Am Samstag kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und propalästinensischen Demonstranten.
Die vorzeitige Beendigung eines „Palästina-Kongresses“ in Berlin hat zu Protesten geführt. Die Veranstalter kritisierten das Vorgehen der Polizei scharf. Demokratische Rechte seien ausgehebelt worden, hieß es. Auch auf der Straße gab es Proteste.
Zu dem Treffen unter dem Motto „Wir klagen an“ hatten diverse propalästinensische Gruppen und Initiativen eingeladen. Während der dreitägigen Veranstaltung wollten Redner mit propalästinensischer Haltung über den Gazakrieg diskutieren – doch dazu kam es nicht. Kurz nach Beginn des Kongresses löste die Polizei diesen auf.
Die Entscheidung fiel, als am Freitagabend ein Redner im Livestream sprach, gegen den laut Polizei ein politisches Betätigungsverbot in Deutschland ausgesprochen worden war. „Deswegen haben wir die Versammlung unterbrochen, den Livestream beendet und an der Stelle die Gefahr neu bewertet“, sagte Anja Dierschke, die Leiterin der Polizeipressestelle, der Berliner Zeitung.
„Die Gefahr, dass im Verlauf der Veranstaltung volksverhetzende, antisemitische und den Holocaust leugnende Inhalte verbreitet würden, ist so groß, dass wir uns entschlossen haben, sie zu beenden“, teilte die Berliner Polizei schließlich am ersten Kongresstag in einem Beitrag auf X mit. Straftaten sollen im Rahmen des Kongresses jedoch bis zu diesem Zeitpunkt nicht begangen worden sein.
Die Polizei wollte die Veranstaltung mit einem Großaufgebot begleiten. Am Freitag seien rund 900 Einsatzkräfte im Dienst gewesen, bis Sonntag wurde mit insgesamt etwa 2500 Polizeibeamten geplant. Kurz nach der Auflösung des Palästina-Kongresses am Samstag versammelten sich dann aber etwa 1900 Demonstranten vor dem Roten Rathaus, um gegen die Entscheidung zu protestieren. Laut Polizei wurden im Verlauf der Demo sechs Teilnehmer verhaftet.
Die Anwältin der Veranstalter, Nadja Samour, sagte am Samstag, dass die Polizei völlig unverhältnismäßig entschieden habe. Ihrer Meinung nach wären geringere Maßnahmen möglich gewesen. Jeglicher Versuch, die Versammlung zu schützen, sei von der Polizei torpediert worden. Aus Sicht der Veranstalter war die Polizeimaßnahme rechtswidrig.
Es sei Einspruch bei der Polizei erhoben worden. „Die Veranstalter haben Rechtsmittel eingelegt, und daher muss man jetzt abwarten, wie die gerichtliche Entscheidung ausfällt“, sagte Dierschke.
Die Veranstaltung, die von Freitag bis Sonntag in Berlin-Tempelhof stattfinden sollte, stieß bereits in den vergangenen Wochen auf Kritik. Der Tagesspiegel sprach in Bezug auf die Versammlung zum Beispiel von „Antisemiten-Treffen“ oder „Israelhasser-Kongress“. Mitte März bezeichnete der CDU-Fraktionschef Dirk Stettner das Event als eine „Schande für Berlin“.
Polizisten stehen am Rande einer Demonstration nach der Auflösung des Palästina-Kongresses in Berlin-Mitte.
„Die Anzahl der Grundrechte und Gesetze, die in diesem Fall gebrochen wurden, ist nicht mehr zählbar“, sagte dagegen Ahmed Abed, Rechtsanwalt und Abgeordneter in der BVV für Die Linke, der Berliner Zeitung. Er sieht in Bezug auf das Verbot des Palästina-Kongresses keine rechtliche Grundlage.
Etwa 250 Teilnehmer durften zunächst an der Versammlung in einem geschlossenen Raum in einem Gewerbekomplex in der Germaniastraße in Tempelhof teilnehmen. Der Veranstaltungsort wurde aus Sicherheitsgründen erst kurz vor dem Kongress bekannt gegeben. Laut Abed hatten kurz nach Beginn der Veranstaltung etwa 50 Polizeibeamte den Raum betreten und etwa 60 Journalisten, auch solche ohne Akkreditierung.
„Es war eher ein Polizeikongress als ein Kongress, den man unter der Versammlungsfreiheit ausübt“, sagte der Rechtsanwalt aus Neukölln. Seiner Meinung nach habe die Polizei mehr als eine Woche lang mit den Anwälten der Kongressveranstalter gesprochen, und es sei eine Einigung getroffen worden, wie die Veranstaltung ablaufen könnte. Diese Absprache sei nicht eingehalten worden.
Die Berliner Polizei bestreitet: „Es gab keine Vorabsprachen“, sagt Dierschke. Die Polizei habe im Kontakt mit den Veranstaltern des Palästina-Kongresses gestanden. Doch zum Ablauf des Events habe es keine Absprachen gegeben. Die Besonderheit bei einer Versammlung in geschlossenen Räumen sei, dass man diese nicht bei der Polizei anzeigen müsse, erklärt die Pressesprecherin. Die Polizei selbst sei vom Veranstalter erst kurzfristig vor Beginn der Konferenz über den Veranstaltungsort informiert worden.
Einige Redner schafften es nicht einmal zur Veranstaltung. Zum Beispiel der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, der in einem Beitrag auf X behauptete, dass das Bundesinnenministerium gegen ihn ein Betätigungsverbot ausgesprochen habe.
Auch dem britisch-palästinensischen Chirurgen Ghassan Abu Sitta sei die Einreise nach Deutschland am Berliner Flughafen verweigert worden. Das behauptet der Chirurg und Rektor der University of Glasgow in einem Videobeitrag, der in den sozialen Medien kursiert.
Das Verbot wurde auch begrüßt. Unter anderem bedankten sich der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Berliner Polizei. „Wir haben klargemacht, welche Regeln in Berlin gelten“, schrieb Wegner auf X.
Rechtsanwalt Abed sieht diese politische Verurteilung als eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. „Solche Polizeistaatsmethoden könnten jetzt auch bei jeder anderen Veranstaltung passieren, wenn die Regierung es willkürlich fordert“, warnt Abed.
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