Faktencheckerinnen und -checker werden schikaniert, bedroht und sind finanziell bedrängt

Von Indien und Südkorea bis nach Kroatien und Nordmazedonien kämpfen Faktencheck-Organisationen in einem wichtigen Wahljahr gegen eine ständig anwachsende Flut von Falschinformationen und sehen sich mit rechtlichen Drohungen, Schikanen und Finanzierungsengpässen konfrontiert.

Faktencheckerinnen und Faktenchecker sind weitgehend unterfinanziert und werden vermehrt Ziel von Angriffen. In diesem Jahr haben sie alle Hände voll zu tun, da in Dutzenden von Ländern Wahlen abgehalten werden – eine Zeit, in der die Verbreitung von Unwahrheiten in der Regel extrem zunimmt.

Die Widerlegung gefälschter politischer Behauptungen und Falschmeldungen, die die Integrität von Wahlen bedrohen, wird von einigen Forscherinnen und Forschern als Sisyphusarbeit bezeichnet. Sie bringt eine ganze Reihe von Herausforderungen mit sich, die den Druck auf Faktencheckerinnen und Faktenchecker in einem entscheidenden Jahr noch erhöhen.

Laut einer neuen Umfrage des International Fact-Checking Network (IFCN), an der 137 Organisationen aus 69 Ländern teilnahmen, besteht die größte Herausforderung in der Beschaffung von finanziellen Mitteln zur Aufrechterhaltung der Arbeit.

Das FactCheck Center der Seoul National University (SNU) – die einzige Plattform zur Überprüfung von Fakten in Südkorea – steht möglicherweise vor der Schließung, da sein größter Geldgeber – das Suchmaschinenunternehmen Naver – im vergangenen Jahr seine finanzielle Unterstützung eingestellt hatte.

Naver lehnte es ab, sich zu den Gründen dafür zu äußern, aber die Direktorin des SNU FactCheck Center, Eunryung Chong, glaubt, dass “politischer Druck” von der regierenden konservativen Partei der Macht des Volkes (PPP) der “größte Faktor” war.

Das SNU FactCheck Center wurde von der PPP der Befangenheit bezichtigt – ein Vorwurf, den es strikt zurückweist.Diese Entwicklung folgt auf die Schließung einer anderen Einrichtung, nämlich Fact-Check Net – nachdem die Regierung im vergangenen Jahr die Finanzierungsmittel drastisch gekürzt hatte.

“Informationskriegsführung”

“Faktenprüferinnen und Faktenprüfer sehen sich mit einer wachsenden Menge an Falschinformation konfrontiert, haben jedoch nur begrenzte Ressourcen für die Berichterstattung und Veröffentlichung”, sagte Angie Drobnic Holan, Direktorin des IFCN, gegenüber AFP.

“Es gibt auch rechtliche und digitale Kampagnen gegen Faktenprüfende – diese werden von Menschen betrieben, die es bevorzugen würden, wenn Fakten nicht auf der Grundlage von Beweisen und Logik geprüft werden, da sie an einer ‘rabiateren Informationskriegsführung’ interessiert sind.”Die IFCN-Umfrage ergab, dass etwa 72 Prozent der Organisationen mit Schikanen konfrontiert waren, während viele auch von physischen und rechtlichen Drohungen berichteten.

Die kroatische Faktencheck-Website Faktograf.hr sah sich gezwungen, in Sicherheitsmaßnahmen zu investieren, nachdem Mitarbeitende Morddrohungen erhalten hatten und Reporterinnen sexistisch angegriffen worden waren, so die Geschäftsführerin Ana Brakus gegenüber AFP.In einer Textnachricht wurde ein Mitarbeitender davor gewarnt, dass man ihm “die Finger abschneiden” würde.

“Wir mussten Wege finden, um mit dieser Art von Stress umzugehen”, ohne dass unsere Mission, Fakten zu überprüfen, dadurch in Mitleidenschaft gezogen würde, sagte Brakus und fügte hinzu, dass die Organisation ihren Mitarbeitenden psychologische Unterstützung anbiete.

