Fans von Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Sioux Center (Iowa) am 5. Januar.
Am Montag beginnt der US-Wahlzirkus 2024. Es könnte erneut zum Duell zwischen Joe Biden und Donald Trump kommen, obwohl beide höchst unbeliebt sind. Entsprechend übel dürfte der Wahlkampf werden.
Selbst Barack Obama ist besorgt. Bei einem privaten Lunch im Weissen Haus soll der Ex-Präsident seinem ehemaligen Vize Joe Biden ins Gewissen geredet haben, berichtete die «Washington Post». Er brauche Verstärkung für sein Wahlkampfteam, am besten mit Leuten, die ihn selbst zu zwei Wahlsiegen geführt hätten, sagte Obama demnach.
Damit drückte er die unter den Demokraten verbreitete Befürchtung aus, der US-Präsident und seine Entourage würden die Wahl am 5. November auf die gar leichte Schulter nehmen. Angesichts von Bidens schwachen Umfragewerten erstaunt dies wenig. Zumal beim heutigen Stand ein «Rematch» mit seinem Vorgänger Donald Trump droht.
Barack Obama hatte eine klare Botschaft für Joe Biden.
Dieser ist in nationalen Umfragen ähnlich unbeliebt wie Biden. Doch er hat seine Niederlage 2020 nie akzeptiert. Bis heute verbreitet er das Märchen von der gestohlenen Wahl. Auch sonst dreht seine Kampagne bereits auf Hochtouren, obwohl kaum etwas darauf hindeutet, dass ihm die Nomination als Kandidat der Republikaner zu nehmen sein wird.
Trump hat die Partei im Griff
Trotz zwei Impeachment-Prozessen im Kongress und diversen juristischen Verfahren scheint Trump die Partei stärker im Griff zu haben als je zuvor. Er konnte es sich leisten, in jeder der bisherigen Fernsehdebatten durch Abwesenheit zu glänzen. In den Umfragen liegt er dennoch klar vorn, auch im Staat Iowa, wo am Montag die erste Vorwahl stattfindet.
Eine US-Präsidentschaftswahl war noch nie eine Angelegenheit für Zartbesaitete. Schon die beiden Wahlkämpfe zwischen John Adams und Thomas Jefferson 1796 und 1800 (das erste Mal siegte Adams, das zweite Mal sein Rivale) waren durch Attacken unter der Gürtellinie geprägt. Mit Donald Trump aber dürfte das Wahljahr 2024 besonders schmutzig werden.
Das Feld lichtet sich
Die Frage vor dem Start in Iowa lautet deshalb: Kann Trump gestoppt werden? Das Feld seiner Herausforderer hat sich in den letzten Monaten gelichtet. Als einer der Ersten warf Ex-Vizepräsident Mike Pence das Handtuch. Am Mittwoch folgte Chris Christie. Der ehemalige Gouverneur von New Jersey war der Einzige, der Trump frontal angegriffen hatte.
Vorerst im Rennen verbleibt Ron DeSantis. Doch der Gouverneur von Florida und einstige Hoffnungsträger der Anti-Trumper war von Anfang an ein kompletter Reinfall und gilt als erledigt. Gleiches gilt für den «Quereinsteiger» und Trump-Verehrer Vivek Ramaswamy. Es genügt halt nicht, auf ChatGPT die Frage «Wie wird man US-Präsident?» einzutippen.
Der Schlachtplan von Nikki Haley
Bleibt nur Nikki Haley, Trumps ehemalige UNO-Botschafterin. Sie setzt auf eine Koalition von republikanischen Wählern, die Trump komplett ablehnen – also Leuten wie Liz Cheney und Mitt Romney –, und jenen, die Trump und seine Politik zwar mögen, aber seine Schattenseiten nicht ausblenden und offen wären für eine brauchbare Alternative.
Mit ihnen könnte sie eine Mehrheit bilden, denn die «unbelehrbaren» Trump-Fans machen nur etwa 20 bis 30 Prozent der Parteibasis aus. Haleys Schlachtplan lautet, Trump bei der zweiten Vorwahl am 23. Januar in New Hampshire zu besiegen. Dort können auch Parteilose teilnehmen, und dort liegt sie in den Umfragen nur knapp hinter Trump.
Fall zwischen Stuhl und Bank
Ein Erfolg im Ostküstenstaat und am 24. Februar in ihrer Heimat South Carolina, wo sie als Gouverneurin amtiert hatte, könnte Nikki Haley ein «Momentum» verschaffen, um dem Ex-Präsidenten die Nomination abzujagen. Die Unterstützung wichtiger Geldgeber hat sie. Das Problem ist nur, dass ihre scheinbar brillante Strategie zu scheitern droht.
