Iron Beam und Dragonfire: Wie Laserwaffen das Schlachtfeld revolutionieren könnten

iron beam und dragonfire: wie laserwaffen das schlachtfeld revolutionieren könnten

Das britische Dragonfire-Lasersystem im Einsatz auf einem Testgelände in Schottland

Laut dem britischen Verteidigungsminister könnten sie das Schlachtfeld „revolutionieren“. Grant Shapps sprach kürzlich über das Potential von militärischen Laserwaffen, die einen gebündelten, hochenergetischen Lichtstrahl auf ein Ziel schießen. Davor hatte das britische Militär nach eigenen Angaben erstmals erfolgreich eine Hochenergielaserwaffe gegen Luftziele getestet. Obwohl seit Jahrzehnten an der Technologie geforscht wird, steht der Einsatz unter Gefechtsbedingungen noch am Anfang. Aber die Entwicklung schreitet offenbar voran.

Das britische System mit dem Namen Dragonfire soll Drohnen- oder Raketenangriffe abwehren. In einer Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums heißt es: Dragonfire sei so präzise wie der Schuss auf eine Ein-Pfund-Münze aus einem Kilometer Entfernung, die Kosten je Schuss lägen in der Regel bei weniger als einem Pfund, „ein Meilenstein“ für die britische Armee. Die Reichweite verrät das Ministerium nicht, es sei eine „Sichtlinienwaffe“. „Jedes sichtbare Ziel“ könne getroffen werden.

Bonnie Johnson, Professorin an der Naval Postgraduate School der US-Navy in Kalifornien, setzt sich seit Jahren mit Laserwaffensystemen und automatisierter Gefechtsführung auseinander. Ein großer Vorteil sei das Geld, sagt sie. Nachdem in den Bau des Lasers investiert worden ist, gebe es neben der Stromzufuhr „praktisch keine Kosten“ mehr. Die Kosten einer einzelnen Sea-Viper-Rakete, die die Marine jüngst im Roten Meer gegen Drohnen der jemenitischen Huthi einsetzte, werden dagegen auf rund eine Million Pfund (etwa 1,1 Millionen Euro) geschätzt. Anders sieht es mit den Kosten für die Entwicklung des Systems aus. Das britische Verteidigungsministerium und die beteiligten Rüstungsunternehmen haben rund 100 Millionen Pfund (etwa 117 Millionen Euro) in Dragonfire investiert.

Aber auch im Gefecht ergeben sich Vorteile durch die Lasertechnologie. Die „Munition“ könne nicht ausgehen, sagt Johnson. Lasersysteme sind nur auf eine ausreichende Stromzufuhr angewiesen. Einem Munitionsmangel, wie sie die Ukra­ine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland erfährt, könnte damit gegengesteuert werden. Die Physikerin hebt ebenso die Präzision von Lasern hervor. Es sei eine „saubere“ Waffe. Das Risiko von Kollateral­schäden im Vergleich zu Raketen sei geringer.

Man könne auch bei der Einsatzplanung zwischen „hard kill“ und „soft kill“ unterscheiden. Ersteres meint die Zerstörung des Ziels durch Hitze: „Der Laserstrahl brennt sich durch das Material und bringt damit etwa eine Drohne je nach Einschlagspunkt zum Absturz oder zum Explodieren.“ Beim „soft kill“ werde das Ziel nur „geblendet“, dafür sei auch weniger Energieleistung nötig. „Die Kameras oder Sensoren einer Drohne werden dabei temporär oder permanent gestört.“

Eine Wunderwaffe ohne Schwächen sind Hochenergielaser allerdings nicht. Es sei schwieriger, schnelle Objekte abzuschießen, sagt Johnson. Das Ziel müsse präzise verfolgt und der Laserstrahl für eine gewisse Zeit auf dieses gerichtet sein, um es unschädlich zu machen. Es sei ein sehr kompliziert zu bedienendes Waffensystem, das bisher nur von spezialisiertem Personal bedient werden könne. Außerdem hätten Laserwaffen keine sehr große Reichweite. Sie könnten nur sichtbare Ziele treffen. Äußere Faktoren beeinflussten das System, sagt Johnson: „Es gibt ein sehr komplexes Zusammenspiel zwischen Laserwaffen und der Atmosphäre.“ Nicht nur das Wetter und Wolken seien potentielle Hindernisse. Auf dem Meer wirkten sich die Luftfeuchtigkeit, das Meersalz und Aerosolpartikel auf den Laser aus, in der Wüste beeinflusse unter anderem Staub die Technologie.

iron beam und dragonfire: wie laserwaffen das schlachtfeld revolutionieren könnten

Präzise und nur ein Pfund je Schuss: Das britische Lasersystem Dragonfire

Luftgestützte Laserwaffen könnten erfolgversprechender sein als bodengestützte, sagt Johnson. Die Wissenschaftlerin und ein Team experimentierten schon in den frühen 2000er-Jahren für das amerikanische Militär an einem Abwehrsystem für ein kommerzielles Boeing-Flugzeug. Es sollte gegen Raketen mit großer Reichweite gerichtet sein. Die ersten Tests seien damals erfolgreich gewesen, sagt Johnson. Die entsprechenden Mittel seien nach einer Weile aber für andere Militärprojekte eingestellt worden. Festgehalten hat das amerikanische Militär an der Technologie dennoch. Dieses Jahr will die amerikanische Luftwaffe eine Laserwaffe für Kampfflugzeuge des Typs Lockheed AC-130J erproben. Das System Airborne High Energy Laser sollte ursprünglich schon 2022 in der Praxis getestet werden, vermutlich war die Umrüstung auf das Flugzeug aber schwieriger als erwartet.

