Warnung vor dem ersten Billionär: Oxfam teilt vor dem WEF gegen Reiche und «Multis» aus. Was ist von den Vorwürfen zu halten?

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Reizfigur Amazon-Gründer Jeff Bezos: Er hat mit seinem Bruder Mark 2021 einen Ausflug ins Weltall unternommen. Thom Baur / Reuters

Nutzniesser des World Economic Forum sind nicht nur die vielen Firmenchefs, die jedes Jahr nach Davos reisen. Vielmehr bietet es auch seinen grössten Kritikern eine perfekte Bühne, um sich Gehör zu verschaffen. Die Entwicklungsorganisation Oxfam geisselt denn auch kurz vor dem Start des WEF die multinationalen Firmen, die sie als «Ungleichheitsmaschinen» bezeichnet. Doch was ist dran an den zentralen Aussagen aus dem Bericht?

Die fünf reichsten Männer haben ihr Vermögen laut Oxfam seit 2020 auf 869 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Unter ihnen sind Bernard Arnault (LVMH), Jeff Bezos (Amazon) oder Elon Musk (Tesla, X, SpaceX). Folgt man Oxfam, dürfte es gar keine Milliardäre geben. Macht man dieses Gedankenspiel mit und nimmt an, man würde ihr Vermögen konfiszieren und gleichmässig auf die 700 Millionen Menschen verteilen, die weltweit in extremer Armut leben, wären dies einmalig 1200 Dollar pro Person.

Dieser Betrag ist zwar für diese Menschen nicht nichts. Aber nachhaltig aus der Armut befreit man sie auch mit dieser extremen Umverteilung nicht. Entscheidend ist deshalb, den Kuchen fortwährend zu vergrössern, wie das den Industrieländern dank Marktwirtschaft und Kapitalismus gelungen ist. So ist in der Schweiz das Kuchenstück für den Durchschnittsbürger heute 25 Mal so gross wie 1850.

«Oxfam leistet hervorragende Arbeit, indem es die rasante Entwicklung hin zur globalen Oligarchie aufzeigt. Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit gab es eine solche Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen.» Bernie Sanders, US-Senator und Ex-Kandidat bei den Vorwahlen der Demokraten für die US-Präsidentschaft

Bernie Sanders’ Behauptung der rekordhohen Ungleichheit im Vorwort des Oxfam-Berichts passt zumindest bei den Einkommen nicht zu den Daten. Laut dem Ökonomen Branko Milanovic ist die weltweite Ungleichheit von 2000 bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie stark zurückgegangen, von 70 Gini- auf 60 Gini-Punkte (der Gini-Koeffizient reicht von 1 bis 100, wobei 100 bedeutet, dass eine Person alles Einkommen bezieht). Damit wurde innert zweier Jahrzehnte rückgängig gemacht, was sich zuvor über ein Jahrhundert aufgebaut hatte.

«Die Welt wird innerhalb eines Jahrzehnts ihren ersten Billionär haben, aber die Armut wird erst in 229 Jahren ausgerottet sein.»

Oxfam schreibt hier die Entwicklung der letzten paar Jahre fort. Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaftsleistung in vielen Ländern geschmälert. Die extreme Armut hat deshalb vorübergehend wieder zugenommen. Die Pandemie illustriert damit, was passiert, wenn der Welthandel zum Erliegen kommt und Lieferketten gestört sind. Autarkie schadet gerade auch den Armen.

Die Entwicklung bis zur Corona-Pandemie war dagegen eine ganz andere, die im Bericht keine Erwähnung findet. Im Jahr 1990 gab es auf der Welt 2 Milliarden Menschen, die in extremer Armut lebten, was die Weltbank gleichsetzt mit weniger als 2.15 Dollar pro Tag. Bis 2019 nahm diese Zahl auf 700 Millionen ab – bei gleichzeitig stark wachsender Weltbevölkerung.

Man kann deshalb auch eine andere, hoffnungsvollere Rechnung machen: Setzte wieder die Entwicklung ein, wie sie die zehn Jahre vor der Pandemie zu beobachten war, wäre die extreme Armut 2035 praktisch verschwunden – und also keineswegs erst in 229 Jahren, wie Oxfam voraussagt.

Der beeindruckende Rückgang der globalen Armut ging bis 2019 übrigens einher mit steigendem Reichtum für Unternehmer wie Bezos, Gates und andere. Den Armen geht es nicht besser, wenn es keine «superreichen» Unternehmer gibt. Laut Weltbank sind es fragile, von Konflikten und Gewalt betroffene Länder, die nicht besser dastehen als 2019. In Staaten mit stabilen Institutionen, die sich dem Weltmarkt öffnen, haben die Bürger dagegen beste Chancen, der Armut zu entfliehen.

