Nehammer-Rede zwischen Leistung, Gendern und „Großelternkarenz“

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Am Freitagnachmittag startet Kanzler Karl Nehammer mit einer Rede offiziell den ÖVP-Vorwahlkampf. Sein „Österreichplan“ soll etwa Leistung und Familien fördern und Druck auf Sozialbezieher und Asylwerber erhöhen.

Wien – Verschärfungen bei Integration und Sozialleistungen und die Förderung von „Leistungsträgern“ und „österreichischer Identität“ stehen im Zentrum des „Österreichsplans“ von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), den er Freitagnachmittag in Wels präsentiert. Vorgesehen ist etwa ein Steuerbonus von 1000 Euro pro Jahr für Vollzeitkräfte, Sozialhilfebezieher will er zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten. Nehammer schweben zudem eine Kulturakademie und ein neues Nationalstadion vor.

Erst vergangenen März hatte Nehammer in seiner „Rede zur Zukunft der Nation“ seine Vorstellungen bis 2030 vorgelegt, unter Einbindung von u.a. Experten, Regierungs- und Parteimitgliedern wurde daraus nun der „Österreichplan“ entwickelt. Dementsprechend bekannt sind viele Inhalte des bereits vorliegenden Papiers. Zumindest inoffiziell startet die Partei mit der Rede wohl ihren Wahlkampf. Zuletzt machten ja Gerüchte die Runde, die Nationalratswahl könnte vom Herbst auf das Frühjahr vorgezogen oder mit der EU-Wahl am 9. Juni zusammengelegt werden.

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Breiten Raum in Nehammers Plan hat der Leistungsbegriff: Nehammer will nach vier Jahren globaler Krisen zurück zur sozialen Marktwirtschaft. Dafür verspricht er der Wirtschaft weniger Bürokratie, Regularien und einen stärkeren Kapitalmarkt. So sollen etwa Unternehmenssteuern sinken und die Belegpflicht bis 20 Euro fallen. Ausländische Fachkräfte sollen leichter zuwandern können und im Tourismus der Arbeitsmarkt für Drittstaatsangehörige geöffnet werden. Gleichzeitig soll im internationalen Wettbewerb das Prinzip „Europe first“ gelten.

Steuersenkungen „für die arbeitende Mitte“

Um „Leistungsträger“ zu belohnen, sieht Nehammers Plan Steuersenkungen „für die arbeitende Mitte“, eine Senkung der Lohnnebenkosten um 0,5 Prozentpunkte jährlich und steuerfreie Überstunden vor. Der Steuersatz von 48 Prozent, der für Besserverdiener mit einem Jahreseinkommen zwischen rund 67.000 bis 99.000 Euro fällig wird, soll entfallen. Gleichzeitig soll die Ersatzrate beim Arbeitslosengeld von 55 auf 50 Prozent sinken, eine geringfügige Beschäftigung nebenbei soll verboten werden. Wer Sozialhilfe bezieht und arbeitsfähig ist, soll gemeinnützige Arbeit verrichten. Sozialleistungen soll es überhaupt erst nach fünf Jahren legalem Aufenthalt geben, und dann nur als Sach-, nicht Geldleistung.

Insgesamt verschärft die ÖVP den Ton bei der Integration weiter: „Wer in Österreich leben will, der muss nach unseren Werten leben“ und „Integration heißt Anpassung“ steht da etwa im „Österreichplan“, der u.a. ein restriktives Fremdenrecht mit Abschiebe- und Verfahrenszentren im Ausland und eine Beschlagnahmung von Wertsachen bei der Einreise vorsieht, um Kosten zu decken. Wer keinen rechtmäßigen Aufenthaltstitel hat, soll „ausschließlich existenznotwenige Sachleistungen“ erhalten, bei „Urlaub im Heimatland“ soll Asyl konsequent entzogen werden.

„Rot-Weiß-Rot Act“

Unter dem Titel „Rot-Weiß-Rot Act“ wird außerdem klargestellt, dass es mit der ÖVP keine „Aufweichung“ bei der Vergabe der Staatsbürgerschaft und des Wahlrechts geben soll. Die ÖVP hat außerdem die Idee einer „österreichischen Leitkultur“, die sich auch als nationales Kulturgut gesetzlich widerspiegeln soll. Passend etwa zur alljährlichen Diskussion um Nikolausbesuche in Kindergärten wird im „Österreichplan“ auch klargestellt, dass es „keine Veränderung unserer Fest- und Feiertagskultur“ geben soll.

Beim Klimaschutz will Nehammer auf „Hausverstand“ setzen und bleibt seiner Erzählung vom „Autoland“ Österreich treu: Statt Verboten oder „überbordenden Regulierungen“ verspricht Nehammer „grüne Mobilität“. 1 Mrd. Euro soll in eine Investitionsoffensive für so titulierte „Grüne Verbrenner“ fließen, gleichzeitig schwebt ihm ein 20 Mrd. schweres Straßenbauprogramm bis 2040 vor. Zusätzlich soll auch der öffentliche Verkehr ausgebaut und verbessert werden. Um den Abbau kritischer Rohstoffe zu vereinfachen, soll die Umweltverträglichkeitsprüfung reformiert werden.

Neues Modell einer „Großelternkarenz“

Familien werden in dem Papier zum „Schlüssel zur Vermittlung unserer Werte und unserer Lebenskultur“. Für sie sind etwa Erleichterungen am Weg zum Eigenheim vorgesehen, die Eigentumsquote soll von 48 Prozent auf 60 steigen. Um die Kinderbetreuung zu verbessern, soll nicht nur das Kindergarten-Angebot ausgebaut, sondern auch ein neues Modell einer „Großelternkarenz“ geschaffen werden.

Im Gesundheitsbereich will Nehammer zu den aktuell 100 bis 2030 noch weitere 700 zusätzliche Kassenarztstellen ausschreiben, außerdem soll – nach Vorbild der Bundesheer-Stellung – eine Jugendlichenuntersuchung eingeführt werden. In der Kategorie Identitätspolitik findet sich das Ansinnen, beim Gendern Sonderzeichen und an Schulen und Hochschulen ein Einfließen geschlechtergerechter Sprache in die Benotung zu verbieten.

An den Schulen plädiert Nehammer für die Wiedereinführung von drei anstelle der aktuell zwei Leistungsgruppen, außerdem sollen an den AHS schon Lehrangebote der Unis in den Unterricht integriert werden können. Bei den Unis soll wiederum das Leistungsprinzip ausgebaut werden, indem es bei Verbesserungen in internationalen Rankings zusätzliches Geld gibt.

Apropos Leistung: Um die Rahmenbedingungen für den Spitzensport zu verbessern, soll laut „Österreichplan“ ein neues Nationalstadion gebaut werden. Als Maßnahme im Kampf gegen Antisemitismus wird ein Holocaust-Museum erwogen, zur Förderung der „Kulturnation Österreich“ soll nach dem Vorbild der französischen Académie des Beaux-Arts eine Akademie der Kultur eingerichtet werden. (APA, TT.com)

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