Was in Taiwan auf dem Spiel steht

was in taiwan auf dem spiel steht

Gute Stimmung auf einer Wahlveranstaltung der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei in Taipeh.

Kurz vor den Wahlen in Taiwan haben die Vereinigten Staaten, Japan und Südkorea noch einmal die Bedeutung von Frieden und Stabilität in der Meerenge zwischen der Insel und Festlandchina betont. Eine freie Durchfahrt durch die Taiwan-Straße sei unverzichtbar für die Sicherheit und den Wohlstand der internationalen Gemeinschaft, schrieben sie in einer gemeinsamen Stellungnahme nach ihrem ersten trilateralen Indo-Pazifik-Dialog, an dem Diplomaten der drei Staaten teilnahmen.

Es ist unter anderem die Bedeutung dieser Meerenge für den Welthandel, die die Wahlen an diesem Samstag aus Sicht vieler Staats- und Unternehmenslenker zu einem der wichtigsten politischen Ereignisse des Jahres machen. Weil sie eine wichtige Verbindung von Ostasien in die westlichen Staaten darstellt, fährt gut die Hälfte des gesamten See-Welthandels durch die Taiwan-Straße. Schaut man nur auf die Fracht auf den größten Containerschiffen der Welt, müssen sogar 90 Prozent durch das Nadelöhr hindurch.

Sollte China wie vielerorts befürchtet tatsächlich versuchen, seine Machtansprüche gegen Taiwan militärisch durchzusetzen und dadurch den Seeweg unpassierbar machen, würde das den Welthandel weit zurückwerfen. Waren im Wert von 2,6 Billionen Dollar wären betroffen, sagte im vergangenen Jahr der damalige britische Außenminister James Cleverly und warnte: „Kein Land der Welt könnte sich vor den Auswirkungen schützen.“

„Beide Seiten der Taiwan-Straße bilden eine Familie“

Chinas Staatspräsident Xi Jinping bekräftigte gerade erst in seiner Neujahrsansprache, dass China und Taiwan „sicherlich wiedervereint“ würden. Doch das demokratisch und autonom regierte Taiwan war nie Teil der Volksrepublik China. Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen am Samstag könnte mit darüber entscheiden, mit welchen Mitteln China seine Machtansprüche auf der Insel geltend machen wird. Der Kandidat Lai Ching-te von der regierenden Fortschrittspartei (DPP) steht für eine engere Hinwendung zu den Vereinigten Staaten und dem Westen und weg von China. Sein aussichtsreichster Gegenkandidat Hou Yu-ih von der Partei Kuomintang steht für eine weitere Annäherung an China. Hou plädiert aber zugleich für mehr Rüstung, um China vor einem Angriff auf Taiwan abzuschrecken. Der dritte Aspirant Ko Wen-je von der vor wenigen Jahren gegründeten Volkspartei positioniert sich als Verfechter eines Mittelwegs, betont aber gerne: „Beide Seiten der Taiwan-Straße bilden eine Familie.“

Neben der Bedeutung des Handelswegs ist es die taiwanische Chipindustrie, die das Land mit 20 Millionen Einwohnern auf der Größe Baden-Württembergs zu einem Herzstück der gesamten Weltwirtschaft macht. Im Jahr 2023 kam nach Zahlen des Marktforschungsunternehmens Trendforce fast die Hälfte aller Halbleiter, die in Elektrogeräten, Computern und Autos in aller Welt verbaut sind, aus Taiwan. Bei den besonders leistungsstarken Mikrochips, die zum Beispiel für Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz benötigt werden, liegt der Marktanteil sogar bei vier Fünfteln.

Vor allem der Auftragsfertiger Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) sorgt als Zulieferer aller großen Technologiekonzerne für diese Marktkonzentration. Zwar baut der Konzern – angelockt mit hohen Milliardensubventionen – derzeit neue Fabriken in den Vereinigten Staaten, Japan und auch in Dresden. Doch das Halbleiter-Ökosystem mit Hochleistungsfabriken, Forschungseinrichtungen und Heerscharen von Chip-Spezialisten, das sich über die Jahre in Taiwan entwickelt hat, wird sich nach Ansicht von Fachleuten nicht so schnell woanders nachbilden lassen.

