Die Handballerinnen, Xaver Schlager und "Mehlspeisen-Mentalität"

ABD0153_20231015 – SCHWECHAT – ÖSTERREICH: vl.: Die Österreicherinnen jubeln am Sonntag, 15. Oktober 2023, während der 2. Runde der EHF EURO Cup Begegnung Österreich gegen Ungarn in Schwechat. – FOTO: APA/EVA MANHART

Wieso sollte sich ein Frauenhandballcoach nicht gerne Fußballspiele von Männern ansehen? Und warum sollte ein Deutscher nicht goutieren, wie Österreich derzeit Fußball spielt? Herbert Müller, so heißt der deutsche Handballcoach, sagt: “Ich sehe gern den Arbeitern im österreichischen Mittelfeld zu, dem Xaver Schlager, dem Konrad Laimer.” Deutschland? “Hat seine Tugenden verloren. Die größte Tugend war der Wille, ganz hart zu arbeiten. Ohne diesen Willen verlierst du gegen die Türkei, ohne diesen Willen verlierst du auch gegen Österreich. Und da gibt es dann auch eine Leichtathletik-WM ohne deutsche Medaille.”

Aber Herr Müller, Deutschland ist doch Basketball-Welt- und Eishockey-Vizeweltmeister! “Ja, aber wo spielen denn die Stützen dieser Teams? In Nordamerika – und da geht es ganz anders zur Sache.” Conclusio daraus? “Wer im Sport etwas werden will, muss raus, raus, raus, muss unbedingt ins Ausland.” Siehe Österreichs Fußballer, siehe Österreichs Handballerinnen. Vielleicht unterstreichen auch die deutschen Fußballer die These, schließlich finden sich im aktuellen DFB-Kader kaum Legionäre.

Müller (61) ist ein Sportverrückter, ein Handball-Getriebener. Er wuchs in Rumänien auf, wanderte mit 18 nach Deutschland aus, spielte kurz selbst für Augsburg, wo er mit 26 schon Trainer des Frauenteams wurde. Er steht für Kontinuität, von 1999 bis 2008 saß er in Nürnberg auf der Trainerbank, seit 2010 coacht er den Thüringer HC. Zehn Meistertitel und fünf Pokalsiege schmücken seine Vita.

Österreich konnte sich glücklich schätzen, Müller 2004 als Teamchef zu verpflichten, er ist seit 19 Jahren im Amt. Am Mittwoch führt er die Frauen in Stavanger in die WM, die Norwegen mit Dänemark und Schweden ausrichtet. Österreich spielt der Reihe nach gegen Südkorea (Mittwoch, 18 Uhr, ORF 1), Gastgeber und Titelverteidiger Norwegen (Freitag, 20.30) und Außenseiter Grönland (Sonntag, 18, jeweils ORF Sport +). Drei der vier Teams erreichen die Hauptrunde.

Früher war es “diktatorischer”

Kontinuität ohne Weiterentwicklung hat keinen Wert. Die Trainingslehre, sagt Müller, habe sich stark verändert. Früher sei es, “drastisch formuliert, diktatorischer, undemokratischer, unmissverständlicher” zugegangen. “Eine Einheit, die zweieinhalb Stunden gedauert hat, dauert jetzt nur noch eineinhalb Stunden. Ich habe ein Buch mit dem Titel 666 Handballübungen, davon kriege ich jetzt pro Saison nur halb so viele durch wie vor zehn Jahren.” Also war früher alles besser? Nein, sagt Müller, so ist es nicht. “In den Bereichen Krafttraining, Ernährung, Regeneration hat sich enorm viel getan. Das spart Zeit.”

Manchmal erinnert sich Müller aber doch an seinen Vater, der oft betonte, er würde aus der “neuen Generation” nicht schlau werden. “Ich habe mir gedacht, ich werde nie so denken. Jetzt stelle ich fest, es passiert mir auch ab und zu.” Die neue Generation, um beim väterlichen Wording zu bleiben, würde Leistung und Einsatz “anders definieren”. Wenn er sich mit Führungskräften aus ganz anderen, nicht sportlichen Betrieben unterhält, stellt Müller Überschneidungen fest. “Das ist in vielen Branchen so”, mit diktatorischer Führung hüpfe man nicht wirklich weit. Und es sei ja “auch okay, dass Jüngere auf ihr Mitspracherecht pochen”.

Andere Länder, andere Basis

Im Handball, jedenfalls im österreichischen, komme dazu, dass er kaum eine finanzielle Basis biete. So muss Müller etwa damit leben, dass Nina Neidhart, dreimalige Handballerin des Jahres, wegen universitärer Verpflichtungen im Zuge ihres Studiums ihre WM-Teilnahme absagen musste. Er hat “vollstes Verständnis” und kann nur neidisch auf Handballländer wie Norwegen blicken, wo den Spielerinnen so viel geboten wird, dass sie alles andere dem Sport unterordnen.

Bei der WM 2021 in Spanien landete Österreich auf dem 16. Rang. Dabei wäre ein einstelliger Platz keine völlige Utopie gewesen. Doch so bilanziert Österreich halt oft, nicht selten heißt es, es habe nicht viel gefehlt. Teamchef Müller nennt es “die österreichische Mehlspeisenmentalität” oder auch “die Comfort-Zone, aus der man schwer hinauskommt”. Österreich, das Land der Torten und Kuchen. Wie gesagt, da hilft nur eines: raus, raus, raus. (Fritz Neumann, 29.11.2023)

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