Operation Umarmung

Die Nato bereitet sich auf eine mögliche Rückkehr von Donald Trump ins Weisse Haus vor. Sie gibt bekannt, dass 18 von 31 Mitgliedern das 2-Prozent-Ziel einhalten werden – und hat wohl nichts dagegen, wenn sich ihr grösster Kritiker das als Erfolg anrechnet.

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Jens Stoltenberg vermied den Namen Donald Trump – aber machte kein Geheimnis daraus, wen er meinte.

Jens Stoltenberg vermeidet den Namen des erfolgreichsten Nato-Kritikers der vergangenen Jahre, als ginge es um den Leibhaftigen. Aber der Generalsekretär des Verteidigungsbündnisses macht auch kein Geheimnis daraus, wer Adressat seiner Botschaften ist an diesem Mittwoch in Brüssel und auf welche Äusserungen er reagiert, die wohl besser nicht ohne Antwort aus dem Nato-Hauptquartier stehen bleiben sollten. Donald Trump, der frühere und vielleicht nächste Präsident der USA, hatte das Bündnisversprechen der Nato Anfang der Woche mit wenigen Sätzen für bedeutungslos erklärt. «Jede Andeutung, dass wir nicht füreinander einstehen», sagt Stoltenberg, «dass wir uns nicht gegenseitig schützen, untergräbt die Sicherheit von uns allen.»

Seine Antwort an den Nichtgenannten hat grob gesagt zwei Teile. Der erste davon ist ein aktuelles Zahlenwerk, das er ohne Trumps Äusserungen wohl noch nicht an diesem Mittwoch vor dem Treffen der Nato-Verteidigungsminister präsentiert hätte. Die blicken mit Sorge auf die ukrainischen Nachschubprobleme und hätten Besseres zu tun, als sich mit der Rhetorik des Kandidaten Trump zu beschäftigen. Geht aber nicht anders, wenn der gerade alle mit den Worten erschüttert hat, Nato-Partner, die ihre finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllen, nicht vor Russland schützen zu wollen.

18 von 31 Nato-Staaten erreichten das 2-Prozent-Ziel

Also: «Die Kritik, die wir hören, bezieht sich nicht in erster Linie auf die Nato», sagt der Generalsekretär. «Es geht um die Nato-Verbündeten, die nicht genug für die Nato ausgeben. Und das ist ein berechtigter Punkt, den schon mehrere US-Administrationen angesprochen haben.» Die gute Nachricht sei, dass die übrigen Verbündeten eben genau das täten: mehr für Verteidigung ausgeben.

In diesem Jahr erreichten voraussichtlich 18 von 31 Nato-Staaten das 2-Prozent-Ziel, teilte Stoltenberg mit. Es sieht vor, dass die Verteidigungsausgaben der Bündnispartner zwei Prozent der Wirtschaftsleistung eines Landes entsprechen sollen. Erst im Juli 2023 hatte die Nato das von einem unverbindlichen Richtwert zu einer festen Untergrenze umformuliert, zu der sich die Mitglieder «dauerhaft verpflichten».

Die Nato-Partner in Europa werden diesem Minimum 2024 zumindest im Durchschnitt entsprechen. Im vergangenen Jahr hätten die europäischen Nato-Länder und Kanada elf Prozent mehr für Verteidigung ausgegeben, sagte Stoltenberg, und insgesamt seien die Rüstungsausgaben seit der Formulierung des 2-Prozent-Ziels im Jahr 2014 um mehr als 600 Milliarden Dollar gestiegen.

«Starke Nato ist auch für die Vereinigten Staaten wichtig»

Im zweiten Teil seiner Antwort erinnert Stoltenberg an die Grundfeste der Nato. An den Grund, warum es das Verteidigungsbündnis überhaupt gibt und warum es so lange erfolgreich sein konnte. 75 Jahre Bündnisversprechen, Abschreckung, Frieden sichern, 75 Jahre kein Angriff auf einen Nato-Partner. «Eine starke Nato ist auch für die Vereinigten Staaten wichtig», sagt Stoltenberg, «weil sie die Vereinigten Staaten stärker macht.» Die USA hätten nie einen Krieg allein geführt; vom Koreakrieg bis zur Afghanistanmission hätten Nato-Alliierte «Schulter an Schulter» mit US-Soldaten gekämpft. Das erste und einzige Mal, dass der Bündnisfall nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags ausgerufen worden sei, sei nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 gewesen.

Die Wahrscheinlichkeit eines neuen Bündnisfalls – eines tatsächlichen militärischen Angriffs auf ein Nato-Land – ist mit Russlands Krieg gegen die Ukraine erheblich gestiegen. Und mit neuen Zweifeln am Zusammenhalt der Nato wird sie nicht wieder sinken. Man werde sicherstellen, dass in Moskau «kein Raum für Fehleinschätzungen bleibt hinsichtlich unserer Entschlossenheit, alle Verbündeten zu schützen», sagte Stoltenberg und verwies auf die laufende grösste Nato-Übung seit Jahrzehnten namens «Steadfast Defender», an der etwa 90’000 Soldaten aller 31 Bündnisstaaten und Schweden teilnehmen. «Dies ist eine klare Demonstration unserer Fähigkeiten, denn wir können den Frieden nie als selbstverständlich betrachten», sagte Stoltenberg.

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Vorbereitung für «Steadfast Defender»: Militärfahrzeuge werden in Marchwood, Grossbritannien, verladen.

Bei der grössten Übung der Nato seit Ende des Kalten Kriegs proben die Alliierten Truppenverlegungen nach einem russischen Angriff im Osten des Bündnisgebiets. Diese britischen Fahrzeuge wurden am Dienstag von einem Militärhafen bei Southampton nach Polen verschifft.

Mehr als 80’000 US-Soldaten in Europa

Diese Fähigkeiten hängen aber zumindest mittelfristig allein von der Unterstützung der USA ab. Laut dem jüngsten Nato-Jahresbericht haben die Vereinigten Staaten 2022 mehr als zwei Drittel aller Verteidigungsausgaben innerhalb der Nato gestemmt. Die US-Streitkräfte bleiben Europas zentrale Sicherheitsgarantie.

Sie sind mit mehr als 80’000 Soldaten auf dem Kontinent vertreten, deren Einsatzbereitschaft und Feuerkraft niemand zu ersetzen weiss. Die nuklearen Kapazitäten der USA in Europa tun ihr Übriges. Allein die theoretische Möglichkeit, dass Trump in einer zweiten Amtszeit seine Nato-Sabotage fortsetzen könnte, macht Europas Sicherheit wackeliger.

Trump soll den Anstieg als Erfolg verkaufen dürfen

Insofern kann man Stoltenbergs Äusserungen am Mittwoch auch als den Beginn einer neuen Trump-Umarmungsstrategie deuten. Der republikanische Präsidentschaftsbewerber wird darauf verweisen können, dass die Verteidigungsausgaben der Nato-Partner insbesondere während seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 massiv anstiegen. Der Aufwärtstrend bei den Verteidigungsausgaben hält an, sodass in einem Jahr weitere Nato-Staaten das 2-Prozent-Ziel erreicht haben werden.

Sollte Trump wieder ins Weisse Haus einziehen, wird es für Stoltenbergs Nachfolger eine der wichtigsten Aufgaben sein, eine Sprache zu sprechen, die Donald Trump versteht. Derzeit hat der geschäftsführende niederländische Premier Mark Rutte die besten Aussichten darauf, im kommenden Herbst Stoltenberg zu beerben. Den richtigen Umgang mit Trump trauen ihm in Brüssel viele zu.

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