Die Union und die Debatte über ein AfD-Verbot: Mit der Kraft der Mitte

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Radikal: Die AfD stellte im Juli 2023 in Magdeburg ihre Kandidaten für die Europawahl auf – mehrere Bewerber forderten „Remigration“.

Man kann dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder nicht vorwerfen, dass er die AfD verharmlost. Schon vor gut fünf Jahren sagte er, die AfD sei nicht bloß Protestpartei. Es gebe eine „versteckte, geheime Agenda“. Für ihn sei klar, wer „der eigentliche Spiritus Rector“ der AfD sei: Björn Höcke. Insbesondere die bayerische AfD, die enge Verbindungen zum Chef der Thüringer AfD pflegt, tut gerade viel, um die seit 2022 laufende Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu rechtfertigen. Gegen den Landtagsabgeordneten Daniel Halemba wird unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt, am Rande des jüngsten AfD-Landesparteitags fielen zwei Landtagsabgeordnete als Teil einer Gruppe auf, die in einer Diskothek „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ skandierte.

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Sieht ein Verbotsverfahren als „allerletztes Mittel“: Hendrik Wüst

Insbesondere die Landtagsfraktion ist seit der Wahl im Herbst extrem weit nach rechts gerückt – die Fraktionsführung scheint das nicht zu stören. Sie hat sich hinter Halemba gestellt, dem auch Tricksereien bei seiner Nominierung zur Wahl vorgeworfen werden. Die Causa sei „erledigt“, so Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner. Söder schrieb dazu auf der Plattform X: „Unerträglich! Nix ist erledigt! Die AfD im Landtag ist noch radikaler als die eigene Landespartei! Wieder ein Beleg für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD.“ Jedoch: Verbieten lassen will er sie nicht.

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Hält ein Verbot nicht für den richtigen Weg: Markus Söder

Ähnlich positionierten sich zuletzt auch andere führende Unionspolitiker. Sie kritisierten die AfD einerseits scharf, als Bedrohung für die Demokratie oder „Nazi-Partei“. Andererseits sprachen sie sich nicht für den vermeintlich naheliegendsten Schritt im Kampf gegen die Partei aus: ein Verbotsverfahren. Auch nicht, nachdem „Correctiv“ über ein Geheimtreffen von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern berichtet hatte, bei dem demnach darüber beraten wurde, wie Ausländer oder Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland vertrieben werden könnten. Aus der Union hieß es zuletzt vor allem, man solle die AfD inhaltlich stellen.

Wüst: AfD ist „Nazi-Partei“

Fragt man nach den Gründen für diese Haltung, bekommt man unterschiedliche Antworten. Söder sagte der F.A.S.: „Ein Verbot der AfD ist mit großer Unsicherheit verbunden und deshalb nicht der richtige Weg.“ Offenbar fürchtet er, dass die Partei zu groß ist, um ohne gesellschaftliche Verwerfungen verboten werden zu können – von der Gefahr, dass eine neue Partei gegründet wird, zu schweigen.

Wichtig aus Söders Sicht: Die zuständigen Behörden sollten genau herausarbeiten, ob die AfD offen verfassungsfeindlich agiert. Dafür gebe es immer mehr Indizien. „Sind AfD-Mitglieder erkennbare Verfassungsfeinde, braucht es Konsequenzen: etwa die Unvereinbarkeit mit dem öffentlichen Dienst oder Beschränkungen bei der Parteienfinanzierung.“ Er habe Vertrauen in die Arbeit der Behörden. „Die demokratische Politik wird dann konsequent handeln.“

Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) beschrieb die AfD immer wieder mit drastischen Begriffen, die auf den ersten Blick nahelegen, dass er ein Verbotsverfahren anstrebt. Im September äußerte er in einem F.A.Z.-Interview, die AfD sei demokratiefeindlich und menschenverachtend. „Herr Höcke, die entscheidende Person in dieser Partei, ist ein Nazi, und deshalb sage ich: Die AfD ist eine Nazi-Partei.“ Doch ein Verbotsverfahren ist für Wüst nur eines von mehreren Mitteln im Ringen mit der AfD – neben der politischen Auseinandersetzung und der Beschäftigung mit den Problemen, die die Bürger beschäftigen.

Nach dem Willen der Mütter und Väter des Grundgesetzes sollte die zweite deutsche Demokratie wehrhaft sein. Deshalb habe das Parteiverbot sogar Verfassungsrang. Aber es sei das große Dilemma der Demokratie, dass sie an die Grenzen ihrer eigenen freiheitlichen Grundwerte stoße, wenn sie eine Partei verbiete, sagte Wüst. Ein Parteiverbot könne deshalb immer nur das allerletzte Mittel sein. „Es gibt in Deutschland keine Freiheit zur Beseitigung der Freiheit und darf sie niemals geben. Dennoch ist ein überstürzter Gang nach Karlsruhe nicht das Gebot der Stunde“, so Wüst.