In Indien, dem Land mit den meisten zertifizierten Faktenprüferinnen und Faktenprüfern weltweit, wurde Premierminister Narendra Modi – der bei den bevorstehenden Parlamentswahlen eine dritte Amtszeit in Folge anstrebt – vorgeworfen, unabhängige Medien zu unterdrücken.

Mohammed Zubair, Mitbegründer von Alt News und häufige Zielscheibe von Zurechtweisungen der Regierung, sieht sich weiterhin rechtlichen Drohungen ausgesetzt, nachdem er 2022 kurzzeitig inhaftiert wurde, weil er vier Jahre zuvor in einem Posting einen Hindi-Gott beleidigt haben soll. Während einer Spendenaktion auf X schrieb Zubair, indische Medienorganisationen seien “gezwungen, sich selbst zu zensieren” und in einigen Fällen “zu Sprachrohren der Regierung zu werden”.

faktencheckerinnen und -checker werden schikaniert, bedroht und sind finanziell bedrängt

Mann geht am 22. März 2018 in Indien an einer Wandmalerei vorbei, auf der verschiedene Social-Media-Unternehmen abgebildet sind MANJUNATH KIRAN AFP

“Existenzielle Bedrohungen”

Mit ihren knappen Budgets müssen viele Faktenprüfende auf externe finanzielle Unterstützung zurückgreifen, um sich gegen die “existenziellen Bedrohungen” zu verteidigen, die – oftmals unseriöse – Klagen darstellen, so der IFCN-Bericht.In einigen Fällen sind auch Faktenprüferinnen und Faktenprüfer selbst Ziel von Desinformation.

Truthmeter, der Faktenprüfungsdienst der in Nordmazedonien ansässigen Metamorphosis Foundation, sah sich Anfang des Jahres mit einer umfassenden Verleumdungskampagne konfrontiert, nachdem Faktenchecks von Facebook-Beiträgen zu Anschuldigungen geführt hatten, dass Inhalte dadurch zensiert würden.

Die Kampagne eskalierte in Beleidigungen, Verleumdungen und “schlecht getarnten Aufrufen zur Gewalt” gegen ihre Mitarbeitenden, so der Faktenprüfungsdienst in einer Mitteilung an seine Leserschaft.”Wir sind uns darüber im Klaren, dass solche Desinformationskampagnen voller Angriffe, Manipulationen, Drohungen und Hassreden weitergehen werden, insbesondere in der Zeit vor den Wahlen”, hieß es, während sich Nordmazedonien auf die Präsidentschaftswahlen Ende des Monats vorbereitet.

Die Moderation von Inhalten in sozialen Medien ist selbst in hochentwickelten Volkswirtschaften wie den Vereinigten Staaten – wo im November Präsidentschaftswahlen stattfinden – zu einem brisanten Thema geworden, da viele Nutzerinnen und Nutzer die Überprüfung von Fakten mit Zensur gleichsetzen.”Wer überprüft Faktenprüfer?’ ist eine häufige Reaktion auf unsere Arbeit”, sagte Eric Litke, Leiter eines in den USA ansässigen Faktenchecks. Er betonte, wie bedeutend Transparenz sei, um das Vertrauen der Leserschaft zu gewinnen.

Faktencheck-Organisationen wie beispielsweise AFP Faktencheck – die im Rahmen des Faktencheck-Programms von Meta Fehlinformationen widerlegen – sehen sich online regelmäßig mit Beschimpfungen von Menschen konfrontiert, die ihre Texte anzweifeln – und das, obwohl diese Menschen manchmal offensichtlich Falschinformation verbreiten. “Ich habe beobachtet, wie diese Bewegung Faktenprüfende als Teil eines ‘Zensur- Industriekomplexes’ bezeichnet”, sagte Holan.”Ironischerweise zielt dieses zutiefst irreführende Argument selbst darauf ab, Kritik und Debatten zu unterdrücken.”

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