Die souveränen Young Boys sind plötzlich angezählt

Die Berner sind im Cup ausgeschieden. In der Liga ist ihr Vorsprung geschmolzen. Ein Blick auf die Problemzonen – und weshalb YB doch YB bleibt.

die souveränen young boys sind plötzlich angezählt

Was ist nur los mit YB? Noah Persson versteckt nach dem 0:1 gegen Servette sein Gesicht hinter dem Dress.

«YB unterliegt Servette mit 0:1», hiess es vergangenen Sonntag. Vier Tage später: «YB unterliegt Sion und scheidet aus dem Cup aus.» Klingt nach Teletext, wo Emotionen kaum Platz haben. Tatsächlich sind es Auszüge aus den sozialen Medien der Young Boys, aus Instagram, wo Emotionen die Essenz sind.

Die Berner spannen also mal wieder ein Netz der Nüchternheit über das Geschehen. Auch wenn sie gerade aus dem Cup ausgeschieden sind und ein Saisonziel verpasst haben. Auch wenn der Vorsprung in der Liga geschmolzen ist.

YB war im Sommer 2023 als klarer Favorit in die Saison gestartet. Doch jetzt zeichnet sich ein spannendes Meisterrennen ab. Und im Cup machen Lugano, Sion, Winterthur und Servette den Titel unter sich aus. Wie ist es so weit gekommen? Vieles hat mit den Young Boys selbst zu tun.

Trainerfrage: Das Zögern wird zum Problem

Nüchtern. Möglichst so wollen die Young Boys auch die Trainerfrage lösen. Darauf angesprochen, sagt Chefstratege Christoph Spycher gerne: «Wir kommunizieren, wenn es etwas zu kommunizieren gibt – auch wenn das langweilig ist.»

Raphael Wickys Vertrag läuft in drei Monaten aus. Mit seinen Vorgängern Adi Hütter und Gerardo Seoane verlängerte Spycher in ähnlichen Situationen jeweils im Herbst. Das jetzige Zögern ist vielsagend.

So vielsagend, dass die Position Wickys destabilisiert ist. Die Spielweise und die fehlende Entwicklung von Spielern sind Argumente gegen seine Weiterbeschäftigung. Der Erfolg war immer das beste Argument dafür. Das droht gerade wegzufallen.

Überhaupt zum ersten Mal hat der Walliser mit den Young Boys zwei Partien in Folge verloren. Weil es sich dabei um das Spitzenspiel der Super League sowie den Cupviertelfinal handelt, ist seine Entlassung nicht mehr undenkbar. Sollte die Baisse anhalten. Auf die Frage, ob er ausschliessen könne, dass sich YB vor Saisonende von Wicky trenne, sagt Steve von Bergen am Freitag: «Ich bin zwar noch ein junger Sportchef, aber ich bin lange genug dabei, um zu wissen: Was heute gilt, kann schon in ein paar Wochen anders sein. Das ist Fussball.»

Und das ist das Problem am Vorgehen der Young Boys in der Trainerfrage. Fussball ist ein emotionales Geschäft, auch ein unberechenbares. Klarheit zu schaffen, verhindert Unruhe und Nebenschauplätze. «Klarheit bringt Freiheit», sagte Bayern-Trainer Thomas Tuchel kürzlich, nachdem der Club bekannt gegeben hatte, sich im Sommer von ihm zu trennen.

Mister Effizienz: YB spürt den Nsame-Effekt

Die feine Art ist es nicht: Jean-Pierre Nsame, inzwischen bei Como in der italienischen Serie B, gibt vor einer Woche ein Interview. Gegenüber «24 Heures» spricht er von «mangelndem Respekt», den ihm YB entgegengebracht habe, unter anderem beim offerierten Lohn, der die Hälfte der bisherigen Bezüge betragen haben soll. Er fühle sich verraten. YB dementiert Nsames Darstellungen. Was auch immer genau passiert ist: Harmonie tönt anders.

Nsame ist der Meisterschütze 2018, dreifacher Torschützenkönig in der Super League, der drittbeste Torjäger in der Vereinshistorie – eine Ikone. Sein unschöner Abgang muss bei den Young Boys einen faden Beigeschmack hinterlassen. Aber schwerer als der Unfrieden mit dem Idol wiegt für sie der Verlust von Nsames Klasse. Diesen haben sie unterschätzt.

Der Stürmer ist mit zwölf Treffern noch immer bester Berner Torschütze. Er hat pro Spiel mehr Tore erzielt, als es das statistische Modell von Wyscout erwartet würde. Das trifft zwar fast auf jeden YB-Stürmer zu. Aber bei Nsame ist die Differenz von erzielten zu erwartbaren Toren mit Abstand am grössten. Das spricht für seine Abschlussqualität.

Die Young Boys standen vor der Winterpause besser da, als es die Leistungen hätten erwarten lassen. Nicht nur wegen Nsame, aber doch auch seinetwegen. Ohne ihn sind sie weniger effizient als zuvor. Das schlägt sich in den Resultaten nieder: Die Young Boys spüren den Nsame-Effekt. Aber nicht nur.

