Militärexperte sieht historische Parallelen: "Putin hat das gleiche Problem wie Hitler"
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Während Putin auf aggressive Taktiken setzt, um unter enormen personellen und materiellen Verlusten entscheidende Nachschubrouten zu blockieren, profitiert die Ukraine von stetigem Nachschub aus dem Westen. Ein Militärökonom im Interview.
Monatelange Verzögerungen in der Bewilligung von Hilfspaketen durch republikanische Gesetzgeber in den USA haben es Russland erlaubt, zeitweilige Erfolge zu erzielen. Diese Verzögerungen behinderten die Lieferung kritischer Waffen an die Ukraine, was aktuell deren Verteidigungsfähigkeit schwächt. Dieses Zeitfenster versucht Putin nun aggressiv zu nutzen.
Ressourcenknappheit als strategisches Problem
Marcus Keupp, Militärökonom an der ETH, sieht im Interview mit “Watson” ein zentrales russisches Problem in der schnellen Erschöpfung ihrer Ressourcen. Trotz anfänglicher Gewinne verbrennt Russland laut Keupp “so ziemlich alles an Material und auch an Menschen”, was es zur Verfügung hat. Die Ukraine profitiert unterdessen von stetigen Nachschublieferungen aus dem Westen.
Produktionsdilemma und Verschleiß
Putin habe damit dasselbe Problem wie Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg, erklärt Keupp. Russlands Produktionsraten könnten mit den Verlusten nicht mithalten. Selbst das Verteidigungsministerium unter Sergei Schoigu erkenne die Notwendigkeit, die Rüstungsproduktion zu steigern, um den anhaltenden Verschleiß auszugleichen. Gleichzeitig habe man dem Nachschub aus dem Westen an die Ukraine nichts entgegenzusetzen, Russland verbrauche mehr Kriegsmaterial, als es selber produzieren könne. Wenn es so weitergehe, könne Putin sein Kriegsziel, nämlich das Ende der Ukraine als eigenständiger Staat, nicht erreichen, so ist sich Keupp im Interview sicher.
Russland will kurzes Zeitfenster aggressiv nutzen
Nachdem das Hilfspaket der USA an die Ukraine lange blockiert wurde, hat sich ein kurzes Zeitfenster zugunsten Russlands geöffnet. Die USA hatten nach einer monatelangen Blockade erst vor rund zwei Wochen ein militärisches Hilfspaket an die Ukraine im Wert von 61 Milliarden Dollar (57 Milliarden Euro) freigegeben. Trotzdem ist die Ukraine weiter in der Defensive. Putin, unter erheblichem Zeitdruck, setze nun auf aggressive Taktiken, um entscheidende Nachschubrouten zu blockieren. Doch die Ukrainer wehren sich nach Kräften und erschweren russische Vorstöße, um die russische Verschleißrate zu erhöhen. Man dürfe nicht vergessen, wie groß die Ukraine geografisch ist, erklärt Militärökonom Keupp. Die aktuellen Geländegewinne der Russen könnten für die Kriegstaktik durchaus relevant sein, seien im Verhältnis zum gesamten Land aber klein.
Langfristige strategische Aussichten
Laut Keupp wird Putin die langfristige strategische Auseinandersetzung nicht gewinnen können. Die momentanen militärischen Vorstöße Russlands seien unzureichend, und die baldige Verstärkung der ukrainischen Logistik werde diese weiter schwächen, so ist sich der Experte sicher.
Historische Parallelen und europäische Reaktionen
Keupp zieht Parallelen zu historischen Ereignissen des Zweiten Weltkriegs und fordert eine mutigere Haltung des Westens. Er hebt hervor, dass europäische Länder wie Frankreich und Polen aktivere Rollen übernehmen, indem sie Truppenentsendungen und Waffenlieferungen in Betracht ziehen. Putin wisse, dass er keine Zeit habe, er führe diesen Krieg ohne eine wirkliche Strategie. Mit einer realistischen Hochrechnung seiner Verluste und der Unterstützung der Ukraine durch den Westen hätte der russische Machthaber den Krieg bereits im vergangenen Oktober abbrechen müssen, so der ETH-Militärökonom.
Russland droht dem Westen
Mit einer Atomübung und der Einbestellung von Diplomaten hat Russlands Führung indes auf die US-Waffenlieferungen und Äußerungen europäischer Spitzenpolitiker zur Unterstützung für die Ukraine reagiert. Zudem erging aus Moskau eine Drohung an die Adresse Großbritanniens. Die US-Regierung kritisierte das von Kremlchef Wladimir Putin ankündigte Abschreckungsmanöver seiner taktischen Nuklearstreitkräfte, sieht aber keinen Grund für die Änderung der Abschreckungsstrategie.
(Red.)