Plötzlicher Gedächtnisverlust? Berliner SPD-Kandidatin war in der CDU – und verschwieg es
Jana Bertels spricht während der Vorstellungsrunde. Am 2. Mai beginnt der zweite Wahlgang für den SPD-Landesvorsitz. Bertels bewirbt sich zusammen mit Kian Niroomand für das Amt.
Der Wettlauf um den Vorsitz der Berliner SPD nimmt eine kuriose Wendung nach der anderen. Mit Rangeleien auf offener Bühne fing es an, es folgten eine enttäuschend niedrige Wahlbeteiligung in der ersten Runde des Mitgliederentscheids sowie ein brutaler Absturz des bisherigen Chefs Raed Saleh. Jetzt stellt sich heraus: Eine der verbliebenen vier Kandidaten für die zwei Posten war früher einmal in der Jungen Union und in der CDU.
Kein Problem, möchte man meinen, schließlich gehören wechselnde Parteimitgliedschaften zur Demokratie. Aber warum hat die Kandidatin das nach außen bislang verschwiegen? Und warum weiß sie jetzt nicht mehr, wie lange sie in der Union war?
In einem Artikel der Rathaus-Information der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Krefeld vom 1. Oktober 2007 wird über die Junge Union des Ortsverbandes Bockum berichtet. Jana Bertels, damals 18 Jahre alt, wird auf Seite 13 als eine der Beisitzerinnen des Ortsverbandsvorstands genannt. Der Text liegt der Berliner Zeitung vor. Anruf der Berliner Zeitung bei Bertels, bis vor kurzem Chefin der Berliner SPD-Frauen und derzeit Kandidatin im Gespann mit Kian Niroomand um den Landesvorsitz der Berliner SPD: Stimmt es, dass Sie einmal in der CDU waren? „Ja“, sagt Bertels.
Aber warum habe Sie das noch nie öffentlich gesagt? „Ich habe es nicht verheimlicht oder vertuscht. Ich habe es nur nicht für so wichtig gehalten“, sagt sie. „Viele in meinem Umfeld in der Partei wissen darum.“ Aber Frau Bertels, es sind doch die Mitglieder der SPD, die jetzt entscheiden sollen, welches Duo die Berliner Regierungspartei künftig führen soll – und diese Basis wusste bisher nichts von Ihrer CDU-Vergangenheit! Ist das in Ordnung? Damit ist das Gespräch vorerst beendet, Bertels bittet um Geduld.
Dann trifft bei der Berliner Zeitung eine schriftliche Erklärung ein. Sie stammt vom Kampagnenleiter des Duos Bertels/Niroomand, darin ist zu lesen: „Frau Bertels ist seit 2017 Mitglied der SPD.“ Als Schülerin sei sie Mitglied der Jungen Union in ihrer Heimatstadt Krefeld gewesen, und dort „für einige Jahre Teil ihres lokalen JU-Ortsverbandsvorstandes“. Und: „Diese frühere Mitgliedschaft verheimlicht sie nicht.“
Bertels habe, so ihr Sprecher weiter, über „ihren damaligen Freundeskreis“ einen „schnellen Zugang“ zur Jungen Union gefunden. Und zwar „sehr zum Leidwesen ihres sozialdemokratisch geprägten Elternhauses“. Sie habe jedoch nach einiger Zeit festgestellt, „dass weder die Junge Union noch die CDU sie inhaltlich oder kulturell überzeugen“ – insbesondere in Fragen der „Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung“. Deshalb sei sie damals auch aus der CDU ausgetreten. Und zum Schluss heißt es blumig: „Das beherzte Eintreten für gute Arbeit, soziale Verantwortung, gute Bildungschancen für alle und nicht zuletzt die Gleichstellung der Geschlechter macht sie heute gut 15 Jahre nach ihrer aktiven Zeit bei der JU zu einer guten und tief verwurzelten Sozialdemokratin.“
Doch es bleibt ein fader Beigeschmack. Mag schon sein, dass Bertels ihre frühere CDU-Mitgliedschaft nicht verheimlicht. Aber sie geht damit auch nicht proaktiv um, spricht in ihren bisherigen Darstellungen eben nicht von ihren Erfahrungen in der Jungen Union und von einem Freundeskreis, der sie auf den falschen Weg gebracht hat. Und das, obwohl ihr Kampagnensprecher doch so einfühlsam und nachvollziehbar den Kummer der Eltern über die – nur vorübergehend, wie sich’s erwies – ins andere Lager gewechselte Tochter beschreibt.
Stattdessen schreibt Jana Bertels an einer Stelle in einem früheren Selbstporträt zum SPD-Wahlkampf von ihrem Elternhaus. Ihr Leben sei bereits von der Sozialdemokratie geprägt gewesen, bevor sie „selbst Sozialdemokratin wurde“. Da hätte das Wörtchen CDU sicher nicht geschadet. Genau wie eine Erinnerungsleistung, wie lang der persönliche christdemokratische Irrweg konkret andauerte, Unterlagen darüber habe sie nicht mehr. „Einige Jahre“, ist jetzt die offizielle Sprechweise. Und so bleibt das Bild, dass eine Frau, die für sich in Anspruch nimmt, eine neue Kultur in der Berliner SPD zu verkörpern, sich selbst nicht gerecht wird.