Propalästinensische Proteste an Berliner Unis: Die beängstigende Dämonisierung von Israel
Eine Blockade von Palästina-Aktivisten an der FU Berlin wird von Polizisten aufgelöst.
Universitäten sind vieles, aber sie sind auch Orte, an denen man lernt, sich politisch auseinanderzusetzen. An denen man sich den Kopf heißredet, andere auch mal anbrüllt, an denen man lernt, seine Argumente zu schärfen und letztlich in Ruhe vorzutragen. An Universitäten sollte man über alles diskutieren können – und auch für eine Sache protestieren.
Ich habe in meinem eigenen Studium viel protestiert, auch gestreikt. Gegen die Sparpolitik des Berliner Senats beispielsweise. Ist lange her. Aber die Erinnerung daran ist so prägend, dass es mich schmerzt, wenn Proteste an Universitäten aufgelöst werden müssen. Aber das müssen sie leider gerade in Berlin: Das Vorgehen der Uni-Leitungen und der Polizei an der Humboldt-Universität und der Freien Universität gegen sogenannte propalästinensische Aktivisten in den vergangenen Tagen war notwendig und richtig.
Typisch Deutschland, werden viele jetzt einwenden und sich empören: Ist es nicht legitim, gegen die israelische Regierung zu protestieren? Angesichts des tausendfachen Sterbens in Gaza, der hungernden Kinder? Darf man alles in Deutschland kritisieren – bloß Israel nicht?
Klar darf man das. Kritik an der israelischen Regierung, die in Teilen rechtsextrem ist, und ihrer Kriegsführung in Gaza muss überall geäußert werden dürfen. Auch an Unis. Es gibt diese Kritik ja vor allem in Israel selbst. In Tel Aviv gehen Tausende auf die Straße – gegen Ministerpräsident Netanjahu, für einen Waffenstillstand und für die Freilassung der Geiseln der Hamas.
Aber an den Berliner Unis wurden nicht nur die Geiseln der Hamas ignoriert, es wurde auch nicht gegen die israelische Regierung protestiert, es gab keine Sprechchöre gegen Netanjahu, der entschlossen scheint, immer weiter Krieg zu führen, und sich über humanitäre Bedenken hinwegsetzt. Auch um Solidarität mit den Menschen in Gaza geht es nur am Rande. So ist es auch an den Unis in den USA, die Protestcamps und Besetzungen von Studenten dort sind die Vorlage für Protestaktionen in Europa. Gibt es dort die Hauptforderung nach einem Waffenstillstand in Gaza? Als ob!
Diese Proteste sind nicht in erster Linie Anti-Kriegs-Proteste. Es sind zu großen Teilen Anti-Israel-Proteste. Und deshalb nicht hinnehmbar.
Sie richten sich grundsätzlich gegen den einzigen jüdischen Staat auf der Welt. Israel wird als vermeintliche Kolonialmacht dämonisiert, als „rassistischer Staat“. Oft wird passend dazu behauptet, dass Israel „weiß“ sei. Juden, die aus der arabischen Welt oder Nordafrika nach Israel fliehen mussten, und deren Nachfahren, die heute fast die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, und die israelischen Juden mit äthiopischen Wurzeln existieren für die Antirassisten an den Unis offenbar nicht.
Eine Frau hält während einer propalästinensischen Demonstration auf dem Theaterhof der Freien Universität Berlin vor Unterstützern außerhalb des Camps eine Israelflagge aus einem Fenster.
1991 habe ich selbst bei großen Anti-Kriegs-Protesten mitgemacht. Es ging auch um den Nahen Osten. Um die Operation Desert Storm, einen von den Amerikanern angeführten Krieg gegen die irakische Invasion in Kuwait. Auch dieser Krieg war mit großem Leid für die Zivilbevölkerung im Irak verbunden. Das hat uns Schüler massenhaft auf die Straßen getrieben. Natürlich zu Unterrichtszeiten.
Wir haben damals gegen das Vorgehen der USA demonstriert, gegen den Präsidenten George Bush – aber nicht gegen die Existenz der USA. Ich erinnere mich nicht daran, dass irgendjemand einen kulturellen Boykott Amerikas gefordert hat. Wir hatten keinen Hass auf ein ganzes Land.
Jetzt klingt das leider oft anders. Eine Hauptforderung der Aktivisten an den Unis weltweit ist, sämtliche Kooperationen von Hochschulen mit Israel einzustellen. An der FU hieß es, Israel solle „akademisch und kulturell boykottiert“ werden. Ein ganzes Land soll vom Rest der Welt abgeschnitten werden.
Gab es diese Forderung schon mal von Studenten? Fordern sie den kulturellen Boykott des Iran, von Venezuela? Ich nahm bisher an, dass sich gerade Universitäten dafür einsetzen, selbst zu Akademikern in den schlimmsten Diktaturen Verbindungen aufrechtzuerhalten, dass ihnen der Austausch mit Kollegen in aller Welt am Herzen liegt.
Aber Israel ist offenbar schlimmer als die schlimmste Diktatur. Das Land gilt in linken Kreisen – die eher akademisch sind oder zur Kunstszene gehören – inzwischen als das Böse schlechthin. Ein Staat, in dem Regierungswechsel nichts bewirken könnten. Ein Staat, der verschwinden muss, weshalb der Schlachtruf der Aktivisten oft „From the river to the sea“ ist, vom Jordan bis zum Mittelmeer. Auf einem Plakat an der FU hieß es: „Dekolonialisierung ist keine Metapher“. Was heißt das in der Logik von Leuten, die Israel einen Kolonialstaat nennen? Und an der Humboldt-Uni wurde die Präsidentin Julia von Blumenthal von Aktivisten als „Zionistin“ beschimpft.
Der Zionismus ist eine Bewegung, die sich für einen unabhängigen jüdischen Staat einsetzt. Ich gehe davon aus, dass die Aktivisten das ganz genau wissen.