Ein letzter Warnschuss für die Ampel

Die Wiederholungswahl der Hauptstadt mag kaum Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundestags haben. Für die Bundesregierung aber dürfte sie der finale Fingerzeig vor den vier großen Wahlen 2024 sein. Komplizierter ist der Blick auf die AfD.

ein letzter warnschuss für die ampel

Die Wiederholungswahl als Generalprobe für 2024? Für die Ampel ist sie ins Wasser gefallen Getty Images/Ingo Jezierski

Die Zahlen klingen auf den ersten Blick unspektakulär. Plus 1,3 Prozent für die CDU, minus 1,2 Prozent für die SPD, bei den anderen Parteien fallen die Veränderungen durch die Wiederholungswahl noch kleiner aus. Wenn man aber bedenkt, dass nur ein kleiner Teil der Berliner überhaupt abstimmen durfte und sich so das Gesamtergebnis schon rein rechnerisch nicht so groß ändern konnte, lässt sich konstatieren: Die Wiederholungswahl war die interessanteste Sonntagsfrage des Jahres. Immerhin 550.000 Menschen durften ihre Stimme abgeben.

Natürlich gibt es ein einige Variablen, die zur Verzerrung der Aussagekraft des Ergebnisses beitragen: Es haben ausschließlich Großstädter abgestimmt, die Wahlbeteiligung war deutlich niedriger als sonst, und selbst innerhalb von Berlin sind die 455 Wiederholungswahlbezirke (von 2256 insgesamt) nicht repräsentativ.

SPD und FDP müssen die kommenden Wahlen fürchten

Trotzdem lassen sich mehrere Signale für die vier großen Wahlen in diesem Jahr ableiten, allen voran für die Bundesregierung. Wenn die Wiederholungswahl die Generalprobe für die Europawahl sowie die Landtagswahlen Sachsen, Thüringen und Brandenburg war, dann ist sie für die Ampel ins Wasser gefallen.

SPD und vor allem FDP müssen die kommenden Wahlen fürchten. Beide Parteien gehören in den bundesweiten Umfragen zu den großen Verlieren im Vergleich zur Bundestagswahl. Die SPD von Kanzler Olaf Scholz ist zurück im grauen Mittelfeld. Noch drastischer sieht es für die FDP aus: Auf die 455 Wahlbezirke heruntergerechnet würden die Liberalen deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Das kennen sie von vielen zurückliegenden Wahlen, knallgelbe Aussichten für die traditionell im Osten schwächeren Liberalen sind es nicht.

Am besten in der Ampel sieht es noch für die Grünen aus. Auch wenn sie einen kleinen Verlust verbuchen, stabilisieren sie sich ungefähr auf dem Niveau der Wahl von 2021. Die Ambitionen auf das Kanzleramt liegen wieder weit weg, doch die Grünen können sich immerhin auf ihr Kernklientel – die urbanen Eliten – verlassen.

Eine Randnotiz des Wahlabends: Legt man die (fehlerbehafteten) Wahlergebnisse von 2021 neben die von 2024 kommen die Grünen in den 455 Wahlbezirken sogar auf ein kleines Plus. Nur wegen der bedeutend kleineren Wahlbeteiligung verlieren die Grünen insgesamt dann doch an Stimmen.

CDU ist einer der Gewinner der Wiederholungswahl

Einer der Gewinner der Wiederholungswahl ist die CDU. Ob das wirklich, wie Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner behauptet, auf dessen „gute Regierungsarbeit“ zurückzuführen ist, darf allerdings bezweifelt werden. Einerseits sind die Abstrahlungseffekte von Landeschefs auf Bundestagswahlen oft nicht so groß, anderseits steht die Union auch in den bundesweiten Umfragen deutlich besser als bei der Wahl 2021 dar.

Auch die AfD kann sich über ein klar besseres Ergebnis freuen. Der Blick auf sie hingegen ist komplizierter. Ihre Anhängerschaft jubelt und sieht den Beweis, dass die zuletzt in Umfragen bescheinigten Rückschläge nach bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus sich nicht in Wahlergebnissen widerspiegeln. Nur: So einfach ist es nicht. Bei der Bundestagswahl kam die AfD auf gut zehn Prozent, in Umfragen erreicht sie aktuell um die 18 Prozent – trotz klaren Verlusten zuletzt. Alles andere als ein verbessertes Ergebnis im Vergleich zu 2021 wäre also eine Überraschung gewesen.

Dennoch gilt: Politische Stimmen, die nahelegten, dass die Partei durch das gesellschaftliche Aufbäumen quasi von selbst verschwindet, wurden eines Besseren belehrt. Selbst in den Großstädten, wo die AfD traditionell schwächer ist und die auch das Herz der Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und die AfD bildeten, kann die Partei punkten. Auch das sollte eine Warnung an die Mitte sein.

Gute Nachrichten gab es auch für die Partei am anderen Ende des politischen Spektrums: Die LINKE blieb im Vergleich zu 2021 quasi unverändert. In Berlin war die Linkspartei zwar traditionell immer stärker als bundesweit, aber offenbar schafft sie es auch nach der Neugründung der Wagenknecht-Partei BSW die Stammwählerschaft in ihren Hochburgen zu mobilisieren. Nach dem Absturz unter die Fünf-Prozent-Hürde in so gut wie allen Umfragen zuletzt ist das keine Selbstverständlichkeit.

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