Zadić: "Auch im Superwahljahr muss ÖVP politisch unliebsames Urteil akzeptieren"

ABD0001_20240105 – WIEN – ÖSTERREICH: Justizministerin Alma Zadic (Grüne) am Donnerstag, 21. Dezember 2023, anl. eines Interviews mit der APA – Austria Presse Agentur in Wien. – FOTO: APA/EVA MANHART

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hat im Gespräch mit dem STANDARD erstmals auf die Vorwürfe der ÖVP gegen Michael Radasztics, den Richter in der Causa Kurz, reagiert. Vertreter der Volkspartei wie ihr Generalsekretär Christian Stocker oder Verfassungsministerin Karoline Edtstadler hatten Radasztic den “Anschein einer Befangenheit” attestiert, weil dieser vergangenes Jahr zu einer Disziplinarstrafe verurteilt worden war. Unter anderem, weil er einst als Staatsanwalt dem damaligen Abgeordneten Peter Pilz die Existenz einer Weisung im Eurofighter-Akt offenbart hatte.

Diese Disziplinarstrafe war nur einen Werktag nach Radasztics Schuldspruch gegen Kurz im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) publiziert worden – und seitdem wird sie von der ÖVP fast durchgehend thematisiert; etwa in parlamentarischen Anfragen, eine “Eilt”-Pressekonferenz oder zuletzt von Edtstadler in der ORF-“Pressestunde”. Offenbar befürchtet die ÖVP, der erstinstanzliche Schuldspruch gegen Kurz wegen einer Falschaussage im U-Ausschuss könnte sie im Superwahljahr 2024 verfolgen – es stehen ja heuer unter anderem EU- und Nationalratswahlen an.

“Angriffe auf Justiz”

“Es ist klar, dass da ein nicht rechtskräftiger Schuldspruch gegen den früheren Parteiobmann für die ÖVP sehr unangenehm ist”, sagt Zadić zum STANDARD. Aber: “Dennoch sind Urteile eines unabhängigen Gerichts auch im Wahljahr zu akzeptieren.” Diese dürften “nicht zu politischen Angriffen auf die Justiz führen, wie wir sie aus den USA unter Trump kennen”. Der richtige Weg, sich gegen ein Urteil zu wehren, sei der Gang in die zweite Instanz.

Die Verteidigung von Sebastian Kurz hatte schon am ersten Verhandlungstag einen Befangenheitsantrag gegen den Richter gestellt, den dieser selbst abgelehnt hat – ein normales Prozedere. Radasztics hielt damals fest, dass er mit Peter Pilz nicht befreundet sei und nur beruflich mit ihm zu tun gehabt habe. Das damals noch laufende Diszipinarverfahren erwähnte Radasztics nicht.

Hätte er das offenlegen sollen? “Ich werde einem unabhängigen Richter keine Tipps vom Seitenrand für die Verfahrensführung geben, so wie das gerade andere tun”, sagt Zadić dazu. Sie verweist allerdings darauf, dass Experten wie der Strafrechtsprofessor Andreas Venier eine Befangenheit für “weit hergeholt” hielten und der Präsident des Straflandesgerichts Wien, bei dem Radasztics tätig ist, von “Äpfeln und Birnen” sprach. “Wie in einem Rechtsstaat üblich hat diese Frage das Berufungsgericht zu klären.” Prozessbeobachter hätten Radasztics’ Verhandlungsführung jedenfalls sehr gelobt.

Veröffentlichungszeitpunkt ist “unglücklich”

Den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Disziplinarstrafe – nur einen Werktag nach Radasztics’ Schuldspruch im Kurz-Prozess – hält Zadić für “unglücklich”. So weit sie informiert sei, habe sich das Oberlandesgericht (OLG) Graz, das in der Disziplinarsache gegen Radasztics zuständig war, “die Sache genau angeschaut”. Das OLG Graz sprach von einem reinen Zufall. Radasztics und die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Graz hatten nach dem Disziplinarurteil des OLG Graz im Mai 2023 beide Rechtsmittel angemeldet, auf diese jedoch gegen Jahresende verzichtet. Im Anschluss sei das Urteil anonymisiert und danach publiziert worden.

Aber wie war es überhaupt möglich, dass Radasztics mit Jahresbeginn 2023 am Straflandesgericht als Richter anfing, nachdem rund um seine Tätigkeiten als Staatsanwalt noch ein Disziplinarverfahren lief? Hier verweist Zadić auf das unabhängige Verfahren bei Stellenausschreibungen: “Jeder Fall wird individuell vom zuständigen Personalsenat entschieden.”

