Neuer Boom - In den USA brummt das Geschäft mit dem „dummen“ Handy

neuer boom - in den usa brummt das geschäft mit dem „dummen“ handy

Plötzlich wieder beliebt: Immer mehr Amerikaner wollen alte, „dumme“ Handys statt Smartphones. IMAGO / Geisser

Keine Kamera, keine Podcasts, ja noch nicht einmal Apps. Einfach nur ein Telefon, wie damals. Das wünschen sich immer mehr Amerikaner. Das Geschäft mit „dummen“ Mobiltelefonen brummt.

In den USA wächst derzeit die Nachfrage nach sogenannten „Dumbphones“. Nach „dummen“ Mobiltelefonen, die im Gegensatz zu einem Smartphone weder mit Kameras noch HD-Displays ausgestattet sind und keinerlei Zugang zum Herunterladen von Apps oder Social Media ermöglichen. Amerikanische „Dumbphone“-Vertreiber vermelden aktuell eine Verdoppelung ihrer Umsätze.

„Danke, dass ihr mich von meinem Smartphone befreit habt“, schreibt ein Nutzer der „Dumbphone-Community“ auf der Plattform Reddit. „Jetzt verbringe ich viel mehr Zeit ohne Ablenkungen mit meinem Kind. Und ich lese auch viel mehr!“ Unzählige User stimmen ihm zu. „Endlich habe ich es geschafft, meine Smartphone-Sucht zu bekämpfen. Ich fühle mich frei und wieder wie ein Mensch“, schwärmt ein weiterer Nutzer. „Ich hoffe, dass immer mehr Menschen der „Dumbphone“-Bewegung beitreten werden und der Hölle des Doom-Scrolling entkommen.“

Dies scheint derzeit auch der Fall zu sein. Die Nachfragen schnellen in die Höhe, vermelden die Gründer des „Dumbphone“-Vertreibers „Dumbwireless“. Von 2022 bis 2023 konnten sie die Umsätze ihrer Handys mehr als verdoppeln, berichtet das Magazin „The New Yorker“. Auch die Prognosen für 2024 deuten bereits auf eine weitere Verdoppelung hin. Ebenso vielversprechend sehen die Verkaufszahlen des „Dumbphone“-Herstellers „Light Phone“ aus.

Zu viel Zeit am Handy bringt Angstzustände, Schlafstörungen und Depressionen

Gründe für die zunehmende Beliebtheit von „Dumbphones“: stetig neue Berichte über die Gefahren psychischer Schäden durch Social Media – vor allem unter Kindern und Jugendlichen. Zudem warnen immer mehr Studien vor potentiellen Suchtgefahren durch Apps wie Instagram oder TikTok. Gleichzeitig beobachten Eltern, Erzieher und Psychologen einen zunehmenden Trend von Angstzuständen, Schlafstörungen, Depressionen und geringem Selbstbewusstsein unter unzähligen jungen Menschen – häufig in direktem Zusammenhang mit den vielen Stunden, die sie auf ihren Handys und in sozialen Netzwerken verbringen.

Auch die Gründer von „Dumbwireless“ waren einst süchtig nach ihren iPhones, verraten sie im „New Yorker“. Statt zu schlafen, verbrachte Daisy Krigbaum (25) die Nächte mit YouTube-Videos und Pinterest, während ihr Partner Will Stults (29) stundenlang Nachrichten auf Twitter verfasste. Vor zwei Jahren versuchten sie erstmals, ihre Bildschirmzeiten mit Apples Timer für ein tägliches Zeitlimit zu reduzieren – jedoch mit wenig Erfolg: Die Screen-Time-Limit-App ließ sich viel zu einfach wieder deaktivieren, berichten sie.

Schließlich kamen sie auf „Dumbphones“: Handys ohne jene Funktionen, nach denen sie so süchtig waren, wie Apps und Video-Kameras. Doch die Anschaffung solcher Mobiltelefone entpuppte sich komplizierter als gedacht. „Es gab nur unzureichende Informationen darüber und es war sehr schwer, daran zu kommen. Die Leute, die am meisten über Dumbphones wissen, verbringen die wenigste Zeit online“, sagt Krigbaum. So witterte das Paar eine Geschäftsidee und gründete 2022 die Firma „Dumbwireless“ – einen Vertrieb für Kunden, die, ähnlich wie sie selbst auch, weniger Zeit mit ihren Handys verbringen möchten.

„Die ersten sieben Tage waren schwer. Jetzt gefällt mir mein Leben ohne Smartphone“

Zu den Bestsellern ihrer Firma zählen das „Light Phone“, ein Mobiltelefon ohne jegliche Apps, sowie das Klapphandy „Nokia 2780“. Ein weiterer Verkaufshit ist das Handy „Punkt.“ aus der Schweiz. Vergangenen März betrugen die Umsätze mit 70.000 Dollar doppelt so viel wie im Vorjahresmonat, berichtet Stults.

Auch die Hersteller von „Light Phone“ konnten ihre Verkaufszahlen seit der Gründung des Unternehmens 2017 von Jahr zu Jahr verdoppeln, so die Firmengründer Kaiwei Tan und Joe Hollier aus Massachusetts im „New Yorker“. Ihr 2019 gestartetes „Light Phone II“ ermöglicht den Nutzern Telefonate und das Versenden von SMS-Nachrichten. Es verfügt auch über einen Wecker, Kalender, ein Navi sowie das Abspielen von Musik und Podcasts – jedoch keinen Zugang zu Social Media- oder Streaming-Apps.

Ein Projekt an einer Schule, bei dem Smartphones verboten wurden und Schüler ausschließlich „Light Phones“ benutzen durften, erwies sich als so erfolgreich, dass nun 25 weitere Schulen nachziehen wollen. Ohnehin scheinen junge Amerikaner das größte Bedürfnis nach „Dumbphones“ zu haben, meinen Tang und Hollier: Der Großteil ihrer Kunden und Interessenten bestehe aus Vertretern der „Generation Z“ (geboren zwischen 1997 und 2012), berichten sie.

„Ich hatte es in den letzten Jahren schon mehrmals vergeblich mit digitalem Minimalismus versucht“, so ein Reddit-User. Mit dem „Light Phone 2“ habe er es schließlich geschafft. „Die ersten sieben Tage ohne Smartphone waren schwer. Aber jetzt gefällt mir mein Leben ohne Smartphone. Ich genieße es, ohne Audio-Bücher oder Podcasts spazieren zu gehen. Das Leben ist langsamer geworden. Aber sogar die gelegentliche Langeweile finde ich gut.“

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