Corona-Aufarbeitung jetzt! Die Pandemie-Politik war falsch

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Menschen tragen Masken beim Shopping am Tauentzien im Jahr 2021

Vom 16. März 2020 bis 7. April 2023 wurden in Deutschland schwerwiegende Grundrechtseingriffe aufrechterhalten, obwohl spätestens seit Mitte 2021 erkennbar gewesen war, dass diese unverhältnismäßig waren. Für Millionen von Menschen bedeuteten die Jahre des Corona-Ausnahmezustands deshalb eine Erschütterung des Glaubens an die Kraft von Aufklärung, Vernunft und Diskurs und einen massiven Vertrauensverlust in den Rechtsstaat, in Parlamente, Regierungen, Gerichte, Verbände, Rundfunkanstalten, Zeitungen, wissenschaftliche Einrichtungen und Universitäten.

Am schwersten wog das Versagen dreier Institutionen: des Deutschen Ethikrats, der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und des Bundesverfassungsgerichts.

Denn während Politiker von Medien, Interessenverbänden und Kapitalinteressen getrieben werden, in einer Krise Tatkraft inszenieren und (vermeintliche) Lösungen anbieten müssen – und für einen verantwortlichen Politiker schwer zu kommunizieren ist, dass es für ein Problem womöglich keine gute Lösung gibt –, hätten sich diese Institutionen der polit-medialen Dynamik des unmittelbaren Geschehens entziehen und eine übergeordnete Perspektive einnehmen müssen. Ethikrat und Leopoldina hätten auf das Faktum hinweisen müssen, dass ein sich über Luft und Atemwege verbreitendes Virus wie SARS-Cov-2 nicht auszurotten ist, Infektionen deshalb nahezu unvermeidbar waren und die zur (vermeintlichen) Vermeidung von Infektionen getroffenen Maßnahmen großen Schaden brachten und somit unverhältnismäßig waren.

Allgemein hätte es Aufgabe von Journalisten, Juristen, Sozialwissenschaftlern und Philosophen sein müssen, immer wieder darauf hinzuweisen und darauf zu bestehen, dass nicht die Bürger ihre Ausübung von Grundrechten rechtfertigen müssen, sondern dass deren Einschränkung begründungspflichtig ist und die Begründungen wiederum nicht (dauerhaft) auf Mutmaßungen basieren dürfen. Denn anstatt etablierten Pandemieplänen zu folgen, umfangreiche Kohortenstudien durchzuführen und die Wirkung einzelner Maßnahmen in Vergleichsstudien zu evaluieren, wurden mathematische Modellierungen als Rechtfertigung für Grundrechtseinschränkungen benutzt, wurde ein Virologe (und kein Epidemiologe) zum Kronzeugen einer verheerenden politischen Geisterfahrt, bei der die Corona-Politik als scheinbar wissenschaftlich berechenbares, aus Zahlen und Kurven abzulesendes, eindeutig richtiges Handeln dargestellt wurde.

Doch nicht nur reichen bei mathematischen Modellierungen schon minimale Veränderungen von Faktoren, um zu völlig anderen Ergebnissen zu gelangen, und ist ein Modell von Welt nicht die Welt, sondern es ist prinzipiell unmöglich, aus Modellrechnungen zur Verbreitung eines Virus ein bestimmtes ethisch-moralisches Handeln abzuleiten. Mathematische Modellierungen und Prognosen können Gründe für ein bestimmtes Handeln geben, doch sie dürfen nur im Ausnahmefall zur Begründung von Grundrechtseinschränkungen herangezogen werden. Solche müssen in demokratischen und offenen Gesellschaften durch Deliberation, durch öffentliches Abwägen von Gründen und Folgen des Handelns beschlossen werden. Der Großteil derer, die die von der Bundesregierung benutzten Modellierungen und daraus abgeleiteten Maßnahmen infrage stellten, für eine vernünftige Datenerhebung plädierten sowie das Ziel der Vermeidung von Infektionen als Illusion und damit illegitimes Ziel herausstellten, wurden jedoch mit brutalsten Mitteln diffamiert und ausgegrenzt. Und weil viele Menschen aus Angst vor Stigmatisierung, Arbeitsplatz- und Reputationsverlust davon abgehalten wurden, Kritik öffentlich zu äußern, war auch das Grundrecht der Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt.

