Neues CDU-Grundsatzprogramm: Drei neue Sätze zum Islam

neues cdu-grundsatzprogramm: drei neue sätze zum islam

Männer und Jungen beten im Gebtsraum der Abu Bakr-Moschee in Frankfurt am Main

In Zeile 1049 im Entwurf des neuen Grundsatzprogramms der CDU hieß es neulich noch: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.“ Jetzt, nach einer Sitzung der Antragskommission für den Bundesparteitag, fehlt der Satz. Die zentrale Aussage in dem Absatz lautet nun: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“ Auch zwei weitere neue Sätze zum Islam haben es nach Informationen der F.A.Z. in den Entwurf geschafft.

Nach der Vorstellung des ursprünglichen Entwurfs mit der gefetteten Zeile 1049 ließ die Kritik nicht lange auf sich warten, ob von Islamverbänden oder von politischen Mitbewerbern. Die CDU würde am rechten Rand fischen, wurde behauptet, eine Pauschalisierung und Ausgrenzung beklagt. Auch in der Partei selbst regte sich Kritik. Als der Bundesvorstand auf einer Klausur Mitte Januar den Entwurf einstimmig billigte, erwähnte der Vorsitzende Friedrich Merz danach vor der Presse selbst Diskussionen über diesen Satz und fügte an, dass man überlegen wolle, ob man bis zum Bundesparteitag eine bessere Formulierung finde. So ist es passiert – und die Zeile 1049 beginnt neuerdings ganz anders.

Änderung hatte sich abgezeichnet

Die CDU hat die Arbeit an dem neuen Grundsatzprogramm breit angelegt. Bislang hat die Partei erst drei Grundsatzprogramme verabschiedet, 1978, 1994 und 2007. „In Freiheit leben. Deutschland sicher in die Zukunft führen“, ist der Titel des Entwurfs. Unter der Regie von Generalsekretär Carsten Linnemann hatten erst zehn Fachkommissionen an dem Programm gearbeitet. Nach Sitzungen der Programmkommission und der Klausur des Bundesvorstands folgte eine Tour durch Deutschland mit Debatten zum Grundsatzprogramm. Am Ende muss der Bundesparteitag vom 6. bis 8. Mai in Berlin entscheiden.

In den Entwurf, so wird es in der Partei erzählt, kam der umstrittene Satz zum Islam das erste Mal offenbar Anfang November während einer Sitzung der Programmkommission. Die Stimmung war schwierig, der Terrorangriff der Hamas auf Israel erst wenige Wochen her, und auch auf deutschen Straßen ging es hitzig zu, als Israelkritik getarnter Antisemitismus war nicht zu überhören. Im bisher letzten Grundsatzprogramm der CDU ging es beim Thema Islam fast nur um den Kampf gegen islamistischen Fundamentalismus und Terrorismus, um Fragen der Sicherheit also. Später erregten der einstige Bundespräsident Christian Wulff wie auch Bundeskanzlerin Angela Merkel viel Aufsehen mit ihren Feststellungen, der Islam gehöre zu Deutschland. Es war also klar, wie wichtig eine Formulierung zu diesem Thema für die Partei wird.

Als der Satz „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“ im Entwurf festgehalten wurde, gab es in der CDU Politiker, die darin die Gefahr einer Ausgrenzung sahen, eines viel zu pauschalen Verdachts. Trotzdem wurde der Satz auch in der Redaktionssitzung im Dezember aufgenommen. In der Klausurtagung des Vorstands im Januar wurde die Passage noch einmal besprochen, es gab auch einen Änderungsantrag des Bremer Landesverbands. Es wurde deutlich, dass zwar weder die Botschaft noch die sicherheitspolitischen Forderungen abgeschwächt werden sollten – aber die Formulierung der Zeile 1049 ausgerechnet im Abschnitt des Programms zur Bedeutung der Religion so nicht bis zum Bundesparteitag stehen bleiben sollte. Daher deutete Merz vor der Presse auch ausstehende Arbeit an der Formulierung an.

„Muslime sind Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands“

Während Merz dann mit den Konferenzen zum Grundsatzprogramm durch Deutschland tourte, gingen neben dem Änderungsantrag aus Bremen unter anderem noch aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein neue Vorschläge zu der Passage ein. Aus jenen Landesverbänden also, die sich unter der Führung von Hendrik Wüst und Daniel Günther ohnehin gesellschaftspolitisch liberaler verorten als Bundesvorsitzender Merz.

Am Freitag und Samstag kam dann die Antragskommission für den Bundesparteitag zusammen. Der Satz, der jetzt da steht, soll erst in dieser Sitzung endgültig so formuliert worden sein: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“ Auch davor wurden zwei gefettete Sätze eingefügt: „Muslime sind Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands und unserer Gesellschaft.“ Und danach: „Viele von ihnen haben in Deutschland schon seit Jahrzehnten eine neue Heimat gefunden.“ Merz war am Anfang anwesend, als auch darüber diskutiert wurde. Bei der Entscheidung über die Sätze, heißt es, war er nicht mehr anwesend.

Alle Kritiker wird die Partei ohnehin auch mit ihren neuen Sätzen zum Islam nicht überzeugen. So hatte Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, schon die erste Fassung scharf kritisiert. Zur neuen sagte er nun der F.A.Z., es sei ein „weiterer Versuch der Christlich Demokratischen Union in trüben Gewässern zu fischen, um Muslime zu stigmatisieren“. Wenn überhaupt sei eine Formulierung, die alle Weltanschauungen und religiösen Gemeinschaften anspricht, akzeptabel, „anstatt nur eine bestimmte herauszugreifen und negativ zu markieren“. Mayzek sagte: „Diese selektive Vorgehensweise bedient anti-muslimische Ressentiments und Stereotype, abseits der breiteren Debatte über eine sogenannte Leitkultur.”

In der Antragskommission wurden aber auch nicht nur Abmilderungen im Entwurf des Grundsatzprogramms beschlossen. So wurde im Abschnitt zur Migration eine schärfere Forderung nach Zurückweisung an den Binnengrenzen der EU hinzugenommen. Geblieben ist im Entwurf hingegen das Wort Leitkultur.

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