. Das war er schon 2015, als erstmals so viele Asylbewerber kamen. „Heute haben wir mehr Erfahrung, sind professioneller“, sagt er. Gleichzeitig hat in vielen Gemeinden aber die Hilfsbereitschaft abgenommen. Und auf die sind die Landratsämter nach wie vor angewiesen.

Der Landkreis Weilheim-Schongau bekommt aktuell 50 Geflüchtete pro Monat von der Regierung von Oberbayern zugewiesen – die Zahlen sind in allen Regionen ähnlich. Die Menschen müssen auf die Gemeinden verteilt werden. Momentan ist die Situation vergleichsweise entspannt, berichtet Hartl. Weil es inzwischen sechs große Thermohallen gibt, dort sind noch 400 Plätze frei. Aber die Zahlen werden in ein bis zwei Monaten wieder steigen, davon gehen alle aus. Die Landratsämter sind weiterhin darauf angewiesen, dass ihnen die Gemeinden helfen, für alle Flüchtlinge Unterkünfte zu finden. Das klappt oft gut, sagt Hartl. Manchmal aber nicht ohne Druck.

Wir klagen auf Einhaltung bestehenden Rechts.

Josef Hauser, Bürgermeister von Dietramszell

Im Kreis Weilheim-Schongau hat das Landratsamt in den vergangenen Monaten einigen Gemeinden angedroht, ihnen Flüchtlinge vors Rathaus zu stellen, wenn sie keine Unterkünfte schaffen. Im Nachbar-Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen war es ähnlich. Dort war die Gemeinde Greiling deswegen vor das Münchner Verwaltungsgericht gezogen – und hatte im Eilverfahren Recht bekommen (wir berichteten). Das Urteil im Hauptverfahren steht noch aus. Doch das Gericht argumentierte bereits, die Zuweisungen seien ein Eingriff ins Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden. Nachdem das vor einer Woche bekannt wurde, hat nun auch Dietramszell, ebenfalls im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen, einen Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt. Die Klage läuft bereits länger, nun will die Gemeinde erreichen, dass es bis zum Urteil keine Zuweisungen mehr gibt – so wie in Greiling. „Wir erfüllen unsere Mitwirkungspflicht“, betont Bürgermeister Josef Hauser (FWG). 20 Flüchtlinge sind in Dietramszell bereits untergekommen. Die Gemeinde hat außerdem einer Nutzungsänderung für ein ehemaliges Schullandheim zugestimmt. Dort will das Landratsamt bis zu 100 weitere Menschen unterbringen. „Wir sind bereit Menschen aufzunehmen“, betont Hauser. Aber er lasse sie sich nicht einfach vors Rathaus stellen. „Wir klagen auf Einhaltung bestehenden Rechts“, betont er.

Die Solidarität wird bleiben – auch nach dem Eilbeschluss.

Helmut Hartl, Mitarbeiter im Landratsamt Weilheim-Schongau

In Hohenfurch im Kreis Weilheim-Schongau hat der Eilbeschluss für eine hitzige Debatte im Gemeinderat gesorgt. Auch dort stand im Herbst eine Zwangszuweisung im Raum. Einige Kommunalpolitiker stellten die geplante Asyl-Unterkunft nun wieder infrage, man hätte nur wegen der drohenden Zwangszuweisung zugestimmt, argumentierten sie. Bürgermeister Guntram Vogelsgesang (CSU) versucht für Solidarität den anderen Gemeinden gegenüber zu werben, die schon deutlich mehr Asylbewerber aufgenommen haben. Eine Klage plane Hohenfurch nicht, sagt er. Denn dann würde das Landratsamt wohl Grundstücke von Privateigentümern anmieten. Er möchte in die Pläne lieber involviert sein. Aktuell sei eine Zwangszuweisung auch kein Thema mehr, berichtet er.

Das ist in allen 34 Gemeinden im Landkreis so, sagt Helmut Hartl. Er ist mit allen Bürgermeisten in Verbindung. „Ich bin stolz, dass wir an einem Strang ziehen“, sagt er. Und er ist froh, dass es nie zu einer angedrohten Zwangszuweisung gekommen ist. „Die Solidarität wird bleiben – auch nach dem Eilbeschluss“, da ist er sicher. Dafür geht er weiterhin in Sitzungen – egal, wie eisig dort der Gegenwind bläst.

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