Pedro Almodóvar: „Der letzte Traum“ – Lektionen für sein Leben
Almodovar
Pedro Almodóvar: „Der letzte Traum“ – Lektionen für sein Leben
Pedro Almodóvar in Los Angeles, 2021.
Drama, Trash und Einsamkeit: Regisseur Pedro Almodóvar legt mit „Der letzte Traum“ eine Art Vermächtnis vor, diesmal in Buchform.
Immer schon hat er in seinen Filmen über sein Leben, seine Lust, seine Herkunft und auch seine Mutter erzählt. Dem spanischen Regisseur Pedro Almodóvar, geboren 1949 in der kargen Region La Mancha, aufgewachsen in der Extremadura und im Alter von nur 16 Jahren in die Hauptstadt Madrid geflüchtet, ist diese Art von Nabelschau alles andere als fremd. Seine frühen, mitunter schrillen Filme wie „Labyrinth der Leidenschaften“ bilden die Aufbruchstimmung jener „movida madrileña“ ab, als nach dem Tod des Diktators Francisco Franco 1975 die Großstadtjugend ihre neuen Freiheiten zelebrierte. Wildes Leben, Hedonismus, Sex, Punk, Queerness und eine gehörige Portion Trash dabei.
Die 1990er katapultierten ihn endgültig aus der Subkultur heraus – den internationalen Durchbruch erlangte Almodóvar mit der Hinwendung zum Drama, im Jahr 2000 bekam „Alles über meine Mutter“ (1999) den Oscar als bester ausländischer Film.
Die Auseinandersetzung mit seiner Kindheit in der Klosterschule hat Almodóvar in „Schlechte Erziehung“ (2004) verarbeitet, in dem grandiosen Film „Leid und Herrlichkeit“ (2019) blickt ein ergrauter Regisseur bereits auf seine Anfänge als Filmemacher in Madrid zurück. Und nun also dieses bunte Büchlein „Der letzte Traum“, dessen Cover das Gesicht des Meisters in Form eines Blumentopfs mit der typischen Sonnenbrille stilisiert und von dem er im Vorwort schreibt: „Es kommt einer fragmentierten, unvollständigen und etwas kryptischen Autobiographie denkbar nahe“. Zwölf Erzählungen sind zusammengefasst, jede beleuchtet einen Aspekt der Vita, ist Teil seiner „Lebensbeichte“.
Das Buch
Pedro Almodóvar: Der letzte Traum. A. d. Span. v. Angelica Ammar. S. Fischer, Frankfurt 2024. 224 S., 24 Euro.
Almodóvar erzählt unter anderem vom Verlust der geliebten und prägenden Mutter und davon, wie diese ihn als Kind inspiriert hat: „Ich habe etwas Entscheidendes für meine Arbeit von ihr gelernt, den Unterschied zwischen Wirklichkeit und Fiktion und dass die Wirklichkeit durch die Fiktion ergänzt werden muss, um das Leben leichter zu machen.“ Die Mutter verdiente der Familie in dem kleinen Dorf voller Analphabeten ein Zubrot, indem sie den Nachbarn Briefe verfasste und aus den erhaltenen vorlas – und sie blumig ausschmückte. Vom kleinen Pedro darauf angesprochen, dass das gar nicht stimmte, was jener alten Frau dort ausgerichtet wurde, antwortete sie: „Aber hast du gesehen, wie sie sich gefreut hat!“ Fast ein ganzes Leben später schreibt der Regisseur nun: „Diese Improvisationen waren eine große Lektion für mich.“
An anderer Stelle kommt Almodóvars Kunstfigur und Alter Ego aus den späten 70ern, frühen 80ern zu Wort: Patty Diphusa, deren wilde Geschichten schon 1997 als Taschenbuch bei Knaur erschienen waren. In dem Buchkapitel verführt Patty, ein umwerfendes Sexsymbol auf Heroin, einen erzkatholischen Industriellen. Almodóvar erzählt zudem über seine skurrile Begegnung mit Andy Warhol 1983 auf einer Party versnobter Promis in Madrid und wie er danach, auf dem Höhepunkt der Aids-Pandemie, New York bereiste. Weiterhin kommt die Klosterschule, der dortige sexuelle Missbrauch und die Traumatisierung der Zöglinge wie bereits im Film zur Sprache, auch der mexikanischen Sängerin Chavela Vargas (1919-2012), deren betörende Lieder wie „Piensa en mi“ (Denk an mich) viele seiner Filme untermalen, wird ein Denkmal gesetzt.
Das alles ist eindrücklich, sehr intim, manchmal zu detailversessen und nur für „aficionados“. Auch sprachlich erreichen einige dieser Texte – wie etwa der über Vampire im Kloster – nicht das künstlerische Niveau seiner Filme. Immerhin, die Leserin und der Leser erfahren einiges über die Schattenseiten, die Zweifel und das melancholische Innenleben des exzentrischen Regisseurs. Über eine einsam verbrachte Karwoche schreibt Almodóvar etwa: „Ich bin in diese Situation beinahe völliger Isolation gelangt, weil ich nicht auf andere eingegangen bin, weil ich keine wahren Freundschaften aufgebaut und die vorhandenen nicht gepflegt habe. Meine Einsamkeit ist entstanden, weil ich mich um niemand anderen als mich selbst gekümmert habe.“