Motorradclub und Fotos aus der Ostukraine: Was über die mutmaßlichen russischen Spione bekannt ist
Zwei Deutschrussen sollen im Auftrag Moskaus Anschläge geplant haben. Der Hauptverdächtige kämpfte im Donbass und lebte danach unbehelligt in Deutschland.
Prorussische Kämpfer in der Nähe von Donezk 2016.
Heinersreuth ist ein beschaulicher Ort in Oberfranken, nicht einmal 4000 Einwohner leben dort. In einem orangefarbenen Reihenhaus fand am Mittwoch ein ungewöhnlicher Polizeieinsatz statt: Dort wurde ein Mann festgenommen, der im Auftrag Russlands Sabotageaktionen in Deutschland geplant haben soll. Die Bundesanwaltschaft wirft Dieter S. vor, dafür mögliche Ziele ausgespäht zu haben.
Dieter S. hat seine Wurzeln in Russland, deswegen hat er den deutschen und den russischen Pass. Nachbarn beschrieben den Mieter der Wohnung Nummer 7 als unauffällig.
Interesse an den „Russian Wolves“ in Bayreuth
In seiner Heimatregion verfolgte Dieter S. über Facebook die Aktivitäten der Bayreuther Bikergruppe „Russian Wolves“. Das Logo des Clubs, das die Mitglieder auf dem Rücken ihrer schwarzen Lederkutten tragen, zeigt neben einem Wolfskopf auch ein orange-schwarz gestreiftes Band.
Das so genannte Georgsband war ursprünglich eine militärische Auszeichnung. Seit der Annexion der Krim und der russischen Intervention im Donbass 2014 gilt es als Erkennungszeichen für die Unterstützung von Moskaus Krieg in der Ukraine und des außenpolitischen Kurses von Präsident Wladimir Putin. Ob Dieter S. selbst Mitglied des Clubs oder nur ein Fan war, ist bisher nicht bekannt.
Der Name des Bayreuther Clubs erinnert offenbar nicht zufällig an den bekanntesten russischen Motorrad-Club, die „Nachtwölfe“. Diese sind bekannt für ihre nationalistischen Ansichten und ihre bedingungslose Unterstützung der Kreml-Politik.
Zum „Tag des Sieges“, der Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkrieges, organisierten sie mehrfach eine demonstrative Motorrad-Tour nach Berlin, bis ihnen 2015 die Einreise untersagt wurde. Schon damals wurde aber deutlich, dass die „Nachtwölfe“ in mehreren Ländern Europas loyale Unterstützer haben.
Fotos zeigen ihn mit der Waffe in der Hand
Auf mehreren Fotos, die Dieter S. auf Facebook veröffentlichte, zeigte sich der 39-Jährige in militärischer Kleidung und mit einer Waffe in der Hand, wie zuerst die „Welt“ berichtete. Die Aufnahmen entstanden offenbar in der Ostukraine. Schon relativ bald nach dem Beginn des Krieges im Donbass muss sich Dieter S. freiwillig zum Kampf an der Seite der prorussischen Separatisten gemeldet haben.
Bereits im Dezember 2014 schloss er sich nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft einer bewaffneten Einheit der „Volksrepublik Donezk“ an. Die Kämpfer der selbsterklärten „Volksrepublik Donezk“ waren keineswegs unabhängig. Sie wurden von Anfang an direkt aus Moskau kontrolliert und gesteuert. Dieter S. kämpfte also mit der Waffe in der Hand an der Seite Russlands gegen die ukrainische Armee.
Bemerkenswert ist auch, dass Dieter S. deutlich länger im Donbass kämpfte als andere ausländische Freiwillige: Er blieb dort bis September 2016 und kehrte dann nach Deutschland zurück, wo seine Beteiligung am Krieg gegen die Ukraine erst einmal folgenlos für ihn bleibt. Möglich ist, dass seine Kontakte zum russischen Geheimdienst auf seine Zeit im Kriegsgebiet zurückgehen. Den Oberbefehl über die bewaffnete Einheit, in der er kämpfte, hatte damals Igor Girkin, selbst ein russischer Geheimdienstler.
Kam der Hinweis von einem ausländischen Geheimdienst?
Neun Jahre nach seiner Rückkehr nach Deutschland steht Dieter S. im Kontakt mit einem Mann, den deutsche Sicherheitsbehörden einem russischen Nachrichtendienst zurechnen. Dieser soll sich selbst nicht in Deutschland aufhalten. Dieter S. erklärte sich nach Angaben der Bundesanwaltschaft bereit, Anschläge in Deutschland zu verüben. Er soll mögliche Ziele wie den US-Stützpunkt Grafenwöhr ausgespäht und Fotos und Videos gemacht haben.
Ende 2023 wird die deutsche Spionageabwehr auf ihn aufmerksam. Die Frage, ob der entscheidende Hinweis von einem ausländischen Nachrichtendienst kam, wollte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Freitag nicht beantworten.
Nachdem die Sicherheitsbehörden so viele Erkenntnisse haben, dass der Fall an den Generalbundesanwalt gegeben wird, taucht im März noch eine zweite Person auf der Bildfläche auf: Alexander J. wurde offenbar als Mittäter gewonnen. Auch er hat sowohl die deutsche als auch die russische Staatsbürgerschaft.
Alexander J. wohnt in Bayreuth, nicht weit von Dieter S. entfernt. Auch dort tauchen am Mittwoch Ermittler des Bundeskriminalamts auf und nehmen den mutmaßlichen Komplizen fest.