Mehr Hochhäuser für Frankfurt: Die Stadt wächst in die Höhe
Mehr Platz im Zentrum: Frankfurt gestattet den Bau von weiteren Hochhäusern in zentraler Lage.
In Deutschland überragen 19 Wolkenkratzer die Höhe von mehr als 150 Meter. Davon stehen 18 Hochhäuser in Frankfurt. Damit die Stadt auch in Zukunft „Mainhattan“ bleibt, hat ihr Magistrat eine Fortschreibung des Hochhausentwicklungsplans auf den Weg gebracht („HEP 2024“). Es handelt sich um eine Aktualisierung des erstmals 1989 mit dem „Bankenplan“ vorgestellten Leitbildes innerstädtischer Hochhauspulks. So sehr dieses Konzept den Hochhausboom über 30 Jahre befördert hat, war die Geburt der neuerlichen Fortschreibung doch schwierig: Die Viererkoalition im Römer hatte das Projekt 2021 von ihrer Vorgängerin übernommen. Es fehlte aber eine Vision, die über die bloße Flächenvermehrung und die Befriedigung der Ambitionen von Projektentwicklern hinausging. Erst 2023 nahmen konzeptionelle Überlegungen richtig Fahrt auf. Sie tragen den Stempel des neuen Frankfurter Planungsdezernenten Marcus Gwechenberger.
Schlüssel zum Erfolg ist das Narrativ der „Hochhaus-Promenade“. Sie soll von der innerstädtisch gelegenen Alten Oper entlang der zentralen Grünfläche „Wallanlage“ zur Neuen Oper verlaufen und an das nördliche Mainufer anschließen. Damit ist die Brücke zum Museumsufer geschlagen, das die Stadt heute prägt. Der Blick auf die Hochhäuser aus der Perspektive eines Fußgängers im Park ist durchaus ein Paradigmenwechsel.
Die Gestaltung der Bürogebäude im Bankenviertel war bislang auf das Innere des Quartiers fokussiert. Das hatte zur Folge, dass sie der Wallanlage nur ihren meist wenig attraktiven Rücken zeigten. Der Hochhausplan will, dass neue Wolkenkratzer zwei Vorderseiten haben, indem sie sich auch zur Wallanlage als dem „Frankfurter Central Park“ öffnen. Die Idee, aus einer Vorder- und einer Rückseite zwei Vorderseiten zu machen, ist bestechend. Sie eröffnet erstmals die Chance, einen vertikalen Nutzungsmix zu schaffen: In einem Gebäude könnte künftig am Park gewohnt und im Bankenviertel gearbeitet werden, womit das Homeoffice 2.0 erfunden wäre.
Zusätzlich wird erstmals in der Geschichte der Frankfurter Hochhausplanungen ein echter Nutzungsmix gefordert, wobei es den Investoren überlassen bleibt, wie sie dessen Realisierung nachweisen. Der städtische Beitrag besteht darin, die beabsichtigten Neubauten von Schauspiel und Oper auf zwei räumlich getrennten Standorten als integrativen Teil der Hochhaus-Promenade zu realisieren. Mit einem noch zu erarbeitenden gesamtheitlichen Konzept „Freiraum und Grün“ soll die Aufwertung der historischen Wallanlagen gefördert werden. Diese Festlegungen schaffen eine Win-Win-Situation, der sich auch die kommunalpolitischen Hochhaus-Skeptiker nicht verschließen konnten.
Der HEP 2024 weist insgesamt vierzehn Hochhausstandorte in zwei Clustern aus. Drei Grundstücke wurden aus Vorgängerplänen übernommen, während drei Altstandorte aussortiert wurden. Neu ist, dass es sich bei vier Angeboten um Aufstockungen handelt, womit graue Energie erhalten werden soll. Das 2022 international prämierte Konversionsprojekt Quay Quarter Tower in Sydney lässt grüßen.