Auch für Festlandchina ist Taiwan ein bedeutender Wirtschaftspartner

Viele Beobachter ziehen das als Argument dafür heran, warum China selbst kein Interesse an einem Krieg mit der Insel habe. Trotz scharfer politischer Konflikte wurden die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Festlandchina und Taiwan beginnend mit den Neunzigerjahren für einige Zeit immer enger. Richtiges Tauwetter gab es vor rund anderthalb Jahrzehnten, als die ersten Direktflüge nach sechzig Jahren und ein Freihandelsabkommen vereinbart wurden.

Damals regierte in Taipeh Präsident Ma Ying-jeou von der Kuomintang. Aus Dutzenden Städten in Festlandchina gibt es heute direkte Flugverbindungen nach Taiwan. Zeitweise gingen mehr als vier Fünftel der taiwanischen Auslandsinvestitionen nach Festlandchina. Heute machen Halbleiter und andere elektronische Güter nach Angaben der taiwanischen Außenhandelsbehörde drei Fünftel der Ausfuhren nach Festland-China aus und stehen für gut zwei Fünftel der Einfuhren aus der Volksrepublik.

Peking setzt gegenüber Taipeh auf Zuckerbrot und Peitsche. Die zeitweise engen wirtschaftlichen Beziehungen sollten die Stimmung zugunsten Festlandchinas drehen. Auch jetzt setzt China auf dieses Mittel. Ende Dezember hob Peking einen Importbann für Fische aus Taiwan auf. In dieser Woche veröffentlichte China einen Plan, um die wirtschaftliche Integration über die Taiwan-Straße hinweg zu verbessern. Das zeige, dass Festlandchina guten Willens sei, schrieben chinesische Staats- und Parteimedien, was im „starken Gegensatz“ zur Abspaltungsrhetorik der in Taipeh regierenden DPP stehe, die nicht im Interesse der Region sei.

Peking baut auch auf einflussreiche Unternehmer wie Terry Gou, den Gründer des taiwanischen Elektronikriesen Foxconn, der in Festlandchina etwa als Auftragsfertiger für Apple tätig ist. Gou war wie schon vor vier Jahren kurzzeitig in das Präsidentenrennen eingestiegen, hatte sich aber auch nach Warnungen aus Peking wieder zurückgezogen. Seine Kandidatur drohte, die Stimmen der Festland-freundlichen Parteien aufzuspalten.

Handel mit China ist rückläufig

Neben dem Zuckerbrot kommt auch die Peitsche zum Einsatz, die häufig als ökonomische Erpressung beschrieben wird. Immer wieder verhängt Peking Handelsbeschränkungen, etwa für landwirtschaftliche Produkte aus Taiwan, für die es in der Region kaum nennenswerte andere Abnehmer gibt. Im Dezember warf China Taiwan als Ergebnis einer Untersuchung den Aufbau von Handelshemmnissen vor und setzte Steuererleichterungen für etliche chemische Produkte aus Taiwan aus. Taiwan hatte vergangenes Jahr den Import von Tausenden chinesischen Gütern beschränkt. Peking drohte nun, die zuständigen Behörden würden prüfen, die Zoll- und Steuererleichterungen für weitere Produkte zu pausieren.

Wirklich von Erfolg geprägt war Chinas Politik in den vergangenen Jahren nicht. Zwar gehen nach Angaben der taiwanischen Außenhandelsbehörde weiterhin mehr als ein Drittel der Ausfuhren in Richtung Festlandchina und Hongkong, von wo auch ein Fünftel der Einfuhren kommen. Allerdings ist die Tendenz stark rückläufig. Allein im vergangenen Jahr sank die Einfuhr um ein Siebtel und die Ausfuhr um ein Fünftel.

Anders als die meisten anderen Länder hat Taiwan eine positive Handelsbilanz mit China und Hongkong. Der Export dorthin war im vergangenen Jahr mehr als doppelt so groß wie der Import. Taiwans Investitionen in China sind von dem hohen Niveau vor anderthalb Jahrzehnten eingebrochen und machten vergangenes Jahr nur noch gut ein Zehntel aus. Viel mehr Geld als zuvor floss derweil nach Amerika und Deutschland in die neuen Halbleiterfabriken.

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