Indirekt eingestanden, dass es an Daten und Evidenz mangelte, mit denen gute Gründe für die Maßnahmen hätten gegeben werden können, wurde die Beweislast zur Not mit dem sogenannten Präventionsparadox umgedreht: Die nicht bewiesene Wirksamkeit von Maßnahmen sei kein Beweis für ihre Wirkungslosigkeit. Doch auch wenn man sehr großzügig ist, hätte dies spätestens zum Sommer 2021 nicht mehr als (Nicht-)Begründung für Grundrechtseinschränkungen ausreichen dürfen. Denn selbst wenn die Wirksamkeit der Vermeidung von Infektionen durch die Maßnahmen bewiesen worden wäre, wären die Maßnahmen nur im Hinblick auf die Verhinderung einer Überlastung des Gesundheitssystems und als Zeitgewinn ein legitimes Ziel gewesen. Die Verhinderung von Infektionen allgemein war jedoch nie ein legitimes Ziel. Und eine über das normale (und zu hohe) Maß hinausgehende Belastung hat im Gesundheitssystem nicht stattgefunden. Während der Coronajahre wurden gar Intensivbettkapazitäten nicht etwa aufgebaut, sondern abgebaut, und die Arbeitsbedingungen für Kranken- und Pflegekräfte wurden nicht substanziell verbessert.

Es wäre zuvorderst die Aufgabe des Ethikrats gewesen, auf diese sozialen Schieflagen und ethischen Dilemmata hinzuweisen. Denn nochmal: Die Lockdown- und Maskenpolitik basierte in erster Linie auf dem Glauben, dass Ansteckung und Tote prinzipiell vermeidbar seien und es rechtens und geboten sei, hierfür Menschen zu schädigen. Doch da es leider Krankheiten und daraus resultierende Todesfälle gibt, die nicht zu verhindern sind, befanden wir uns in einer Art Trolley-Problem: Die absolute Verhinderung von Corona-Toten wäre nur durch die (unmögliche) Einstellung jeglichen sozialen Lebens möglich gewesen.

Unter bestimmten Bedingungen und für einen bestimmten Zeitraum hätte die stattgefundene Schädigung von Menschen zum (vermeintlichen) Schutz von (vulnerablen) Menschen ethisch vertretbar sein können. Doch es war ethisch nicht vertretbar, über Jahre hinweg Menschen zu schädigen, um dadurch andere Menschen vermeintlich vor dem Sterben an SARS-Cov-2 zu bewahren, ohne einen offenen Diskurs mit den Beteiligten zu führen, ob diese gewillt sind, diese Schädigungen in Kauf zu nehmen, und ohne eine eindeutige Evidenz dafür zu haben, dass mit dieser Schädigung tatsächlich Menschen vor dem Sterben bewahrt werden.

Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, bei der Daten zu Coronamaßnahmen und Infektionsgeschehen aus 132 Ländern ausgewertet wurden, kam zu dem Ergebnis, dass die gesellschaftlich und psychologisch am wenigsten schädlichen Maßnahmen zugleich die wirksamsten bei der Eindämmung der Pandemie waren. Demnach wären umfangreiche Tests, Beschränkungen für Versammlungen von mehr als 100 Personen, Quarantänevorschriften für Reisende aus Hochrisikogebieten, Informationskampagnen, Empfehlungen zur Heimarbeit sowie vorübergehende Schließungen einzelner Firmen und Schulen ausreichend gewesen, um die Pandemie unter Kontrolle zu halten. Wie nicht zuletzt das Beispiel Schweden zeigt, waren differenzierte Maßnahmen mit Augenmaß und begrenzten Eingriffen in das soziale Leben sowohl epidemiologisch effektiver als auch gesellschaftlich weniger destruktiv als die undifferenzierte und brutale Lockdownpolitik. Und grundsätzlich muss auch nochmal ausdrücklich festgehalten werden, dass Sicherheit oder Gesundheit keine absoluten Werte darstellen, denen sich andere Werte automatisch unterzuordnen haben und dass die Lockdownpolitik de facto nicht für die Schwächsten der Gesellschaft, sondern de facto auf Kosten der Schwächsten der Gesellschaft gemacht wurde und dadurch soziale Ungleichheit nicht etwa gemindert, sondern massiv verschärft wurde.

