Nach Wut-Gespräch im ZDF - Bäckermeister stellt Ampel vor kaum lösbares Problem - hier sind drei Vorschläge

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Christian Lindner und Bäckermeister Tobias Exner im ZDF ZDF/Maybrit Illner (25.01.2024)

In der Talkshow „Maybrit Illner“ war am Donnerstagabend unter anderem Bundesfinanzminister Christian Lindner zu Gast. Ihm gegenüber saß Bäckerobermeister Tobias Exner (47), der einige schwere Probleme der Branche ansprach. Hier sind drei Lösungs-Vorschläge.

Bäckerobermeister Tobias Exner wettert am Mittwochabend in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“   gegen die Ampel-Bundesregierung.                             Der 47-Jährige kritisiert die „explodierenden Kosten“. Rohstoffe sind teurer geworden, genauso wie Energie und auch das Personal. Exner betreibt 40 Filialen in Berlin und Brandenburg. „Wir erzielen keine Gewinne mehr“, klagt Exner.

Gleichzeitig versteht der Unternehmer und Vorstand der Bäcker- und Konditoren-Innung Potsdam nicht, warum seine Mitarbeiter „zum Teil bei den Behörden betteln müssen“, wenn sie Anspruch auf bestimmte Transferleistungen haben. Sie müssten „Formulare ausfüllen, die sie nicht verstehen“. Er plädiert dafür, dass die Menschen von ihrem Lohn leben müssen – ohne Wohngeld, Eigenheimzulage, steuerliche Förderung oder andere Leistungen beantragen zu müssen. Auch deshalb sei es wichtig, dass die Politik die Einkommensteuergrenze auf 24.000 Euro anhebt. „Das sind 2000 Euro im Monat, die steuerfrei bleiben“, so Exner.

Es ist nicht das einzige Problem der Branche.

Bäckereien kämpfen um Personal und hohe Kosten

Bäckerinnungen sehen das Handwerk in Gefahr. Etliche Krisen durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine setzen den Bäckereien zu. Die gestiegenen Rohstoff-, Energie- und Lohnkosten sowie die Zurückhaltung bei den Kunden infolge der Inflation sorgen für eine hohe finanzielle Belastung.

„Wir erhöhen die Preise nicht aus Spaß“, hatte Bäckermeister und Brotsommelier Exner im vergangenen Herbst gesagt. „Wir können im Moment nicht kostendeckend arbeiten.“

„Täglich gehen leider ein bis zwei Bäcker von der Fahne“, sagt Friedemann Berg, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks. Im vergangenen Jahr mussten rund 600 Betriebe schließen. Die Zahl der Beschäftigten, die bei etwa 238.000 liegt, ging folglich deutlich zurück.

Jörg Dahms von der Gewerkschaft NGG fordert daher ein Umdenken in der Bäckerbranche. „Die Branche muss sich neu ausrichten, um gegenüber den Großmärkten bestehen zu können“, sagte er. „Weil die Menschen einfach weniger Geld in der Tasche haben.“ Grund sei die Inflation. Doch wie können Bäckereien mehr Wachstum erzielen und gleichzeitig dem Fachkräftemangel entgegenwirken? Das ist eine Mammutaufgabe, wie auch Bäckereibetriebe auf Anfrage von FOCUS online erklären.

So könnte Deutschland das Bäckerhandwerk retten

Die Kunden fragen sich, wofür sie ihr Geld ausgeben, wenn sie im Supermarkt beispielsweise sechs Berliner für 1,90 Euro bekommen und beim Bäcker für ein Produkt schon mal 2,50 Euro bezahlen müssen. „Wenn man das Gleiche wie im Großmarkt zu einem anderen Preis anbietet, muss man sich nicht wundern, wenn es nicht weitergeht“, so Dahms. Wie sich Bäcker in Zukunft aufstellen können, sei auch deshalb „verdammt schwer zu beantworten“.

Dennoch macht FOCUS online drei Vorschläge.

1. Arbeit muss sich wieder lohnen!

Vor allem haben Bäckereien mit fehlendem Personal zu kämpfen. Die Gewerkschaft NGG nennt Arbeitsbedingungen und Löhne unattraktiv. In der Backstube fängt die Arbeit nachts an, wenn andere schlafen – da winken viele Leute ab. Eine hohe Zahl von Ausbildungsstellen bleibt unbesetzt, so der Zentralverband. Viele Auszubildende, die im dritten Lehrjahr nach bundesweitem Tarif 1085 Euro verdienen, stehen zudem vor dem Problem, keine Wohnung zu finden. Bäcker Exner hat mittlerweile selbst 25 Wohnungen für Mitarbeiter gemietet, auch andere Bäckereien bieten Azubis beispielsweise Wohngemeinschaften an.