«Die Periode durchsetzungsfähiger öffentlicher Politik endete in den späten 1970er Jahren, als die neoliberale Wirtschaftspolitik die staatliche Regulierung zugunsten des ungehinderten Marktes ablöste», schreibt Oxfam. Es ist ironisch, dass ausgerechnet ab 1980, als im Urteil der Entwicklungsorganisation ein neoliberales Zeitalter einsetzte, die globale Armut laut Weltbank deutlich zu sinken begann.

«Wir sind Zeugen des Beginns eines Jahrzehnts der Spaltung. Die Klasse der Milliardäre sorgt dafür, dass die Unternehmen ihnen auf Kosten aller anderen mehr Wohlstand verschaffen.»

Die Milliardäre nähmen also allen anderen etwas weg, lautet der Vorwurf. Das tönt nach einem Nullsummenspiel. In einer Marktwirtschaft kann eine Firma jedoch nur bestehen, wenn sie etwas bietet, was die Konsumenten wollen, und diese deshalb bereit sind, Geld dafür herzugeben. Konsumenten und Konsumentinnen spielen bei Oxfam jedoch keine Rolle, sondern es geht immer um (angeblich) ausgebeutete Mitarbeitende, unterdrückte Minoritäten oder den neokolonialen Raubbau an den Ressourcen des «globalen Südens», für den die «Multis» verantwortlich sein sollen.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger William Nordhaus hat vor einigen Jahren geschätzt, wie viel Wert Firmen mit neuen Produkten und Technologien schaffen – und wie viel sie davon für sich vereinnahmen. Nordhaus kam zu dem Schluss, «dass nur ein winziger Bruchteil der sozialen Erträge aus dem technologischen Fortschritt von 1948 bis 2001 von den Produzenten vereinnahmt wurde». Konkret: 98 Prozent der Vorteile des technologischen Wandels gingen an die Konsumenten, nur 2 Prozent an die Produzenten.

«Monopole schaden der Innovation und quetschen Arbeitnehmer und kleinere Unternehmen aus. Die Welt hat nicht vergessen, wie die Pharma-Monopole Millionen von Menschen die Covid-19-Impfstoffe vorenthalten und eine rassistische Impfstoff-Apartheid geschaffen haben.»

Man kann sich die Welt ohne die hochprofitablen Firmen Google, Apple, Amazon, Facebook oder Microsoft kaum noch vorstellen. Aber es ist noch nicht lange her, da waren AOL, Altavista, Blackberry, Nokia, Netscape oder Yahoo jedem ein Begriff; diese Firmen sind heute praktisch von der Bildfläche verschwunden.

Eine monopolartige Stellung kann also rasch erodieren, wenn ein Unternehmen nicht innovativ bleibt. Auf der Liste der 500 grössten Firmen hätten sich 2020 nur noch 55 befunden, die schon auf der ersten Liste 1955 figurierten, schreibt Johan Norberg in seinem Buch «The Capitalist Manifesto». 90 Prozent der Firmen von damals sind also verschwunden oder wurden übernommen.

Der Vorwurf an die Pharmafirmen ist perfide. Ohne die Risikobereitschaft von Unternehmern und Kapitalgebern bei den vormals kleinen Biotechfirmen Biontech und Moderna hätte es die mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 nie gegeben. Biontech hat zudem kurz vor Weihnachten erste Container nach Rwanda geliefert, wo ab 2025 mRNA-Impfstoffe hergestellt werden sollen. Die deutsche Firma engagiert sich mit 150 Millionen Dollar. Davon liest man bei Oxfam nichts.

«Die Macht der Unternehmen treibt den Zusammenbruch des Klimas voran.»

Auch dies ist eine extreme Sichtweise. «Das Bewusstsein in den Unternehmen hat sich stark gewandelt», sagte der WWF-Chef Thomas Vellacott voriges Jahr der NZZ. Sie wüssten, dass Klima- und Biodiversitätsschutz das Kerngeschäft tangiere.

Oxfam dagegen traut den Firmen nicht. Die Struktur der Wirtschaft sei undemokratisch und diene dem Interesse einer kleinen Elite, schreibt die Organisation. Es ist zwar richtig, auf die Gefahr der Monopolisierung aufmerksam zu machen. Es geht Oxfam aber nicht vordringlich darum, den «Wettbewerb als genialstes Entmachtungsinstrument der Geschichte» (Franz Böhm) zu stärken. Vielmehr sollen Regierungen private Macht im öffentlichen Interesse «dezentralisieren und nationalisieren».

Alles ist auf das Ziel ausgerichtet, die Ungleichheit zu bekämpfen. Damit nimmt Oxfam in Kauf, dass es allen schlechtergeht. Den Klimawandel zu meistern, wird aber in einer ärmeren Gesellschaft noch viel schwieriger, als es ohnehin schon ist.

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