Dass sich der Ethikrat und die Nationale Akademie der Wissenschaften nicht trauten oder nicht fähig waren, zu diesen Erkenntnissen zu gelangen und sie zu kommunizieren, zeugt von mangelnder Klarsicht – oder von Feigheit. Trotz oder genau wegen des antidemokratischen Diskursklimas, in dem solche Einsichten von hysterischen Journalisten gegebenenfalls als „Verstoß gegen eine Ethik der Lebensrettung“ aufgefasst worden wären („Man wolle Menschen einfach sterben lassen und die Gesellschaft durchseuchen“), wäre es ihre Aufgabe gewesen, diese ethischen Überlegungen der Gesellschaft zu vermitteln und entsprechenden Druck auf die Politik auszuüben.

All dieses Versagen wäre bis zum Herbst 2021 zumindest teilweise noch entschuldbar gewesen. Bis dahin wäre es wesentlich leichter gefallen, Vertrauen zurückzugewinnen. Doch stattdessen kam erst noch der schrecklichste Teil einer jegliche wissenschaftliche Evidenz und ethische Einsicht entbehrenden Politik: die für Klinik- und Pflegepersonal sowie Soldaten umgesetzte Impfpflicht sowie die als indirekte Impfpflicht wirksamen 2G- und 3G-Regelungen. Spätestens hier wurden Diskurs und Realität unerträglich – für all jene, die nicht durch Angstpapiere und Falschinformationen geblendet waren und ihre Existenz und Rechte durch Eingriff in die Unversehrtheit des Körpers fundamental verletzt und infrage gestellt sahen. Hier spätestens hätte das Bundesverfassungsgericht die propagierte Impfpflicht und die 2G- und 3G-Regelungen als verfassungswidrig einstufen müssen. Stattdessen hielten Gerichte an Urteilen fest, die von einer erwiesenermaßen nicht existierenden Fremdschutzwirkung der sogenannten Impfstoffe ausgingen und legitimierten den Staat auf Basis von erwiesenermaßen falschen Tatsachen, seine Bürger zu einem medizinischen Eingriff zu zwingen, der eben nicht, wie Karl Lauterbach vollkommen verantwortungslos und wider besseren Wissens behauptete, „nebenwirkungsfrei“ war, sondern bei vielen Menschen zu leichten bis gravierenden Nebenwirkungen bis hin zum Tod geführt hat.

Politiker, Journalisten und Wissenschaftler haben sich bislang gerne hinter dem Argument versteckt, dass man es nicht besser habe wissen können und die Lage neu und zu komplex gewesen sei. Wie spätestens die RKI-Protokolle zeigen, ist dies schlichtweg falsch. Die Wahrheit ist: All jenes damals angeblich noch nicht vorhandene Wissen wurde nicht nur von Tausenden Wissenschaftlern, Juristen, Medizinern, Journalisten und Bürgern geäußert, sondern auch innerhalb des RKI diskutiert. Für einen Prozess der Versöhnung wäre nun unabdingbar, dass anerkannt wird, dass Millionen von Menschen auf schlimmste Art und Weise diffamiert, ausgegrenzt, getäuscht und geschädigt wurden, obwohl sie mit ihrer Kritik recht hatten.

Was ich von verantwortlichen Politikern, Journalisten, Wissenschaftlern und Richtern erwarte, ist deshalb nicht die Aussage „Ich habe es nicht besser gewusst“, sondern „Ich habe mich geirrt, wir haben unseren Entscheidungen falsche Annahmen zugrunde gelegt und viele derjenigen, die wir kritisiert, geschädigt, ausgegrenzt und diffamiert haben, hatten recht mit ihrer Kritik an unseren falschen Entscheidungen, und deshalb bitten wir sie um Entschuldigung“. Darüber hinaus wären nicht nur juristische Konsequenzen für die Verantwortlichen sowie Entschädigungen für die Opfer der Corona-Politik erstrebenswert, sondern vor allem sollte durch eine breite gesellschaftliche Debatte sichergestellt werden, dass sich ein solches Unrecht nicht wiederholen kann.

Der Text ist ein Gastbeitrag, der nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wiedergibt. Der Autor, geboren 1979, lebt als Filmemacher und Autor in Berlin.

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