„Für Tariflohn wird es immer schwieriger, Gesellen zu bekommen. Viele zahlen darauf, um ihre Mitarbeiter zu halten“, sagt der Referatsleiter bei der Gewerkschaft NGG, Rajko Pientka. Ein Geselle, also nach drei Jahren Ausbildung, verdient im Durchschnitt grob geschätzt etwa 2400 Euro im Monat – die Bezahlung ist in den Ländern je nach Tarifvertrag sehr unterschiedlich.

Auch deshalb die klare Ansage: Der Job muss sich wieder lohnen.

Um geeignetes Personal zu finden und von sich zu überzeugen, empfiehlt es sich, die Arbeitszeiten von der Nacht weiter in den Tag zu verlegen – und sich damit dem anzupassen, was die meisten Menschen unter einem normal strukturierten Arbeitstag verstehen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Sonntagsarbeit abzuschaffen und damit den Druck auf potenzielle Bewerber zu verringern.

„An einigen Standorten wird das Licht bereits früher ausgeschaltet, um in Zeiten der Energiekrise teuren Strom zu sparen. In den meisten Fällen hat die verkürzte Öffnungszeit jedoch einen anderen Grund: Es fehlt schlichtweg an geeignetem Personal“, weiß auch Justin Kießig, welcher gemeinsam mit Fabio Weitz die KW Media GmbH gegründet hat. Gemeinsam haben sich die beiden Geschäftsführer zur Aufgabe gemacht, Bäckereien und Konditoreien bei der Besetzung offener Stellen zu helfen und versprechen „Personal auf Knopfdruck“.

2. Regional zahlt sich aus

Möglicherweise müsste man künftig wieder weniger auf Masse und mehr auf lokal verfügbare Spezialitäten und Naturprodukte ohne Zusatzstoffe setzen, sodass Kunden tatsächlich belohnt werden, wenn sie in einen Bäcker gehen.

Wird mit frischen, lokalen Zutaten in der Backstube gearbeitet, könnte die Qualität der Backwaren verbessert werden. Lokale Rohstoffe sind teilweise oft günstiger, da sie keine langen Transportwege hinter sich haben. Dadurch könnten die Preise gesenkt werden. Gleichzeitig werden durch den Kauf von lokalen Produkten auch die regionalen Bauern und Produzenten unterstützt, was zur Stärkung der Regionalökonomie beiträgt.

Für Bio-Backwaren mit Dinkel, Roggen, Nüssen, und Kräutern stellen sich die Kunden mancherorts in lange Schlangen und geben für handgefertigtes Brot Preise von etwa 8 oder 9 Euro je Kilo aus. Die Verbraucher sind bereit, anzustehen und höhere Preise zu zahlen, wenn sie dafür gute Qualität bekommen – nicht nur in den Großstädten, meint Hauptgeschäftsführer Berg vom Bäckerhandwerk-Zentralverband.

Bäckereien profitieren außerdem von Sonderregelungen und können am Sonntag öffnen. In vielen europäischen Ländern verkaufen Bäckereien neben Backwaren auch Milch, Butter und Klopapier, um Kunden anzulocken, die nach einer Einkaufsmöglichkeit suchen. Dadurch wird das Handwerk gestärkt und auch die Einnahmen florieren.

3. Netzwerke bilden

Bäckereien könnten durch die Bildung von Netzwerken und Kooperativen Synergien schaffen, um gemeinsam Einkaufsvorteile zu nutzen und Kosten zu senken. Gemeinsame Marketinginitiativen könnten ebenfalls dazu beitragen, die Sichtbarkeit zu erhöhen und die Kundenbindung zu stärken.

Durch den Zusammenschluss in Genossenschaften könnten Bäckereien eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber ihren Lieferanten erreichen. Durch gemeinsame Einkaufsinitiativen können größere Mengen an Rohstoffen wie Mehl, Zucker, Eier und anderen Backzutaten eingekauft werden, was zu günstigeren Preisen und besseren Konditionen führen kann. Gerade in Zeiten steigender Rohstoffpreise können diese Einsparungen erheblich sein.

Wo werden diese Bündnisse bereits eingesetzt? Im deutschen Einzelhandel. Hier finden die Konditionsverhandlungen der Supermärkte inzwischen nicht mehr auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene statt. Mit Erfolg! „Wenn man sich die Top 30 des deutschen Lebensmitteleinzelhandels anschaut, existieren nicht mehr viele unabhängige Händler, die nicht in irgendeiner Form an einen größeren Verbund angeschlossen sind“, sagt Michael Kutz von der Retail Trade Group (RTG), einem Einkaufsbündnis mittelständischer Händler.

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