News des Tages: RAF, Daniela Klette, Douglas vor Börsengang

Der Fall der Ex-Terroristin Klette zeigt: Die seltsame RAF-Nostalgie ist nicht kleinzukriegen. Die Douglas-Besitzer wollen die Kosmetikkette loswerden. Und eine Sparkasse digitalisiert sehr deutsch. Das ist die Lage am Mittwochabend.

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News des Tages: RAF, Daniela Klette, Douglas vor Börsengang

1. Die seltsame RAF-Nostalgie

»Wir stehen zusammen!« und »Für Euch Gesundheit & Glück!«: Das klingt nach Grußkarte vom Abteilungsleiter, es steht aber auf einem Banner in Hamburg. Jemand hat es am linksautonomen Kulturzentrum Rote Flora aufgehängt. Es fordert »Solidarität mit Burkhard Daniela Volker« – gemeint sind ganz offensichtlich die ehemaligen Linksterroristen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg und ihre gestern festgenommene Kampfgenossin Daniela Klette. Es hat etwas von Folklore, von Grabenkämpfen der alten Bundesrepublik, irgendetwas zwischen Stadtguerilla und Schickeria.

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Erinnert mich an einen Buchhändler, der mir Ende der Neunzigerjahre den »Baader-Meinhof-Komplex« von Stefan Aust nur unter Protest verkaufte. Er schimpfte über den »Schund« und drängte mir auch »Texte und Materialien zur Geschichte der RAF« auf, einen Sammelband, in dem sich vieles findet, was die Terroristen herausgegeben hatten. Auf dass ich verstünde, wofür sie gekämpft hatten. (Was sich wirklich lohnt, über die RAF zu lesen – hier der Überblick.)

In Sachen RAF scheint ein Mix aus seltsamen Unernst, Nostalgie und Folklore die Jahrzehnte überdauert zu haben. Dieser Mix war schon damals unangemessen. Und er ist es ein Vierteljahrhundert nach dem selbst erklärten Ende der Terrortruppe noch immer. Allein der Fall Daniela Klette: Sie soll an drei politisch motivierten Attentaten und einer Reihe von Raubüberfällen auf Supermärkte und Geldtransporter beteiligt gewesen sein. Wofür sie wirklich bestraft werden kann, ist allerdings offen, wie meine Kollegen Bertolt Hunger und Ansgar Siemens berichten. »Was beweisen ihre Haare an den Tatorten der RAF-Anschläge? Klette könnte bei allen drei Fällen Täterin gewesen sein. Sie könnte aber auch unbeteiligt gewesen sein – wenn sie etwa in den Tatfahrzeugen nur zum Brötchenholen fuhr.« Die bloße Mitgliedschaft in der RAF ist seit 2018 verjährt. Die RAF-Faszination ist noch nicht erloschen.

    2. Komm rein und finde wieder raus

    »Bei ›Nothing between us‹ oder ›Come in and find out‹ versteht der Durchschnittsdeutsche nur Railway Station«, schreibt mein Kollege Jochen Leffers über die Abschlussarbeit einer Dortmunder Diplomandin, die untersucht hat, wie Reklame auf Englisch bei deutschen Verbrauchern ankommt. Dafür maß sie den Hautwiderstand von 24 Probanden beim Abspielen der Werbung, ähnlich wie beim Lügendetektortest. Auf deutsche Slogans, äh Sprüche wie »Wohnst du noch oder lebst du schon?« reagierten die Testpersonen demnach stärker als auf »Have a break, have a kitkat«. Der Text ist knappe 20 Jahre alt (und hier zu finden), so lange ist es in etwa her, dass ich an Douglas dachte. Die Kosmetikkette warb damals mit »Come in and find out«, was viele Verbraucher in einer deutlich größeren Studie übersetzten mit »Komm rein und finde wieder heraus« (andere übersetzten das damalige Sat.1-Motto »Powered by Emotion« mit »Kraft durch Freude«).