Die bauliche Umsetzung aller vierzehn Standorte wäre mit einem Flächenzuwachs von etwa 475.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche verbunden, von denen höchstens rund 300.000 Quadratmeter Büroflächen sein dürfen. Bedenkt man, dass die Realisierung eines Wolkenkratzers nicht nur in Frankfurt mehrere Jahre dauert und keinesfalls alle Projekte gleichzeitig gebaut werden, enthält der Plan eine nachfragegerechte Hochhausplanung. Dies gilt umso mehr als in den nächsten Jahren viele ältere Türme für längere Zeit außer Betrieb gehen werden, weil sie einer grundlegenden Sanierung und Modernisierung bedürfen.
Realitätssinn beweist die Stadt auch bei den geplanten Höhenentwicklungen. Die meisten Gebäude sollen zwischen 120 Meter und 200 Meter hoch werden. Damit sind sie für Investoren wirtschaftlich umsetzbar. Überambitionierte Ausreißer wie der ehemals im Europaviertel zugelassene Millennium-Tower mit einer Höhe von 365 Meter fehlen. Die aktuellen Planungen für neue Hochhäuser fallen damit deutlich pragmatischer aus. Die Ambition liegt nicht in der Höhe, sondern in einem attraktiven Nutzungsmix und der Pflege des städtischen Gefüges.
Planungen für einen unterirdischen Durchgangsbahnhof
Rechtlich handelt es sich bei dem neuen Hochhausplan „nur“ um ein informelles städtebauliches Entwicklungskonzept. Für die Eigentümer der Grundstücke begründet er noch kein Baurecht. Wer verbindliches Planungsrecht erreichen will, muss zunächst ein mehrstufiges Vorverfahren durchlaufen, das erstmals formell beschrieben wird. Es umfasst fünf Schritte: Projektidee, Machbarkeitsstudie, Auswirkungsanalyse, Öffentlichkeitsbeteiligung und Wettbewerbsverfahren. Die Schaffung des rechtsverbindlichen Baurechts soll erst nach Abschluss des Realisierungswettbewerbs erfolgen. Spannend bleibt, welche Ideen die Investoren für die zwingend geforderten Nutzungsmischungen einbringen werden.
Zur Frankfurter Hochhausgeschichte zählen auch die zahlreichen nicht realisierten Projekte als Teil der „ungebauten Stadt“, die nicht sein sollte. Am bekanntesten ist der Mitte der 1980er-Jahre auf der Südseite des Hauptbahnhofs geplante „Campanile“ mit einer Höhe von 268 Meter. Der spektakulär gezeichnete Turm wäre zu seiner Zeit das höchste Hochhaus Europas geworden. Der Bau scheiterte letztlich am Widerstand einer Nachbarin, die eine angebotene Entschädigungszahlung in fast zweistelliger Millionenhöhe ausschlug und mit dieser Geschichte die Medien begeisterte.
Es erscheint deswegen auf den ersten Blick als Treppenwitz der Hochhausgeschichte, dass der Hochhausentwicklungsplan 2024 an gleicher Stelle abermals einen Turm mit einer Höhe von „nur noch“ bis zu 200 Meter vorsieht. Im zweiten Anlauf könnte dem Projekt aber Erfolg beschieden sein. Nicht nur, weil das Nachbargrundstück nicht mehr betroffen ist, sondern weil mit den Planungen der Bahn für einen unterirdischen Durchgangsbahnhof für den Fernverkehr nach Züricher Vorbild die städtebaulichen Schwerpunkte neu justiert werden. Allerdings geschieht dies frühestens vom Jahr 2040 an.
Thomas Schröer ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Kanzlei FPS in Frankfurt. Michael Kummer ist Rechtsanwalt dort und war bis 2014 Leiter der Bauaufsicht Frankfurt. Die Kanzlei begleitet mehrere Projekte des Hochhausentwicklungsplans 2024.