Demonstranten provozieren erneut mit «From the river to the sea»-Parole – doch die Basler Staatsanwaltschaft will von einem Strafverfahren nichts wissen

demonstranten provozieren erneut mit «from the river to the sea»-parole – doch die basler staatsanwaltschaft will von einem strafverfahren nichts wissen

Mehrere tausend Demonstranten nehmen an einer Palästina-Kundgebung in Basel teil. Georgios Kefalas / Keystone

Demonstrationen gegen Israels Krieg im Gazastreifen sind stets von Angst vor antisemitischen Entgleisungen begleitet. Schon im Vorfeld müssen die Veranstalter die Teilnehmer jeweils darauf aufmerksam machen, dass rassistische und antisemitische Parolen nicht erwünscht sind. Das war an der Kundgebung vom Samstag in Basel mit mehreren tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht anders. Zur Kundgebung hatten zahlreiche propalästinensische Organisationen aufgerufen. Die Demo verlief zwar friedlich und ohne grosse Zwischenfälle, doch von einer Manifestation für den Frieden kann nicht die Rede sein. In teilweise aggressivem Stil wurde Israel auf den Transparenten nicht nur für die Katastrophe in Gaza, sondern auch für den Nahostkonflikt insgesamt verantwortlich gemacht.

Parolen wie «Stop the Genocide» oder «From the river to the sea» waren nicht zu übersehen. Letztere Parole wurde auch skandiert. Das war eine besondere Provokation, denn spätestens mit dem erneuten Aufflammen des Konfliktes nach dem 7. Oktober ist bekannt, dass die Parole nicht nur von Israeli als israelfeindlich und teilweise gar als antisemitisch eingestuft wird. Wenige Wochen nach den Hamas-Anschlägen, als die Parole erstmals auftauchte, kündigten verschiedene Staatsanwaltschaften an, die Strafbarkeit von «From the river to the sea» und ähnlichen Slogans zu prüfen. Darunter auch die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.

Eine Formulierung der PLO

Die PLO hatte die Formulierung in den 1960er Jahren in Umlauf gebracht. Umschrieben wird damit die territoriale Forderung nach einem palästinensischen Staat vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer. Das Gebiet umfasst auch das heutige Israel, und die Parole kann damit implizit als Aufruf zu dessen Auslöschung und zur Vertreibung von Jüdinnen und Juden aus ihrem Land verstanden werden. Im Kontext des Terrorangriffs der Hamas schwingt in der Forderung «From the river to the sea» also eine Drohung mit. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland kam deshalb die Forderung auf, die Aussage unter Strafe zu stellen.

Die Abklärungen der Basler Staatsanwaltschaft nahmen mehrere Wochen in Anspruch. Jetzt ist sie zum Schluss gekommen, dass die Parole nicht strafbar ist, wie ihr Kommunikationschef Martin Schütz auf Anfrage der NZZ erklärt. Geprüft wurden nach Angaben von Schütz zwei Straftatbestände: die Antirassismus-Bestimmung nach Artikel 261bis des Strafgesetzbuches (StGB), die Diskriminierungen und Aufruf zu Hass unter Strafe stellt, und den Tatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit nach Art. 259 des Strafgesetzbuches. In anderen Kantonen ist es zu ähnlichen Strafanzeigen gekommen.

Weder die Parole «From the river to the sea, Palestine will be free» noch der Hashtag «#Stop the Genocide in Gaza!!» verletzten das Gesetz, meint die Basler Staatsanwaltschaft. Art. 261bis schütze die Menschenwürde und umfasse Personen oder Gruppen, welche aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, Ethnie, Religion oder aufgrund der sexuellen Orientierung diskriminiert würden. «Diese Aufzählung ist abschliessend. Politische, geografische und nationale Gruppen werden nicht geschützt», erklärt Schütz. Der Tatbestand von Art. 259 verlange «einen auf Beeinflussung anderer Menschen gerichteten eindringlichen kommunikativen Akt, wobei die Aufforderung eindeutig auf die Begehung der im Gesetz genannten Delikte gerichtet sein muss». Die Parolen erfüllten auch diese Tatbestandsmerkmale nicht.

«Keine moralische oder politische Beurteilung»

In Bezug auf den möglicherweise antisemitischen Charakter der Parolen angesprochen, erklärt Schütz: «Die Staatsanwaltschaft ist streng dem Gesetz verpflichtet und hat keine moralische oder politische Beurteilung bekannter oder unbekannter mutmasslicher Täterschaften vorzunehmen.»

Überraschend kommt die Nichtanhandnahme nicht. Schon im Herbst hatten Strafrechtsexperten erklärt, eine Verurteilung sei unwahrscheinlich: «Antisemitismus ist eben ebenso wie Fremdenfeindlichkeit nicht strafbar, solange nicht die Minderwertigkeit einer Gruppe oder deren Minderberechtigung behauptet wird», sagte der Freiburger Strafrechtler Marcel Niggli damals zur NZZ.

Auch die Personen, die die Strafanzeige eingereicht hatten, scheinen sich mit dem Basler Entscheid abzufinden: Die Nichtanhandnahmeverfügung wurde nicht angefochten, womit sie rechtskräftig und definitiv ist. Interessanterweise sind mehrere deutsche Gerichte in den letzten Monaten in vergleichbaren Verfahren zu einem ähnlichen Schluss gekommen. Die Parolen würden durch die Meinungsäusserungsfreiheit geschützt. So hat das Amtsgericht Mannheim den Erlass eines Strafbefehls wegen Verwendens von Kennzeichen terroristischer Organisationen abgelehnt. Weder seien die objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt, noch sei ein Vorsatz nachzuweisen. Das berichtet unter anderem die auf juristische Themen spezialisierte Website «Legal Tribune Online (LTO)».

Aufgrund des im November vom Innenministerium ausgesprochenen Hamas-Verbotes hat sich die Rechtslage in Deutschland möglicherweise aber geändert. In der Verbotsverfügung werden diverse Kennzeichen aufgeführt, deren Verbreitung strafbar ist, so beispielsweise die grüne sogenannte Hamas-Flagge. Auf der Liste befindet sich auch die Parole «Vom Fluss zum Meer (auf Deutsch oder in anderen Sprachen)». Der Entscheid hat in Deutschland aber bereits neue Diskussionen ausgelöst. Weil der Slogan «From the River to the sea» auf die PLO und nicht auf die Hamas zurückgehe, sei fraglich, ob er tatsächlich ein Kennzeichen der Terrororganisation darstelle. Auch sei unsicher, ob das Verbot des Innenministeriums genügend bestimmt sei, wie «LTO» ausführt.

Auch Bundesrat für ein weitreichendes Verbot

Auch der Schweiz dürften bald ähnliche Debatten bevorstehen. Dann nämlich, wenn es um das geplante Verbot für das Verbreiten «von rassendiskriminierenden, gewaltverherrlichenden oder extremistischen Propagandamitteln, Zeichen und Symbolen» geht. Der Ständerat hat im Dezember eine entsprechende Motion überwiesen. Diese geht wesentlich weiter als das seit Jahren diskutierte Hakenkreuzverbot. Nach den Vorstellungen der kleinen Kammer müssen die zu verbietenden Propagandamittel nicht zwingend einen nationalsozialistischen Hintergrund haben, sondern könnten auch Kennzeichen der Hamas umfassen. Der Bundesrat hat seinen langjährigen Widerstand gegen eine solche Vorschrift erst kürzlich aufgegeben – wohl nicht zuletzt unter dem Eindruck des wieder aufkeimenden Antisemitismus nach den Hamas-Anschlägen.

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