    Jetzt ist Douglas wieder in den Schlagzeilen: Das Unternehmen strebt zurück an die Börse, wie meine Kollegin Kristina Gnirke berichtet, laut Insidern noch vor Ostern. Das riecht erst mal nach schnöder Wirtschaftsmeldung, ist aber ein Investorenthriller: »Ein einflussreicher Firmenjäger, der in der Finanzbranche als besonders ausgebufft gilt, hat die Kosmetikkette bei seinem Jobstart quasi ans Bein gebunden bekommen«, sagt Kristina. »Sein Vorgänger hatte sie noch eingekauft, kurz vor seinem Start.« Und der Ausgebuffte werde Douglas trotz vieler Mühen nur schwer los.

    Dabei ist das sein Geschäft: »Firmen kaufen, ihnen meist Schulden für nötige Kredite aufladen, sie dann wieder mit Gewinn abstoßen – wenn möglich mit so viel eingenommenem Geld, dass das Unternehmen den Schuldenberg auch abtragen kann.« Mit dem Börsengang will er jetzt aber den Ausstieg schaffen. Im Werbedenglisch: Came in and wants out.

      3. Datenträge

      »Ich bin nicht auf Instagram oder TikTok, höre keinen Podcast und besitze zwei iPads, die ich selten nutze«, schreibt mein Kollege Jochen-Martin Gutsch. In seinem Wohnzimmer stehen noch Tuner, CD-Player, Plattenspieler, zwei Boxen, groß wie Koffer, dazu Hunderte CDs und Schallplatten. Er habe das Gefühl, mit Anfang 50 langsam den Anschluss zu verlieren (hier seine Kolumne). Dabei ist er in allerbester Gesellschaft: Die Sparkasse Bremen hat gerade ihre neuen Geschäftsbedingungen an 15.000 Geschäftskunden geschickt – auf 15.000 USB-Sticks per Post. Niemand digitalisiert deutscher.

      Allerdings birgt der USB-Versand ein, zwei Gefahren mehr als die private Vorliebe für physische Tonträger: Für Betrüger zum Beispiel entsteht dadurch möglicherweise eine neue, Erfolg versprechende Masche: »USB-Sticks eignen sich besser für die Installation von Schadsoftware als etwa Links in E-Mails«, sagt Netzwelt-Autor Jörg Breithut. »Es genügt meist schon, den Stick anzuschließen, um beispielsweise Spyware auf dem Computer zu installieren, die Passwörter mitliest.« Die Echtheit eines Banken-Sticks zu überprüfen, sei schwierig.

      Eine andere Sparkasse, die Berliner, machte es vor etwa zwei Jahren anders: Die AGB auf 130 DIN-A4-Seiten verschickte sie gedruckt an ihre Kunden. Finde ich noch nerviger: Den USB-Stick muss ich nicht zum Papiercontainer schleppen.

        Was heute sonst noch wichtig ist

          Fregatte »Hessen« feuert irrtümlich auf Reaper-Drohne der USA: Im Roten Meer ist es zu einem brisanten Sicherheitsvorfall gekommen. Nach SPIEGEL-Informationen hätte die Besatzung des deutschen Kriegsschiffs fast eine US-Drohne abgeschossen, wenn die Technik nicht versagt hätte.

          Von der Leyen will mit eingefrorenem russischen Geld Waffen kaufen: Rund 264 Milliarden Euro an russischem Vermögen hat die EU eingefroren. Ob man mit diesem Geld den Wiederaufbau der Ukraine oder Waffen finanzieren sollte, ist strittig. Ursula von der Leyen hat sich positioniert, ebenso Finanzminister Lindner.

          EU-Parlament stimmt gegen verpflichtende Gesundheitschecks für Autofahrer: Verpflichtende ärztliche Checks für Autofahrer wird es in Deutschland vorerst nicht geben. Die EU-Staaten sollen weiter selbst über solche Tests bestimmen, hat das EU-Parlament beschlossen. Die FDP lehnt die Untersuchungen ab.

