Grünen-Chefin Ricarda Lang stärkt Familienministerin Lisa Paus den Rücken. Fabian Sommer/dpa
Seit Wochen gibt es massive Kritik an den Plänen zur Kindergrundsicherung. Eine aktuelle Studie erhöht nun den Druck auf die grüne Ministerin Paus, ihre Pläne zu überdenken.
Dass die Kindergrundsicherung kein Meisterwerk werden würde, war von Anfang an klar. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte zunächst 12 Milliarden Euro im Jahr gefordert, konnte aber nicht sagen, wofür sie dieses Geld im Einzelnen verwenden will.
Zusätzlich zum Fehlen eines überzeugenden Konzepts mangelte es der Grünen von Anfang an an dem Verständnis dafür, dass die Aufblähung der Sozialbürokratie um 5000 Stellen an sich keinen Fortschritt darstellt.
Kindergrundsicherung: Kritik an Paus-Plänen
Inzwischen musste sich die Ministerin von den eigenen Parteifreunden belehren lassen, dass mehr Personal nicht unbedingt mehr Unterstützung für Eltern mit Kindern bedeutet. Paus musste zurückrudern: Die 5000 ist keine „heilige“ Zahl mehr.
Ob 5000 neue Jobs in der Sozialbürokratie oder vielleicht nur 4000: Es ist grotesk, die angeblich angestrebte Vereinfachung des Transfersystems zugunsten von Kindern von mehr Bürokraten abhängig zu machen.
Die Kritik an Paus seltsamen Bastelarbeiten kommt längst nicht mehr nur von der CDU/CSU-Opposition und dem Koalitionspartner FDP. Das Unverständnis für eine offensichtlich überforderte Familienministerin breitet sich zunehmend auch bei den mitregierenden Sozialdemokraten aus.
In dem Wirrwarr aus Milliarden-Beträgen und Stellenvermehrung droht ein Aspekt unterzugehen – die Folgen für den Arbeitsmarkt. Denn Paus‘ „große Reform“ verfestigt eine unheilvolle Tendenz deutscher Sozialpolitik: Auch die Kindergrundsicherung kann berufstätige Mütter und Väter zu einem Wechsel vom Arbeitsmarkt ins staatliche Versorgungswerk verleiten. Denn höhere Sozialleistungen machen Arbeit weniger attraktiv.
Studie: 70.000 Vollzeitäquivalente fallen weg
Zu diesem Ergebnis kommt ein von drei Forschungsinstituten erarbeitetes Gutachten über die Auswirkungen der geplanten Reform auf den Arbeitsmarkt – dem Münchener Info-Institut, dem Institut of Labor Economics und dem Leibnitz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.
Der Befund ist ernüchternd: Vor allem Alleinerziehende würden wegen der höheren Leistungen im Rahmen der Kindergrundsicherung nicht mehr arbeiten. Umgerechnet auf Vollzeitstellen entspräche das einem Rückgang der Erwerbstätigkeit um mehr als 58.000 Personen. Aber auch für etwa 12.500 Paare würde sich nach diesen Berechnungen das Arbeiten nicht mehr lohnen. Genauer: Die Studie spricht von insgesamt rund 70.000 sogenannten Vollzeitäquivalenten, die wegfallen würden.
Nun kann man niemandem einen Vorwurf machen, wenn ihm der Sozialstaat ein so großzügiges Angebot macht, dass sich die Ausübung eines Jobs nicht mehr oder kaum noch rechnet.
Denn bei allen Vergleichen zwischen Nettoeinkommen und Sozialleistungen darf nicht unterschlagen werden, dass die Ausübung einer Berufstätigkeit mit Kosten verbunden ist, unter anderem für die Fahrten zur Arbeit oder die Verpflegung während der Arbeitszeit.
Tendenz: Leistung wird nicht belohnt
An diesen Berechnungen wird die Absurdität der Paus-Politik deutlich: Der Staat soll mehrere Tausend Stellen schaffen, deren Inhaber dann dafür sorgen, dass mehr als 70.000 Arbeitnehmer die Arbeit einstellen. Weniger private Arbeit dank staatlicher Mehrarbeit: Was für eine groteske Politik.
Nun lässt sich einwenden, dass 70.000 Berufstätige mehr oder weniger den Arbeitsmarkt nicht aus den Angeln heben. Doch kann getrost unterstellt werden, dass die von Paus vorgesehenen Leistungen von SPD und Grünen recht bald angehoben würden – mit den entsprechenden größeren Folgen für den Arbeitsmarkt. Denn eher werden in Deutschland Steuern und Abgaben erhöht, als einmal gewährte Sozialleistungen gekürzt.
Was Lisa Paus zurzeit anzurichten versucht, verstärkt die ohnehin unheilvolle Tendenz, nicht Leistung und Anstrengung von staatswegen anzuerkennen und zu belohnen, sondern die Politik am betreuten Bürger auszurichten.
Das bedingungslose Grundeinkommen droht immer mehr zum Ideal staatlicher Fürsorge zu werden, das heißt die freie Wahl zwischen Arbeitgeber und Sozialbehörde. Das Gutachten der Wirtschaftsforscher unterstreicht das.
Was für Paus besonders peinlich ist: Die Forscher wurden nicht von der Opposition beauftragt, sondern von ihrem eigenen Ministerium. Da gilt der alte Spruch: So was kommt von so was.
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