Nach dem FDP-Parteitag: Leise Hoffnung auf ein bisschen Ampel-Frieden
Mit ihren Attacken und Provokationen sorgt die FDP regelmäßig für Ärger in der Ampel. Nach dem jüngsten Parteitag registrieren SPD und Grüne geradezu erleichtert: Wenigstens haben die Liberalen nicht weiter eskaliert.
Nach dem FDP-Parteitag: Leise Hoffnung auf ein bisschen Ampel-Frieden
Plötzlich ist die ganz große Anspannung der vergangenen Woche gewichen. Für den Moment lässt sich sogar so etwas wie Erleichterung erkennen. Viele in den Reihen SPD und Grünen fragten sich zuletzt, worauf es denn in der Koalition hinauslaufen würde, sollte Christian Lindner beim FDP-Parteitag weiter eskalieren: Was wäre, wenn?
Zwei Denkschulen gab es dabei: Die einen gingen davon aus, das Ampelbündnis könne binnen kürzester Zeit vor dem Aus stehen. Andere waren der Überzeugung, Lindner müsse nur den Parteitag hinter sich bringen, dann bestehe die Chance, dass es in der Ampel endlich wieder besser werde.
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Letztere haben recht behalten – für den Moment.
Alles halbwegs unter Kontrolle. Lindner verzichtete auf neue Zuspitzungen, auf Ultimaten, auf Drohungen. Die Delegierten folgten ihm. Die »Wirtschaftswende« der Liberalen existiert vorerst nur auf dem Papier. Was davon umgesetzt wird: fraglich.
Bemerkenswert: Die ersten Reihen von SPD und Grünen reagierten zunächst zurückhaltend. Entweder melden sie sich gar nicht zu Wort oder beließen es bei sehr allgemeinen, stark verklausulierten Anmerkungen zum Verlauf des FDP-Parteitags. Fast schon vornehm diplomatisch.
»Parteitage sind Orte der Selbstvergewisserung«
»Wenn wir Sozialdemokraten über Wirtschaftspolitik diskutieren, diskutieren wir nicht über die falschen Weichenstellungen«, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil am Samstag in Hamburg beim Auftakt seiner Partei für den Europawahlkampf. Dabei sprach er sich gegen Rentenkürzungen aus, für mehr Investitionen und weniger Bürokratie.
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese wird deutlich. Er formuliert klare Erwartungen an die Liberalen. »Parteitage sind Parteitage«, sagte Wiese dem SPIEGEL. »Wichtig ist vielmehr, dass wir verantwortungsvoll das Land regieren und es bei den außen- und innenpolitischen Herausforderungen fit für die Zukunft machen. Da liegt noch einiges an Arbeit in den kommenden Wochen vor uns, aber die Bürger erwarten zu Recht von uns, dass wir das angehen.«
Bei den Grünen fällt die Beurteilung deutlich skeptischer aus. Sie alarmiert, dass Lindners Liberale weiter an der Kindergrundsicherung rütteln und die Abwicklung der Rente mit 63 vorantreiben wollen.
»Parteitage sind Orte der Selbstvergewisserung«, sagt Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch dem SPIEGEL. »Da kann man schon mal vergessen, dass Christian Lindner vieles von dem selbst ausgehandelt hat, was in Parteitagsreden infrage gestellt wurde. Ab Montag arbeiten wir wieder an guten gemeinsamen Lösungen.«
Angesichts anhaltender Differenzen in der Ampelkoalition dürfte die Rückkehr zur Sacharbeit jedoch nicht ganz einfach sein:
Beispiel Alterssicherung: Am 8. Mai soll das Kabinett das Rentenpaket II auf den Weg bringen, mit dem das Rentenniveau bei 48 Prozent festgeschrieben und ein Generationenkapital eingeführt werden soll. Über die Abschaffung der abschlagsfreien Rente für besonders langjährig Versicherte will die SPD im parlamentarischen Verfahren auf keinen Fall mit sich reden lassen. »Daran wird sich nichts ändern, denn das ist eine Frage des Respekts gegenüber der Lebensleistung von Leuten, die sehr hart gearbeitet haben«, sagte Martin Rosemann, sozialpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, dem SPIEGEL.
Beispiel Haushalt: In der kommenden Woche läuft eine wichtige Frist aus, bis zum 2. Mai müssen die Ressorts ihre Etatwünsche und Sparvorschläge bei Finanzminister Lindner einreichen. Die SPD spricht sich gegen einen Sparhaushalt aus. »Die schwäbische Hausfrau ist klüger, als viele denken. Sie würde gerade nicht sparen, wenn das Haus renoviert werden muss oder das Dach undicht ist«, so Fraktionsvize Wiese. Kürzlich erst hatte er mit anderen SPD-Politikern eine Lockerung der Schuldenbremse und ein neues Sondervermögen ins Gespräch gebracht.
Wie viel Aufbruch ist nun möglich?
Vizekanzler Habeck hatte sich bereits in der vergangenen Woche zuversichtlich gezeigt. Zu den Chancen für ein mögliches Wachstumspaket bis Anfang Juni hatte der Grüne gesagt: »Klar ist das realistisch.«
Auf Spitzenebene soll der Austausch in der Ampelkoalition gerade sehr intensiv sein. Noch so ein Indiz für ein bisschen Frieden.