Scholz verhinderte von der Leyen – nun ist ein Niederländer Favorit als Nato-Chef

Nach Informationen von WELT AM SONNTAG hat der Bundeskanzler verhindert, dass Ursula von der Leyen künftige Nato-Generalsekretärin wird. Offenbar gefiel dem Sozialdemokraten ihr Russland-Kurs nicht. Nun hat der scheidende Premier MarK Rutte gute Chancen.

scholz verhinderte von der leyen – nun ist ein niederländer favorit als nato-chef

Der scheidende niederländische Premier Marc Rutte picture alliance/ANP

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Ende vergangenen Jahres verhindert, dass EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen neue Nato-Generalsekretärin wird. Das bestätigen mehrere hochrangige EU-Beamte und Spitzendiplomaten unabhängig voneinander dieser Zeitung. „Scholz war kategorisch dagegen, dass von der Leyen Nato-Chefin wird“, hieß es in informierten Kreisen.

US-Außenminister Antony Blinken hatte demnach seinem Präsidenten Joe Biden von der Leyen vorgeschlagen. Biden wendete sich daraufhin mit der Idee an Scholz, und der Kanzler lehnte ab. Für Scholz soll der Posten des Nato-Chefs zu wichtig gewesen sein, als dass er ihn einer Christdemokratin aus Deutschland überlassen wollte.

Dagegen habe das Amt der Kommissionschefin aus Sicht von Scholz deutlich weniger Bedeutung, hieß es weiter in informierten Kreisen. Zudem ist Ursula von der Leyen aus Sicht von Scholz offenbar zu kritisch gegenüber Moskau, was sich aus Sicht des Kanzlers langfristig als Nachteil erweisen könnte. In von der Leyens Umfeld hieß es in der Vergangenheit dagegen immer wieder, die Kommissionspräsidentin stünde für das Amt der Generalsekretärin der Nato generell nicht zur Verfügung.

Entscheidung noch vor Juni

Allerdings ist nach Ansicht von EU-Kreisen auffallend, mit welcher „Leidenschaft und Entschlossenheit“ sich von der Leyen außenpolitisch engagiert und wie sie sich persönlich immer wieder um den Ukraine-Krieg und die Krise im Gazastreifen kümmert. Das führt zeitweilig auch zur Verärgerung bei EU-Ratspräsident Charles Michel und dem EU-Chefdiplomaten Josep Borrell.

Gleichzeitig verdichten sich die Anzeichen, dass nun der scheidende Ministerpräsident Mark Rutte Nato-Generalsekretär wird und damit Jens Stoltenberg nach zehn Jahren im Amt im Oktober dieses Jahres ablösen wird. „Die Entscheidung soll möglichst noch vor den Europawahlen im Juni fallen“, sagte ein hochrangiger Nato-Diplomat. In Diplomatenkreisen hieß es weiter, Rutte führe derzeit viele Gespräche, und „die Unterstützung für ihn steigt“.

Rutte will auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz einige Gespräche mit Regierungschefs aus Nato-Ländern führen. Die Regierungen in Washington, London, Paris und Berlin stehen schon lange fest hinter seiner Kandidatur. Offene Bedenken gibt bisher nur noch von Ungarn. 21 Staaten haben bereits ihre Unterstützung für Rutte signalisiert, nach München dürften es noch ein paar mehr werden.

Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als mache Dänemarks sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen das Rennen. Sie war zunächst eine Favoritin von US-Präsident Joe Biden und hatte den Rückhalt wichtiger europäischer Regierungschefs. Dann patzte die Dänin im Juni vergangenen Jahres bei einem Besuch in Washington und trat, wie WELT AM SONNTAG erfuhr, bei internen Gesprächen weder aus Sicht Bidens noch nach Ansicht wichtiger Kongressabgeordneter überzeugend auf.

Die Regierung des 57-jährigen Rutte war im Juli bei einem Streit über die Familienzusammenführung von Kriegsflüchtlingen zerbrochen. Bis zur Bildung einer neuen Regierung will er aber noch im Amt bleiben. Er hatte bereits im Oktober sein Interesse an dem Nato-Chefposten bekundet. Aus Sicht von Beobachtern war das zu früh, geschadet hat es ihm aber offenbar nicht. Anders als von der Leyen, die US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump regelmäßig während seiner Amtszeit als US-Präsident (2017–2021) kritisiert hatte, unterhält Rutte gute Beziehungen zu dem streitbaren Amerikaner. Im Sommer 2019 sagte Trump über Rutte: „Wir sind Freunde geworden in den vergangenen Jahren.“ Die guten Beziehungen zu Trump könnten für den Niederländer als wahrscheinlichem neuen Nato-Chef noch wichtig werden, falls Trump wieder Präsident der USA werden sollte.

Washington hatte lange Zeit eine Frau als neue Nato-Chefin bevorzugt, die jedoch zugleich hätte in der Lage sein sollen, nach einem möglichen Ende des Ukraine-Kriegs belastbare Beziehungen zu Moskau aufzubauen. Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas kam aus Sicht Bidens nie infrage, weil sie als zu kritisch gegenüber dem Kreml gilt. Neuerdings steht sie sogar auf einer „Fahndungsliste“ Moskaus. Weitere Frauen schafften es nicht in die engere Auswahl.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World