In Hamburg wird eine neue Vision für den Elbtower gesucht.
Der Ort, an dem der Elbtower entstehen soll, ist lebensfeindlich, schon weil es furchtbar laut ist hier zwischen den Elbbrücken, über die sich Tag und Nacht der Zug- und Straßenverkehr in die Hamburger City zwängt und wieder heraus. Selbst nachts gleicht der Lärmpegel dem Dauergeräusch eines Staubsaugers. Wer an einer solchen Stelle ein 245 Meter hohes Gebäude plant, das drittgrößte Hochhaus Deutschlands, muss ein Wahrzeichen vor Augen haben, eine außergewöhnliche Immobilie, die ihren Nutzern einen großartigen Ausgleich für die widrigen Bedingungen am Boden bietet.
Zumindest der Blick aus den obersten Stockwerken auf den Hafen dürfte grandios sein, und weiter über die Elbphilharmonie, den Michel, das Rathaus, die Alster. Es war der schillernde österreichische Immobilienunternehmer René Benko, der mit dieser Vision viele Menschen überzeugt hat, Architekten, Investoren, potentielle Mieter, Politiker – allen voran Olaf Scholz, damals Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg.
Jetzt aber ist Benkos Immobilien-Imperium Signa in Auflösung begriffen. Auch die Elbtower-Gesellschaft befindet sich in der Insolvenz. An den Elbbrücken steht ein Betongerippe von gut hundert Metern Höhe und wirft Fragen auf. Wird Benkos Vision jemals realisiert werden? Gibt es ein Geschäftsmodell für solche Immobilien? Wer würde andernfalls dafür sorgen, dass nicht eine Bauruine stehen bliebe? Welche Verantwortung kann und muss die Stadt Hamburg tragen?
Hürden für Investoren: Hohe Kosten, schwacher Markt
Als im Oktober die Rohbaufirma wegen unbezahlter Millionenrechnungen die Geduld verlor und den Bau stoppte, schien alles noch machbar. Schnell kamen Spekulationen auf, der Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne könnte einspringen. Dafür sprach, dass Kühne sich in seiner Heimatstadt Hamburg immer wieder engagiert hat, im Großen bei der Rettung der Reederei Hapag-Lloyd, im kleineren Maßstab beim Fußballverein HSV und in den eigenen Träumen mit einer neuen Oper. Als Interessent wurde auch der Bremer Bauunternehmer Zech genannt, der sich einen Namen als Schnäppchenjäger in Insolvenzfällen gemacht hat, sowie Fonds aus Saudi-Arabien oder Singapur, mit denen Signa-Sanierer Grossnigg verhandelt haben soll.
An Mut und Vorstellungskraft dürfte es Investoren dieser Art nicht mangeln. Doch ihr Reichtum gründet nicht nur auf einem guten Gespür für außergewöhnliche Investments, sie können auch rechnen. Insofern stehen die Chancen schlecht. Baupreise und Zinsen sind kräftig gestiegen, während Büro- und Gewerbeflächen sich in Zeiten mobilen Arbeitens und lahmender Konjunktur nur schwer vermarkten lassen. Das wiegt umso mehr, als schon bisherige Mietverträge für den Elbtower auf der ziemlich zweifelhaften Grundlage von Gegengeschäften mit Signa oder Signa-Managern zustande kamen.
Undurchsichtige Finanzlage
Wer in solche Projekte einsteigen will, bringt bestimmt kein Geld für das bisher Erreichte mit, sondern allenfalls Phantasie, welche Kombi-Geschäfte denn unter den neuen Vorzeichen machbar wären. Hier wird die Sache so unüberschaubar wie das Benko-Imperium. Da keine einzige Bank bereit war, den Elbtower mit einem Kredit zu finanzieren, werden wohl andere Signa-Gesellschaften mit Geld eingesprungen sein. Diese stehen heute ihrerseits unter der Regie von Sanierern und Insolvenzverwaltern mit je unterschiedlichen Zielen, was die Sache nicht transparenter macht.
Auffallend ist, wie schweigsam die Stadt Hamburg ist. Wo der Elbtower angesprochen wird, kommt der Hinweis, dass es sich um ein privates Projekt handelt und dass die Stadt notfalls ein Rückkaufsrecht für das Grundstück habe. Dieses Rückkaufsrecht ist aber nichts wert, im Gegenteil. Einen dreistelligen Millionenbetrag für ein Grundstück samt Bauruine zu zahlen, die allein durch ihre Existenz weitere Kosten verursacht (vom Abriss ganz zu schweigen), käme einer städtebaulichen Bankrotterklärung gleich.
Wo ein Geschäftsmodell so erkennbar zerstört ist wie im Fall des Elbtowers, wäre es stattdessen sinnvoll, dass die Politik sich jetzt schon bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten aktiv einbringt. Das könnte die Entwicklung einer unkonventionellen Vermarktung sein oder die Weichenstellung für eine Nutzung, die bisher tabu schien. Nächstes Jahr sind Bürgerschaftswahlen in Hamburg. Das könnte die Kreativität fördern. Der Wahltermin birgt freilich auch das Risiko, dass nach wahltaktischen Überlegungen entschieden wird statt mit Blick auf die langfristige Entwicklung der Hansestadt.
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