Mileis zweiter Anlauf: Argentiniens Abgeordnetenhaus billigt abgespecktes Reformpaket
Abgeordnete feiern während der Debatte über das Reformgesetz des argentinischen Präsidenten Javier Milei, bekannt als „Omnibus-Gesetz”, im Nationalkongress.
Argentiniens Präsident Javier Milei kann aufatmen – vorläufig zumindest. Seiner Regierung ist es gelungen, im Abgeordnetenhaus mit der Unterstützung der Mitte-rechts-Parteien eine Mehrheit für ein umfassendes Reformpaket zu bilden. Diese Stimmte am Dienstagmorgen nach einer zwanzigstündigen Debatte mit 142 zu 109 Stimmen und 5 Enthaltungen dem Gesamttext des Gesetzespakets zu. Im Februar hatte Milei das sogenannte „Omnibus-Gesetz“ zurückgezogen, nachdem es von den Abgeordneten zerstückelt worden war. Das ursprüngliche Paket, das 664 Artikel umfasste, wurde daraufhin angepasst und auf 232 Artikel reduziert. Am Dienstag wurden die Abstimmungen über die einzelnen Kapitel des Gesetzespaketes bis in die Nacht fortgesetzt.
Die Annahme des Reformpakets, das im Wesentlichen auf eine Deregulierung der Wirtschaft abzielt, ist ein erster wegweisender Erfolg für Milei, dessen Regierung seit dem Regierungswechsel im Dezember noch kein einziges Gesetz durchgebracht hat und auf der Grundlage eines teilweise durch die Justiz blockierten Dekrets regiert. Milei schrieb am Dienstag auf der Plattform X, die Annahme durch die Abgeordneten sei „ein grundlegender erster Schritt, um Argentinien aus dem Sumpf zu ziehen, in dem es sich in den letzten Jahrzehnten befand“. Die Regierung habe es „trotz der Politik“ bis dahin gebracht und werde ihren Kurs nicht ändern, sagte Milei in einem Interview.
Arbeitsrechtsreform ebenfalls angenommen
Trotz zahlreicher Kompromisse enthält das angenommene Gesetz eine Reihe von weitreichenden Anpassungen und Maßnahmen. So überträgt es Milei beispielsweise die Befugnis, ein Jahr lang gesetzgeberische Kompetenzen in den Bereichen Verwaltung, Wirtschaft, Finanzen und Energie auszuüben. Ursprünglich war diese Sonderbefugnis für elf Bereiche vorgesehen. Auch die Tragweite der Privatisierungen wurde angepasst. Die Liste von Staatsbetrieben, die privatisiert werden sollen, ist von einst 40 auf 4 geschrumpft. Dazu zählt auch die staatliche Fluggesellschaft Aerolíneas Argentinas. Weitere Privatisierungen, Teilprivatisierungen und Konzessionierenden stehen zur Verhandlung.
Eines des umstrittensten Kapitel des Gesetzentwurfes, die Arbeitsrechtsreform, wurde ebenfalls angenommen. Sie sieht eine Reduktion der Arbeitnehmerrechte vor. So werden beispielsweise die Probezeit verlängert und der bezahlte Mutterschaftsurlaub angepasst. Sanktionen gegen Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß anmelden, werden indes abgeschafft. Ein Abgeordneter und Gewerkschaftsführer sagte, das Gesetz enthalte „keinen einzigen Artikel, der die Arbeitnehmer begünstigt“, und warnte davor, dass die Reformen „diskriminierende Entlassungen“ begünstigen würden. Die Gewerkschaften haben bereits ihren Widerstand angekündigt. Seit Montag befinden sich die Gewerkschaften der Ölsaaten- und Hafenarbeiter im unbefristeten Streik, was den wirtschaftlich bedeutenden Export von Soja und Getreide lahmlegt. Die Transportarbeiter im Luft-, Land- und Seeverkehr kündigten für den kommenden Montag ebenfalls einen „Mega-Streik“ gegen das Reformpaket an.
Seit der Regierungsübernahme ist es schon zu mehreren Demonstrationen und einem Streik gegen Mileis Spar- und Reformvorhaben gekommen. Die Regierung hat sich davon bisher nicht beeindrucken lassen. Sie kann weiterhin auf eindrücklichen Rückhalt der Bevölkerung zählen. Wovon sich die Senatoren mehr beeindrucken lassen und zu welchen weiteren Zugeständnissen Milei bereits ist, wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Nach der Zustimmung durch das Abgeordnetenhaus geht das Reformpaket in den Senat, der über die definitive Annahme oder Ablehnung entscheiden wird und wo es der Regierung noch schwerer fallen dürfte, eine Mehrheit zu bilden.