Israels Iron Beam steht in den Startlöchern

Das amerikanische Militär arbeitet gemeinsam mit der Rüstungsindustrie an verschiedenen Lasersystemen, sowohl luft-, land- als auch schiffgestützte. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Rüstungskonzern Lockheed Martin: Im vergangenen Jahr unterzeichnete das Unternehmen einen Vertrag mit dem Heer zur Entwicklung und Lieferung von bis zu vier landgestützten Lasersystemen, die „Valkyrie“ genannt werden. Laut amerikanischen Medienberichten wären das die leistungsstärksten Laserwaffen im amerikanischen Repertoire. Der Congressional Research Service, der wissenschaftliche Dienst des amerikanischen Kongresses, erwartet, dass die Prototypen 2025 übergeben werden.

Die Vereinigten Staaten und Großbritannien sind nicht die einzigen Länder, die viel Geld und Mühe in Laserwaffen investieren. In Israel ist das Iron-Beam-Luftverteidigungssystem offenbar schon weit fortgeschritten. Es soll Drohnen, Artilleriegeschosse und Raketen mit einem Hochleistungslaser abwehren und könnte das israelische Abfangnetz – die bewährten Systeme Iron Dome, David’s Sling und Arrow – ergänzen. Das staatliche Rüstungsunternehmen Rafael arbeitet mindestens seit einem Jahrzehnt an dem Projekt. Iron Beam soll eine Reichweite von zehn Kilometern und eine Leistung von mindestens 100 Kilowatt haben. Laut Angaben des Herstellers wird es spätestens 2025 einsatzbereit sein.

Die amerikanische Regierung will mehr als eine Milliarde Dollar in die Entwicklung investieren, die erfolgreiche Erprobung des Systems könnte auch dem amerikanischen Militär nutzen. Wenn es gut funktioniere, sei es auch möglich, „es für unsere Bedürfnisse in diesem Bereich zu nutzen“, sagte der stellvertretende Sekretär des US-Heers für Beschaffung und Technologie, Doug Bush. Israel und das Unternehmen Rafael verkündeten bereits erfolgreiche Tests. Es seien „verschiedene Szenarien“ durchgespielt und ein „breites Spektrum an Bedrohungen“ bekämpft worden. Ob dabei Hindernisse wie schlechtes Wetter oder die hohe Geschwindigkeit von Zielen überwunden wurden, ist unbekannt. Laut Fachleuten könnten Laser derzeit wohl vor allem effizient gegen langsam fliegende Drohnen eingesetzt werden. Bei der Abwehr von größeren Raketen gibt es dagegen Zweifel.

Auch die Deutsche Marine tüftelt an der Lasertechnologie

Auch Deutschland tüftelt an der militärischen Lasertechnologie. Vergangenes Jahr verkündete die Bundeswehr, die Erprobungsphase für eine schiffgestützte Laserwaffe erfolgreich abgeschlossen zu haben. Der abschließenden Demonstration eines Drohnenabschusses mit dem Laser durften dann auch Vertreter der britischen, niederländischen und norwegischen Marine beiwohnen. Bereits im Juni 2022 wurde der sogenannte Laserwaffendemonstrator auf dem Deck der Fregatte Sachsen aufgebaut.

Die Unternehmen MBDA und Rheinmetall waren an dessen Entwicklung beteiligt. Ein Jahr und 100 Testfeuer später sei „nachgewiesen“, so hieß es in einer Pressemitteilung der beiden Rüstungskonzerne im September, dass Laserwaffen unterschiedliche Ziele im maritimen Umfeld bekämpfen könnten. Das System an Bord der Sachsen habe „überzeugt“. Künftig könnten Laser insbesondere Drohnen, Drohnenschwärme oder Schnellboote abwehren. Möglich sei in Zukunft auch eine Aufrüstung für die Zerstörung von Raketen, Überschallraketen und Artilleriegranaten. Das Beschaffungsamt der Bundeswehr teilte mit, dass ein „Grundstein“ für die mögliche Entwicklung von Laserwaffensystemen für die Marine gelegt sei.

Und wie sieht es außerhalb der westlichen Verbündeten aus? „Die Laserwaffensysteme, die vom Westen entwickelt werden, werden mit absoluter Sicherheit auch in Russland und China produziert“, sagt die Militäranalytikerin und Fachfrau für Laserwaffen, Bonnie Johnson. Es gebe keinen Grund anzunehmen, dass China und Russland hier technisch nicht mithalten könnten. Systeme wie das britische Dragonfire oder das israelische Iron Beam sind zwar defensiv ausgerichtet, aber „fast jede defensive Waffe hat auch offensives Potential“, sagt Johnson. Die Wissenschaftlerin untersucht in computermodellierten Studien Möglichkeiten, um Soldaten und Fluggeräte vor Laserangriffen zu schützen. Wichtig sei, überhaupt erst zu erkennen, dass man von einem feindlichen Laser anvisiert wird – bevor es zu spät ist.

Laut Johnson rückt die laserbasierte Gefechtsführung immer näher, auch wenn die Systeme noch nicht „perfekt“ und weitere Tests nötig seien. „Aber sehr wahrscheinlich existieren bereits Modelle, die unter realen Gefechtsbedingungen operieren könnten“, sagt sie. Johnson erwartet, dass Laserwaffen militärische Konflikte grundlegend verändern werden. „Sie etablieren eine ganz andere Dimension von Unsicherheit und Konfusion auf dem Schlachtfeld: Wo kommen die Laserangriffe her? Ist gerade ein Laser auf mich gerichtet? Das wirft innerhalb der Kriegsführung viele neue Fragen auf.“

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