Neue Gräber auf einem Friedhof in Bachmut. Am 24. Februar jährt sich der Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zum zweiten Mall.
In der vergangenen Woche hat sich die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestags zur Lieferung weitreichender Waffen und zur uneingeschränkten Unterstützung der ukrainischen Kriegsziele bekannt: Wiedererlangung der„vollen territorialen Integrität“ in den 1991 anerkannten Grenzen. Die Reaktion der Leitmedien ist durch die Bank positiv. Unter dem Titel „Sie sind mutiger als der Kanzler“ kommentiert die linksliberale ZEIT: „Endlich! Die Ampelfraktionen schaffen in Sachen Ukraine und Russland Klarheit, die Olaf Scholz vermissen lässt.“
Distanz oder Skepsis angesichts des vom Westen propagierten Kriegskurses dem russischen Angreifer gegenüber wird in Deutschland nur noch an den politischen Rändern laut. Dort wird das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) verortet. Am zweiten Jahrestag des russischen Kriegs in der Ukraine stellt der BSW-Kandidat für die Europawahlen, der ehemalige UN-Diplomat und Assistant Secretary-General der Vereinten Nationen Michael von der Schulenburg (75), der herrschenden Linie den öffentlichen Aufruf entgegen: „Nur Friedensverhandlungen können die Ukraine noch retten – der Ukrainekrieg darf nicht in ein drittes Jahr gehen.“
Am 24. Februar jährt sich die Invasion russischer Truppen in die Ukraine zum zweiten Mal und damit der Ausbruch des größten, brutalsten und gefährlichsten Krieges auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg. Dieser Krieg hat bisher auf beiden Seiten mehrere hunderttausende Tote sowie schwerst verwundete und seelisch verkrüppelte meist sehr junge Menschen gefordert. Dieser enorme Blutzoll hat uns einer Lösung des Konflikts keinen Schritt nähergebracht – im Gegenteil, eine friedliche Lösung wird täglich schwieriger. Wie lange soll das Töten weitergehen, bis wir endlich Empathie mit dem Leiden des ukrainischen Volkes fühlen und die Vernunft dem Leiden ein Ende setzt?
Der russische Angriff ist illegal, und niemand darf das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung in Zweifel ziehen. Aber dieses Recht darf nicht in die Zerstörung des ganzen Landes ausarten. Und es sind nicht nur russische Waffen, sondern auch die von Nato-Ländern gelieferten Waffen, die auf ukrainischem Territorium eingesetzt werden. Sie sind also gleichermaßen für das Leiden und die sukzessiven Zerstörungen des Landes verantwortlich. Das kann und darf nicht Ziel unserer Politik sein, es würde uns eine schwere Schuld aufbürden.
Für die Ukraine hat sich die militärische Lage zunehmend besorgniserregend entwickelt, und es besteht kaum noch eine realistische Chance, dass die Ukraine den Krieg gewinnen könnte. Erschwerend für die Ukraine findet eine Entvölkerung des Landes mit gleichzeitiger Veralterung und Verarmung der dort verbleibenden Menschen statt. Zusätzlich wird das Land durch Korruption, zunehmende interkommunale Differenzen und innenpolitische Konflikte geschwächt, während die militärischen und finanziellen Unterstützungen der Nato-Länder drastisch abnehmen.
Kriege fordern in den Abnutzungs- und Endphasen die meisten Opfer. Dass es dazu kommt, dürfen wir nicht zulassen. Die Fortsetzung des Krieges wäre unverantwortlich, denn sie würde die Ukraine zerstören und ihren Bürgern eine lebenswerte Zukunft nehmen.
Auch für die Menschen in der Europäischen Union und insbesondere in Deutschland würde eine Weiterführung des Krieges zu immer größeren negativen Konsequenzen führen. Der Niedergang des europäischen Wirtschaftsstandorts mit der Folge einer hohen Schuldenlast für die folgenden Generationen, der zunehmenden Unfähigkeit der Regierungen, ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden und das Notwendige in eine lebenswerte Zukunft der Menschen zu investieren, wird soziale Ungerechtigkeiten sowie innerstaatliche Gegensätze und politische Spannungen verschärfen. Wir würden die Risiken für unsere offene, pluralistische Gesellschaft ebenso wie für die demokratische Ordnung erhöhen. Mit einer Fortsetzung oder gar einer Ausweitung und Eskalation des Krieges setzen wir die Menschen in Europa zunehmend der Gefahr eines unkontrollierbaren, vielleicht sogar nuklearen Krieges aus.
Die Ukraine braucht Frieden – Europa braucht Frieden, und dieser Frieden kann nur durch einen Waffenstillstand mit darauffolgenden Friedensverhandlungen erreicht werden. Diesen Krieg auf europäischem Boden zu beenden, ist unsere europäische Verantwortung. Er darf nicht in ein weiteres Jahr gehen und zu noch mehr sinnlosen Opfern führen. Deshalb erinnere ich die Bundesregierung an die ihr von der Verfassung auferlegte Verpflichtung, dem Frieden der Welt zu dienen, und fordere sie daher mit allem Nachdruck auf, gemeinsam mit unseren europäischen Verbündeten und Partnern und der ukrainischen Regierung alles zu unternehmen, um einen sofortigen Waffenstillstand und die Aufnahme von Friedensverhandlungen zu erreichen.
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