          Kraftwerksbetreiber schickt Drohnen zu geschmolzenen Brennstäben: Wie es im Innern der zerstörten Reaktoren im Kernkraftwerk Fukushima aussieht, ist bis heute weitgehend ungewiss. Das erschwert die Aufräumarbeiten. Eine Flotte von wendigen Drohnen soll die Lage aufklären.

        Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

          Werden Sie die Steuerklassen III und V vermissen? Die Ampel will ran an die Steuerklassen – die Opposition sieht dadurch viele Familien benachteiligt. Was wirklich hinter den Plänen steckt. Und was sie für Sie persönlich bedeuten.

          »Kinder mit Long Covid sind teilweise kränker als die Krebspatienten«: Die Kinder- und Jugendärztin Nina Kollmar ist spezialisiert auf Krebserkrankungen. Seit drei Jahren behandelt sie auch Minderjährige, die an Long Covid leiden. Hier erzählt sie aus ihrem Klinikalltag.

          Schon Hugenotten und Ruhrpolen rangen mit der Integration: Ohne die Hugenotten und »Ruhrpolen« wären wir keine Spargelnation, und Schalke 04 wäre nicht Meister geworden. Was wurde aus Deutschlands ersten großen Einwanderergruppen?

        Was heute weniger wichtig ist

        Prinz ohne Garde: Henry Charles Albert David, Herzog von Sussex, genannt Harry, 39, hat einen Rechtsstreit verloren, wie britische Medien berichten. Es geht um eine Entscheidung des Innenministeriums, ihm nur noch von Fall zu Fall Polizeischutz zuzubilligen, nicht immer. Er bot an, künftig selbst dafür zu zahlen. Die Anwälte des Ministeriums argumentierten, es sei »nicht angemessen«, dass sich reiche Menschen staatlichen Schutz »kaufen« könnten.

        Mini-Hohlspiegel

        Die »Rhein-Neckar-Zeitung« über eine Infektionskrankheit: »Zwischen 200.000 und 400.000 Menschen weltweit sterben jährlich an den Folgen von Maria.«

        Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.

        Cartoon des Tages

        Und heute Abend?

        Könnten Sie sich »Dune: Part Two« angucken. Der Film startet offiziell zwar erst morgen, läuft aber heute schon in einigen Kinos. Ist es das vielleicht aufregendste Science-Fiction-Ereignis des Jahrzehnts, wie hier und da zu lesen ist? Wenn ich das Wüste, gnihi.

        Es ist jedenfalls »die Fortschreibung der ›Wüstenplanet‹-Saga, die der amerikanische Science-Fiction-Autor Frank Herbert ab Mitte der Sechzigerjahre veröffentlichte«, wie mein Kollege Tobias Rapp schreibt. »Ganz ähnlich wie Tolkiens ›Herr der Ringe‹-Trilogie liebten Hippies die Bände – aber auch Rechtsradikale.« (Mehr zu vorherigen Versuchen, die Reihe zu verfilmen finden Sie hier).

        »Anders als in ›Herr der Ringe‹, wo das Prinzip der Freundschaft am Ende stark genug ist, die Dunkelheit zu besiegen, oder in ›Star Wars‹, wo die Konflikte sich im familiären Drama der Vater-Sohn-Beziehung auflösen, steht in ›Dune‹ die Macht selbst im Zentrum«, schreibt Tobias. »Wer das Richtige will, muss siegen, anders wird er es nicht bekommen. Wer siegen will, muss glauben, denn das ist der stärkste Antrieb des Menschen. Wer Glaube streuen will, muss lügen. Aber wird, wer lügt, noch das Richtige gewinnen?« Die ersten beiden »Dune«-Filme zusammen ergeben nun das erste Buch von insgesamt sechs – erinnert ans Hobbit-Prinzip.

        »Dune: Part Two« sei ein Meisterwerk, ein welterschaffendes Epos, findet Tobias, vor allem dank der visuellen Fantasie des Regisseurs Denis Villeneuve. (Hier die ganze Rezension.) Allerbeste Sandarbeit.

        Ich wünsche Ihnen einen aufregenden Abend. Herzlich

        Ihr Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion

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