Kader: YB hat 400 Skorerpunkte verloren

Im Sommer haben drei Stützen den Verein verlassen: Fabian Rieder ging zu Stade Rennes. Christian Fassnacht spielt jetzt bei Norwich in Englands zweiter Liga. Und Cédric Zesiger wechselte zu Wolfsburg. Im Winter gab YB neben Nsame auch Ulisses Garcia nach Marseille ab.

Diese fünf bringen es zusammen auf fast 1000 Spiele für YB. Sie haben dabei 400 Skorerpunkte geholt.

Jeder der Abgänge liess sich im Moment des Transfers erklären. Nsame war ein Unruheherd. Fassnacht und Garcia standen sechs respektive fünfeinhalb Jahre in Bern unter Vertrag, sie drängten regelrecht auf eine neue Herausforderung. Und Rieder und Zesiger lockte die Aussicht auf Einsätze in Topligen, eine weitere Saison in der Super League? War in ihrem Karriereplan nicht vorgesehen.

Die Young Boys sehen sich als Durchgangsstation. Sie holen meist junge Spieler und bieten diesen die Aussicht, sie an die Topligen heranzuführen. Falls das Angebot stimmt und der Zeitpunkt passt, lassen sie ihre Schützlinge ziehen. Das ist Teil des Deals.

Gemäss dem Forschungsinstitut Cies Football Observatory weist die YB-Transferbilanz in den letzten fünf Saisons ein Plus von 66 Millionen Euro aus. Das ist Schweizer Spitzenwert. Der FC Basel kommt im selben Zeitraum auf 54 Millionen. Finanziell geht die Strategie seit Jahren auf. Sportlich mit Ausnahmen ebenfalls.

Transfers: Die riskante Strategie

Diese Saison könnte zur Ausnahme werden. Die Neuen können den Qualitätsverlust vorerst nicht auffangen. Sinnbildlich, wie der 20-jährige Garcia-Ersatz Jaouen Hadjam auf die starke Darbietung gegen Servette die schwache in Sitten folgen lässt. Und jene, die schon da gewesen sind, erfüllen mehrheitlich die Erwartungen nicht.

Dazu kommen die Verletzungen von Filip Ugrinic und Loris Benito, zwei der wichtigsten Spieler in dieser Saison. Das alles hat dazu geführt, dass YB angreifbar wirkt. Dass selbst in der Partie beim FC Sion kein Klassenunterschied erkennbar mehr ist. Das 1:2 ist keine Cupüberraschung typischer Art, mit vergebenen Chancen en masse des Favoriten. Vielmehr ist es ein verdienter Sieg der Walliser.

Sportchef von Bergen sieht keinen Substanzverlust. Er verteidigt die Philosophie und seine Transfers. Die Baisse sei keine Frage der Qualität. Er bemängelt vielmehr die Mentalität der Spieler. Ist er beunruhigt? «Nein. Aber verärgert.»

Die YB-Führung hat mit ihrer Transferstrategie viel riskiert. Sollten die Berner auch noch den Meistertitel verspielen und wegen des erschwerten Ganges durch die Qualifikation die Champions League verpassen, dann wäre der Poker nicht aufgegangen. Sowohl sportlich wie finanziell.

Führung: YB kann viel aushalten

In der ersten Februar-Hälfte gibt YB bekannt, dass Chefstratege Christoph Spycher eine Minderheitsbeteiligung an der BSC Young Boys AG gekauft hat. Damit gehört die Aktiengesellschaft, die den Berner Berufsfussball verantwortet, drei Personen: Jöggi Rihs, dessen Sohn Stefan Rihs und Spycher.

Spycher steht für die regionale Verankerung. Vor allem aber für die Gewissheit, dass YB sich treu bleiben wird. Als Mitbesitzer ist er an den Verein gebunden – selbst dann, wenn er irgendwann eine Herausforderung in der Bundesliga annehmen sollte.

Stefan Rihs steht derweil für das andauernde Commitment der Familie. Die Brüder Andy und Jöggi stiegen 2008 bei YB ein. Über die Jahre liessen sie sich das Engagement «50 Chischte» kosten, wie der 2018 verstorbene Andy im September 2016 an einer legendären Medienkonferenz verlauten liess. In Wahrheit dürfte es sogar mehr gewesen sein.

Mittlerweile aber floriert der Club. Die Besitzer müssen keine Löcher mehr stopfen – ganz im Gegenteil. Alleine die drei Teilnahmen an der Champions League seit 2018 dürften YB rund hundert Millionen Franken eingebracht haben. Es liegt auf der Hand, weshalb die Familie Rihs kein Interesse hat, den Club zu verkaufen.

Auch wenn YB nach dem Cup-Aus auch noch den Meistertitel verpassen sollte, der Verein zerbräche nicht daran. Auf die Enttäuschung 2022, als der FC Zürich zum Titel enteilt war, reagierten die Berner mit dem Doublegewinn.

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