Sprachpflege: Ein einziger Buchstabe macht den Unterschied

sprachpflege: ein einziger buchstabe macht den unterschied

Kurzer Moment des Innehaltens: Manchmal liegen eine richtige Formulierung und ihr Gegenteil nur einen Handschriftschwung voneinander entfernt.

Manchmal sorgt ein einziger hinzugefügter Buchstabe in einer Wendung von drei Wörtern dafür, dass sich ein Ding in sein Gegenteil verkehrt. Versuchen wir es einmal. „Das ist nicht weniger als ein Skandal“ bedeutet: Es ist ein Skandal. Wirklich. Es ist eben „nicht weniger“ als, also mindestens gleichbedeutend mit einem Skandal. Dagegen bedeutet der Satz, etwas sei „nichts weniger als ein Skandal“, dass es alles andere als ein Skandal ist, also überhaupt keiner. Wer es einen Skandal nennt, plustert die Sache unnötig auf.

Nun passiert es in den letzten Jahren immer häufiger, dass jene, die die erste Bedeutung meinen, dafür die zweite benutzen. Sie schreiben „nichts weniger“, wo sie „nicht weniger“ meinen, sagen also das Gegenteil von dem, was sie sagen wollen. Da das inzwischen ziemlich viele tun, leider auch in dieser Zeitung, könnte man von einer neuen Gruppe der Einverstandenen sprechen, die in ihrem kollektiven Falschschreiben eine gewisse Nestwärme erzeugen. Die anderen, die es besser wissen, drohen zur frierenden Minderheit zu werden und müssen sich irgendwann fragen, welchen Sinn es hat, auf etwas Richtigem zu bestehen, was eine Mehrheit als falsch ansieht.

Erinnern wir uns nur an den Dativ nach „wegen“, der einmal als falsch galt und vor dem die Duden-Redaktion irgendwann kapitulierte, indem sie ihn für zulässig erklärte. Seither ist die Wendung „wegen dem Thema“ offiziell korrekt. (Sprache sei lebendig, heißt es dann, „Sprache entwickelt sich“ und so weiter.) Auch sehr gebildete Leute sagen inzwischen, etwas „mache“ Sinn (statt habe Sinn, ergebe Sinn). Etwas sei „unverzichtbar“ (statt unentbehrlich). Und von anglisiertem Schrumpf- und Dummdeutsch wie „viral gehen“ gar nicht zu reden. Doch Vorsicht, wir sind schon längst bei Geschmacksfragen, vielleicht sogar bei dem leicht aufkommenden Verdacht, Sprachpflege sei pedantisch, kleinkrämerisch und schlecht gelaunt.

Das Gegenteil ist der Fall. Sprachpfleger lieben das Instrument, das sie benutzen. Sie wollen nicht, dass es Schaden nimmt. Nur wer die Sprache liebt, wird es genau nehmen, und nur wer es genau nimmt, kann – nur mal zum Beispiel – eine gute Zeitung machen. Der amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace, der immer noch als Inbegriff des hippen literarischen Genies gilt, dehnte die Möglichkeiten der Sprache in seinen Büchern zwar bis zum Äußersten, war kreativ, innovativ, expansiv und alles – aber als Hochschullehrer war er vor allem genau und schärfte seinen Studenten ein, wie wichtig Regeln sind, damit wir einander verstehen. Aus beachteten Regeln spricht Respekt. Und wer jetzt noch Fragen hat, dem kann man eigentlich nur noch mit dem Slogan der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) kommen: „Weil wir dich lieben.“

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