Maschmeyer verklagt Claassen: Goliath gegen Goliath
AWD-Gründer Carsten Maschmeyer hat Utz Claassen, den Chef und Großaktionär des Medizintechnikers Syntellix, verklagt. Das Landgericht Hannover gab Maschmeyer nun in einem wichtigen Punkt Recht.
2008 hat der ehemalige EnBW-Chef Utz Claassen Syntellix gegründet. Das Unternehmen stellt medizinische Schrauben aus Magnesium her, die sich auflösen und nicht operativ entfernt werden müssen. Mehrere Promis fanden die Idee gut und stiegen ein – so wie der AWD-Gründer Carsten Maschmeyer. Er hielt phasenweise etwas mehr als ein Drittel der Anteile.
Doch ziemlich schnell kam es zum Streit. 2016 verkaufte Maschmeyer dann 710.000 Syntellix-Aktien an Claassen. Doch die beiden stritten weiter. Zum Beispiel darüber, ob Claassen Maschmeyer noch Geld schuldet.
Der zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich aus einem vor wenigen Tagen ergangenen Teil-Urteil des Landgerichts Hannover:
Demnach hatten sich Maschmeyer und Claassen darauf verständigt, dass Maschmeyer nicht nur die vereinbarten 7,30 Euro je Aktie sondern noch einen Nachschlag erhält, falls Claassen Maschmeyers Syntellix-Aktien mit Gewinn weiterverkauft.
Damit Maschmeyer kontrollieren konnte, ob und zu welchem Preis Claassen die Syntellix-Aktien weiterreicht, wurde vereinbart, dass Claassen einem Notar „Einblick in das Aktienregister der Gesellschaft, in die Niederschriften über die Hauptversammlungen der Gesellschaft sowie in etwaige Verträge über den Weiterverkauf der verkauften Aktien an einen Dritten oder mehrere Dritte“ gewährt, falls Maschmeyer das wünscht.
Im Juni 2017 war es dann soweit: Claassen verkaufte „Aktien an der Syntellix AG in Stückzahl 709.652 zum Preis von je 15,01 €.” Laut Urteil nahm ein Notar Einblick in die Verkaufsunterlagen. Hieraus ergab sich „die Information des Verkaufes / Abtretung von 709.652 Aktien der Syntellix AG des Beklagten an Unbekannt zum Preis von 15.01 €/Aktie.“
Alles gelogen?
Maschmeyer aber geht offenbar davon aus, dass das nur die halbe Wahrheit war. Er behauptet, Claassen habe Syntellix-Aktien zu 30 bis 40 Euro je Aktie und nicht nur zu rund 15 Euro je Aktie weiterverkauft. Unter anderem seien mehr als 158.000 Aktien an die Obotritia-Gruppe des Investors Rolf Elgeti veräußert worden. Die von Claassen zuvor erteilten Auskünfte seien „wissentlich unvollständig und unrichtig“ gewesen, hatten Maschmeyers Anwälte laut Urteil erklärt.
Claassen hatte in dem Verfahren jedoch abgestritten, Maschmeyers Syntellix-Aktien zu mehr als 30 Euro weiterverkauft zu haben. Er erklärte, es habe nur den einen, an Maschmeyer auch gemeldeten Aktienverkauf zu rund 15 Euro gegeben.
Maschmeyer beantragte, Claassen zu weiteren Auskünften zu verpflichten. Konkret sollte Claassen Auskunft geben, wie viele Syntellix-Aktien er selbst oder ihm zuzurechnende Gesellschaften verkauft haben und zu welchem Preis. Das Landgericht Hannover gab dem Ansinnen nun statt. Die Kammer meint, dass Claassen den Vorwürfen Maschmeyers nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten sei, indem er den Weiterverkauf der Aktien lediglich pauschal bestritten habe. Dementsprechend seien die Behauptungen Maschmeyers „als unstreitig zugrunde zu legen.“
Die Kammer des Landgerichts Hannover verurteilte Claassen, einem Notar Einblick in das Aktienregister der Syntellix AG sowie in die Niederschriften der Hauptversammlungen der Syntellix AG zu gewähren. Ebenfalls soll Claassen Auskunft darüber geben, ob und wann er Aktien weiterverkauft hat und gegenüber einem Notar entsprechende Verträge offenlegen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Auf Nachfrage erklärte ein Syntellix-Sprecher, dass Claassen in Berufung gehen werde, da „vom Gericht sachlich falsche Annahmen zugrunde gelegt wurden und das Urteil nach unserer Einschätzung eindeutig rechtsfehlerhaft ist.“ Dass Classen – zuvor von Maschmeyer erworbene – Syntellix-Aktien zu 30 bis 40 Euro das Stück weiterverkauft habe, sei „unzutreffend und grober Unfug.“
Gericht droht mit Haft
So richtig rund läuft es für Claassen nicht. Schon 2022 wurde offensichtlich, dass Syntellix in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt. Mehrere Mitarbeiter klagten, weil das Unternehmen ihnen Gehälter für mehrere Monate schuldete. Claassen hatte das als „temporäres Liquiditätsopfer“ bezeichnet. Die Corona-Pandemie habe auch Syntellix getroffen.
Das Arbeitsgericht Hannover verurteilte Syntellix mehrfach zur Zahlung von ausstehenden Gehältern. Einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) zufolge haben frühere Beschäftigte inzwischen auch Syntellix-Chef Claassen zur Auskunft über seine Vermögensverhältnisse aufgefordert. Dem sei der Manager in etwa 50 Fällen aber nicht nachgekommen. Wie die HAZ weiter berichtet, hat das Amtsgericht Hannover deshalb kürzlich 27 Haftbefehle gegen Claassen erlassen, um diesen zu einer Auskunft über seine Vermögensverhältnisse zu zwingen.
Gemäß HAZ zeigte sich Claassen bezüglich der Haftbefehle überrascht. Ihm sei „kein einziger“ bekannt, erklärte er dem Bericht zufolge. „Sollte es einen geben, so muss er irrtümlich oder rechtsfehlerhaft erfolgt sein, da ich nicht ein einziges Mal unentschuldigt einer etwaigen Aufforderung zur Abgabe einer Vermögensauskunft ferngeblieben bin.“ Der HAZ zufolge, soll Claassen das Ausbleiben einer Vermögensauskunft zwar jeweils entschuldigt haben, aber nicht ausreichend: „Herr Claassen hat immer eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt – ein deutsches amtsärztliches Attest, welches bei den letzten Ladungen explizit gefordert war, wurde aber nie vorgelegt“, zitiert die HAZ eine Gerichtssprecherin.
Der Syntellix-Chef empfindet die Begründung des Gerichts laut HAZ „als so irre, dass man es nicht glauben mag“. Sein Wohnsitz sei Singapur, dort hätten ihn Ärzte krankgeschrieben und ein Flugverbot ausgesprochen, das dem Gerichtsvollzieher auch vorliege, erklärte Claassen. Er könne daher keine 13-stündige Flugreise antreten, um einen deutschen Amtsarzt aufzusuchen. Das sei eine Posse und ein Skandal.
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