Nikki Haley am 2. Januar in Rye (New Hampshire). Sie setzt auf einen Erfolg im Ostküstenstaat.
Denn Nikki Haley kritisiert Trump nur in homöopathischen Dosen. Ohne dessen «Fanclub» kann sie im November nicht gewinnen. Damit droht sie zwischen Stuhl und Bank zu fallen, wie sie im Interview mit ABC News selber einräumte: «Die Anti-Trumper denken, ich hasse Trump nicht genug. Die Pro-Trumper denken, ich liebe ihn nicht genug.»
Wer blickt noch durch?
Chancenlos sei Haley trotzdem nicht, meint das Magazin «Politico». Doch spätestens am 5. März, dem «Super Tuesday» mit Vorwahlen in 15 Bundesstaaten, muss sie den Durchbruch schaffen. Sonst ist Ende Feuer und Trump wird durchmarschieren. Dann könnten wohl nur seine juristischen Querelen ihn an der Nomination durch die Republikaner hindern.
Die diversen Verfahren und Prozesse bilden jedoch ein «Gestrüpp», bei dem viele nicht mehr durchblicken (weshalb stand er in New York nochmals vor Gericht?). Trump scheint auf den Ermüdungseffekt zu setzen, und auf eine Verzögerungstaktik. Offen ist auch, ob der Supreme Court den Ausschluss aus den Vorwahlen in Colorado und Maine bestätigen wird.
Selbst Lincoln muss dran glauben
Es scheint fraglich, dass das oberste Gericht sich dazu durchringen wird. Verbal jedenfalls lässt Donald Trump alle Hemmungen fallen. Er verwendet ungeniert Nazi-Jargon, wenn er politische Gegner als «Ungeziefer» bezeichnet (Hitlers «Volksschädlinge» lassen grüssen). Selbst vor Amerikas «Säulenheiligem» Abraham Lincoln macht er nicht halt.
Donald Trump in Newton (Iowa), wo er meinte, Abraham Lincoln hätte den Bürgerkrieg durch Verhandlungen beenden können und ihn damit als Kriegsgurgel diffamierte.
Die Frage ist, was er damit bezweckt. Wiederholt er seine Strategie von 2016, als er die Grenzen des Sagbaren permanent ausweitete und einen Gewöhnungseffekt erzielte? Und die Ressentiments jener «Average Joes» schüren konnte, die sich und ihr Idealbild von Amerika (weiss, gottesfürchtig, konservativ) von den «woken» Eliten verraten fühlen?
Hoffen auf neuen Vize
Es erstaunt wenig, dass Barack Obama und viele Demokraten um den «realen Joe» im Weissen Haus fürchten. Ein Problem ist sein Alter. Biden ist 81 und sieht keinen Tag jünger aus. Wegen einer Versteifung der Wirbelsäule läuft er wie ein Tattergreis. Da hilft auch Selbstironie über sein Alter («Ich habe die Gründerväter persönlich gekannt») wenig.
Eine ernsthafte Herausforderung für den Amtsinhaber ist jedoch nicht in Sicht. Manche hoffen, dass Biden wenigstens einen «frischen» Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin anstelle der schwachen Kamala Harris ernennen wird. Doch Joe Biden ist ein sehr loyaler Mensch – auch das ein grosser Unterschied zu seinem Vorgänger.
Abtreibungen bleiben wichtig
Hat Biden also schon verloren, wie der «Economist» fürchtet? Bis zum November kann viel passieren. Und Meinungsumfragen haben sich in den letzten Jahren wiederholt als wenig verlässlich erwiesen. Unterschätzt wird etwa das Thema Abtreibung, das vor allem Frauen seit der Anhebung des nationalen Rechts im Juni 2022 auf Trab hält.
In mehreren Bundesstaaten gab es seither Volksentscheide pro Schwangerschaftsabbruch, in Ohio letztes Jahr sogar zweimal. Dennoch versuchen die Republikaner im nach rechts gerückten Staat verbissen, diese Voten rückgängig zu machen. Denn sie sind von den radikalen Abtreibungsgegnern genauso abhängig wie von Trumps devoter Gefolgschaft.
Das Rennen ist offener, als man meinen könnte. Das gilt selbst für die Frage, ob es zum erneuten Duell zwischen Biden und Trump kommen wird. Hässlich aber wird das Wahljahr auf jeden Fall. KI-Deepfakes dürften neben Cyberattacken und Fake News auf Social Media das politische Klima in den ohnehin polarisierten USA weiter vergiften. Schnallt euch an!
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