„Jetzt muss der harte politische Kampf aller Demokraten gegen die AfD im Mittelpunkt stehen – und eine gewissenhafte Vorbereitung der Bundesregierung und der Sicherheitsbehörden auf das, was später einmal nötig werden könnte.“ Wüst sagte weiter, ein gut vorbereitetes Verbot nicht auszuschließen sei „ein Gebot der Vernunft“. „Das Wichtigste aber ist: Ein Antrag auf Verbot der AfD sollte nur dann gestellt werden, wenn Zweifel ausgeräumt sind.“

Vor allem führe an der politischen Auseinandersetzung mit der AfD kein Weg vorbei, betonte Wüst. „In vielen deutschen Städten, gerade auch in Nordrhein-Westfalen, zeigt sich in diesen Tagen die ganze Kraft der demokratischen Mitte“, sagte er mit Blick auf Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, an denen sich zuletzt regelmäßig deutlich mehr Personen beteiligten als von den Organisatoren erwartet. In Köln etwa waren am Dienstagabend ursprünglich 1000 Demonstranten angemeldet – es kamen trotz schneidender Kälte rund 30.000.

Peters hält „überhaupt nichts“ von einem Verbotsverfahren

„Dieses Signal der Bevölkerung gegen den Rechtsextremismus zeigt: Unsere Demokratie lebt“, sagte Wüst. Die demokratischen Parteien müssten nun „in einer Allianz der Mitte das Migrationsproblem entschlossen lösen“. Die Union „als einzig verbliebene Volkspartei“ stehe dafür „jederzeit bereit“.

Mit seiner Positionierung nimmt Wüst auch Rücksicht auf die Einschätzung vieler seiner Parteifreunde in den ostdeutschen Ländern. Jüngst warnte unter anderem der mecklenburg-vorpommersche Abgeordnete Philipp Amthor in der Unionsbundestagsfraktion, dass die AfD-Verbotsdiskussion im Osten schade. In Mecklenburg-Vorpommern wird zwar im Herbst nicht der Landtag gewählt, doch wie in den anderen ostdeutschen Bundesländern liegt dort die AfD mittlerweile in den Umfragen weit vor allen anderen Parteien.

Die von der Sozialdemokratin Manuela Schwesig geführte rot-rote Landesregierung wäre derzeit weit entfernt von einer Mehrheit, und auch für die Landes-CDU ist die Lage schwierig – sie erhielt bei der jüngsten Umfrage im September nur 18 Prozent. Kürzlich hatte der bisherige CDU-Partei- und Fraktionschef im Land, Franz-Robert Liskow, seinen Rückzug angekündigt. Aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge ist der bisherige CDU-Generalsekretär Daniel Peters, der vor allem in der Migrationspolitik als Hardliner gilt.

Peters sagt nun der F.A.Z., der bisherige Umgang mit der AfD führe nicht dazu, dass die Partei schrumpfe. „Den Menschen brennen große Sorgen unter den Nägeln, unter anderem die nach wie vor ungebremste Migration sowie eine verheerende Energie-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Stichwort Bürgergeld.“ Bei diesen Themen brauche es vernünftige Antworten. „Was das Thema Migration angeht, macht es Dänemark doch vor. Die rechtspopulistische Partei ist dort praktisch verschwunden – auch infolge einer Migrationspolitik, die sich am Machbaren orientiert und nicht an ideologischen Wunschträumen.“ Peters hält „überhaupt nichts“ von einem Verbotsverfahren gegen die AfD. „Eine Demokratie muss aus sich heraus die Kraft entwickeln, die extremen politischen Ränder in den Griff zu bekommen. Ein Verbot der AfD dürfte die politische Stimmungslage nochmals verschärfen.“

Ganz anders ist die Tonlage im benachbarten Schleswig-Holstein. Bei der Wahl im Mai 2022 war dort die AfD wieder aus dem Landtag geflogen, was man an der Spitze der Landes-CDU als Bestätigung des liberalen Kurses von Ministerpräsident Daniel Günther wertet.

Zwar erhielt die AfD im Land zuletzt wieder etwas mehr Zustimmung und lag in Umfragen bei rund zwölf Prozent, Günthers CDU aber steht stabil bei um die 40 Prozent. Entsprechend selbstbewusst und eindeutig sprach sich Günther zuletzt für ein Verbot der Rechtspopulisten aus. Die AfD sei eine „echte Bedrohung für unsere Demokratie“ sagte er der „Welt am Sonntag“, sie sei in drei Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuft, in zweien dieser Länder habe sie im Herbst gute Aussichten, stärkste Kraft zu werden. „In einem solchen Moment sollte eine wehrhafte Demokratie die Instrumente, die ihr zu ihrem eigenen Schutz zur Verfügung stehen, auch nutzen“, so Günther.

Auch gegen AfD-Wähler teilte er aus. In der ARD sagte er, es sei eine „Ausrede“ zu sagen, dass die Menschen mit der Wahl der AfD nur ihren Protest zum Ausdruck brächten. Die Zeiten, in denen man Menschen das durchgehen lassen konnte, seien vorbei, so Günther.

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