Der “Pilz-Vorwurf”

Manche Anhänger von Sebastian Kurz sehen allerdings eine noch breiter angelegte Verschwörung, gewissermaßen eine Achse zwischen Radasztics, Pilz und Zadić, die ja einst durch die “Liste Pilz” in die Politik gekommen war. Auch die ÖVP will den angeblichen Einfluss von Pilz auf das Justizministerium hinterfragen. Zadić sagt dazu: “Den ‘Pilz-Vorwurf’ höre ich, seit ich im Amt bin. Anscheinend ist es für manche noch immer schwer vorstellbar, dass eine junge Frau ganz ohne männliche Unterstützung ein solches Amt führen kann.” Sie habe die Liste Pilz im Sommer 2019 “nicht ganz friktionsfrei” verlassen – Zadić wechselte zu den Grünen, Pilz scheiterte dann mit neuem Team am Wiedereinzug in den Nationalrat. Seit damals habe sie mit Pilz keinen Kontakt mehr, sagte Zadić. An einer Anfrage von Pilz rund um die Eurofighter-Weisung, die ihm Radasztics offenbart hatte, habe sie nicht mitgearbeitet, sondern ihre Unterschrift nur beigesteuert, damit Pilz die für parlamentarische Anfragen nötigen fünf Unterschriften erreicht.

In ihrem Kabinett seien zwei frühere Pilz-Mitarbeiter beschäftigt, aber ebenso “mehrere Personen, die Berufserfahrung bei der ÖVP bzw. in ÖVP-Kabinetten, aber auch bei der SPÖ und den Grünen Erfahrungen gesammelt haben”. Dazu kämen noch Staatsanwälte und Richter: “Wir sind diesbezüglich bunt gemischt. Was uns eint, ist, dass wir alle für eine starke und unabhängige Justiz arbeiten.”

Die sieht die Justizministerin durch politische Angriffe in Gefahr. “Als Politikerin bin ich Angriffe – zum Teil auch sehr untergriffig und persönlich – gegen mich gewohnt. Das ist nicht immer schön, aber das halte ich aus. Etwas komplett anderes ist, dass nun gegen einen einzelnen Richter, der einen für manche unliebsamen Schuldspruch gefällt hat, eine derartige Medienkampagne mit Unwahrheiten und Diffamierungen losgetreten wird”, sagt Zadić. “Dass das mittlerweile ein übliches Mittel ist, zeigen auch die Entwicklungen in den USA – Stichwort Trump. Darin steckt eine enorme Gefahr für unsere liberale Demokratie.” (Fabian Schmid, 4.3.2024)

News Related

OTHER NEWS

Fix! Diese Personen bekommen bald mehr Geld aufs Konto

Fix! Diese Personen bekommen bald mehr Geld aufs Konto In der dritten Runde der Kollektivvertragsverhandlungen in der Sozialwirtschaft ist in der Nacht eine Einigung erzielt worden. Das sind die Details. ... Read more »

Sozialwirtschaft: KV-Abschluss nach 16 Stunden

++ THEMENBILD ++ PFLEGE / KRANKENPFLEGE / PFLEGEREGRESS / ALTENPFLEGE / GESUNDHEIT Einen Durchbruch hatte die dritte Runde der Kollektivvertragsverhandlungen für die Beschäftigten im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich (“Sozialwirtschaft Österreich”) ... Read more »

Struber: "Wir wissen, dass es bereits jetzt eine Entscheidung geben kann"

Red Bull Salzburg hat am Mittwoch ein schwieriges Auswärtsspiel bei Gruppenleader Real Sociedad zu bestreiten. Die Mozartstädter denken vor der Begegnung aber nicht an die Tabellenkonstellation. Gerhard Struber ruft dazu ... Read more »

Experten stehen vor Rätsel: Mysteriöse Alien-Kugel an Strand gefunden!

Alien-Kugel Die mysteriöse Metallkugel mit einem Durchmesser von etwa 1,5 Metern hat im Internet für heftige Spekulationen gesorgt. Die Polizei und die Anwohner einer japanischen Küstenstadt stehen vor einem Rätsel: ... Read more »

Feinstaub in Österreich: Richtwerte 2022 an allen Messstellen überschritten

Das Land Salzburg hat festgestellt, dass allein das kürzlich aufgehobene flexible Tempolimit 100 (IG-L Tempolimit) auf der Tauernautobahn (A10) den Stickoxidausstoß beim Pkw-Verkehr um 19 Prozent reduzierte. 2022 sind bei ... Read more »

„Wäre besser für uns, stärkere Gegner zu bekommen“

„Wäre besser für uns, stärkere Gegner zu bekommen“ Nach der erfolgreichen EM-Qualifikation und dem souveränen Auftritt gegen Deutschland hängen die Trauben in Österreich hoch. Bereits am Samstag wird darüber entschieden, ... Read more »

Gvardiol freut sich auf RB-Duell

Verteidiger Josko Gvardiol von Champions-League-Sieger Manchester City geht die Partie gegen seinen Ex-Klub RB Leipzig mit vollem Fokus an. Gvardiol freut sich auf RB-Duell Verteidiger Josko Gvardiol vom Champions-League-Sieger Manchester ... Read more »
Top List in the World