Faust unterm Kinn - Experte entlarvt Tricks: Höcke gibt den Denker, doch seine Geste verrät noch etwas anderes

faust unterm kinn - experte entlarvt tricks: höcke gibt den denker, doch seine geste verrät noch etwas anderes

Warum Höcke diese Körperhaltung schätzt, erklärt Experte Michael Ehlers. Screenshot: Welt

In der teils hitzigen Diskussion zwischen Björn Höcke und Mario Voigt gab es mehr zu sehen und zu hören, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Michael Ehlers, ein Experte für Rhetorik und Kommunikation, erklärt Körpersprache, Wortwahl und rhetorische Strategien der beiden Politiker.

Wie ist die Körpersprache von Björn Höcke während der Diskussion, insbesondere seine ausladenden Armbewegungen und seine halbe Faust am Kinn, zu sehen?

Herr Höcke legt im Verlauf der Diskussion eine relativ lebendige aber meist kontrollierte Gestik an den Tag. In einigen Momenten gleitet er nahezu ins „Rumhampeln“ ab, beispielsweise als er sich über die EU als „Hauptproduzenten von Bürokratie“ echauffiert. Zum Beginn des Rededuells nimmt er beim Zuhören allerdings noch eine Art Denkerpose ein.

Ein Arm um die eigene Hüfte geschlungen, der andere angewinkelt, die halbgeöffnete Faust unter dem Kinn. Diese Geste soll Nachdenklichkeit, Intellektualität etc. transportieren. Er stellt sich als der überlegene, nahezu philosophische Denker dar. Gleichzeitig ist es eine Methode, um sich selbst „im Zaum“ zu halten und unbewusst zu schützen. Die Selbstberührungsgeste weist auf ein gewisses Unbehagen, Unsicherheit und den Wunsch hin, eine nahezu physische Barriere zwischen sich und anderen zu schaffen. Herr Höcke ist zu diesem Zeitpunkt bei allem aufgesetzten Selbstbewusstsein noch unsicher, was ihn erwartet. Später verfällt er in seine bekannte Gestik.

Das Weisen auf den Gegner mit der nach oben geöffneter Hand kann hier als herausfordernde Geste gelesen werden, die darauf abzielt, dem Gegner zu signalisieren, dass er falsch liegt, oder um ihn herabzusetzen. Trotzdem sollte insbesondere im weiteren Verlauf nicht zu viel hineininterpretiert werden. Klar ist, dass wir es bei Björn Höcke mit einem trainierten und sehr auf seine körpersprachliche Wirkung bedachtem Redner zu tun haben.

Warum bezeichnet Björn Höcke einen politischen Gegner Mario Voigt als ‘Kollege’? Welche rhetorischen Strategien könnten dahinterstecken?

Drei Dinge können dahinterstecken.

  • Zum einen stellt der politische Paria, der gerichtsfeste Faschist Björn Höcke, auf diese Weise Augenhöhe her, stellt sich als „ganz normalen“ Politiker dar.
  • Zweitens sind die beiden formal und in einem gewissen Sinne tatsächlich Kollegen (Kollege von lateinisch collega „Amtsgenosse“), und
  • drittens darf man nicht vergessen – und ich glaube, dass hier des Pudels Kern verborgen ist – dass der Ausdruck Kollege je nach Kontext und Tonfall, in dem er verwendet wird, auch eine negative oder sarkastische Konnotation annehmen. Jemanden „He, Kollege!“ zu rufen ist ja nicht frei von einem gewissen Dominanzgebaren.

Ich glaube, dass hier eine Mischung zu Tage tritt, mit deutlich mehr Anteil negativer Konnotation.

Wie sind die Reaktionen und rhetorischen Strategien von Mario Voigt auf die Aussagen von Björn Höcke, insbesondere in Bezug auf das Thema Migration zu bewerten?

Migration ist zuerst eine globale, dann eine europäische, dann eine nationale Herausforderung. Ganz am Ende stehen die Bundesländer, dann die Kreise und dann die Gemeinden. Insofern ist es eigentlich ein verfehltes Thema für die zwei Kandidaten. Denn die Herausforderungen – Kernthema der AfD – werden nicht in Thüringen gelöst. Aber Mario Voigt kann hier immerhin darauf verweisen, wie CDU-Landräte mit dieser Herausforderung umgehen: Bezahlkarte und Arbeitspflicht. Er präsentiert sich als solcher Hardliner, dass auch ein Björn Höcke dem nicht viel entgegenzusetzen hatte. Darf man politisch kritisieren, ist aber geschickt. Zudem hatte er bei diesem Thema den Vorteil, als Erster zu reden und die entsprechenden Pflöcke einzuschlagen.

Björn Höcke blieb nicht mehr viel übrig, als wieder und wieder darauf zu verweisen, dass es ja eine CDU-geführte Regierung gewesen sei, die 2015 die sogenannte Migrationskrise auslöste. Insgesamt war es eine Wiederholung altbekannter Positionen, die man sich gut und gerne hätte sparen können. Gut ausgesehen hat weder Voigt, der in manchen Momenten, wenn er etwa davon sprach, dass deutsche Kinder keinen Platz mehr im Kindergarten bekämen, die Linie seines warmen Lokalpatriotismus doch ein bisschen weit verließ, noch Höcke, der insbesondere mit dem Begriff Remigration zu kämpfen hatte. Dennoch würde ich Voigt hier nach Punkten leicht vor dem an plötzlichen Gedächtnisverlust hinsichtlich seiner eigenen Aussagen leidenden Björn Höcke sehen.(Anzeige) Rhetorik – Die Kunst der Rede im digitalen Zeitalter – Das Buch von Michael Ehlers (Werbung Shop)

Wie hat sich Höcke zum Thema „Remigration“ verhalten und wie glaubwürdig kam er damit beim Publikum an?

Herr Höcke definiert den Begriff „Remigration“ – und die Moderatorin merkt das erfreulicherweise auch an – im Duell ganz neu. Plötzlich soll Remigration nicht mehr bedeuten, dass Menschen aus Deutschland – Deutsche und Ausländer – in eine vermeintliche Heimat remigrieren sollen, sondern dass Deutsche aus dem Ausland wieder zurück nach Deutschland geholt werden sollen.

Eigentlich ein guter Versuch, aber dann doch nur eine durchschaubare Sophisterei. Vor allem, weil ein gut vorbereiteter Mario Voigt anhand einer Rede seines Kontrahenten Sekunden vorher dargelegt hat, was sich wirklich hinter dem Begriff verbirgt. Und um es ganz deutlich zu machen, wirft Voigt noch den Begriff Deportation in die Runde, der in unseren Köpfen die entsprechenden Bilder aufruft und die Björn Höcke mit seinem durchschaubaren Versuch auch nicht mehr einfangen kann.

Als die Moderatoren nachbohren, beginnt er sich so sehr zu winden, bis er einem fast leidtun kann. Aber nur fast. Höcke wurde in dieser Phase auch vom Moderatoren-Team hart in die Zange genommen, während sich Voigt nahezu genüßlich zurücklehnen und zusehen konnte, wie Höcke alles doch nicht so gemeint habe oder sich gerade – leider, leider – nicht mehr an den genauen Kontext erinnern konnte. Ich glaube allerdings nicht daran, dass sich irgendjemand von diesem Duell und dieser schwachen Phase Höckes von seiner Meinung oder seiner grundsätzlichen Einstellung abbringen ließe.

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