Der Mibelle-Turm am Standort Frenkendorf (BL) dient der Herstellung von Waschpulver. Georgios Kefalas / Keystone
Da redet die Migros-Führung jahrelang der Erhöhung der Exportquote in der eigenen Industrie das Wort. Setzt ein Betrieb wie Mibelle das dann um, wird dieser Umstand für die Zentrale prompt zum Argument für einen Verkauf der Firma.
Tatsächlich erwirtschaftet die Gesellschaft heute rund 70 Prozent ihres Umsatzes im Export. Sie hat es geschafft, sich stärker als alle anderen Migros-Industriebetriebe vom orangen Riesen zu emanzipieren. Die Entwicklungschancen des Unternehmens seien bei einer neuen Eigentümerschaft grösser, so begründete der Detailhändler den Schritt.
Doch wer könnte diese neue Eigentümerschaft sein, und warum sollte sie sich für Mibelle interessieren?
Felgenreiniger und vegane Käse-Alternativen
Der Käufer erhielte eine Firma, die an mehreren Standorten in der Schweiz und im Ausland von der Gesichtscrème über Shampoos, Zahnpasta, Waschpulver, Spülmittel bis zum Felgenreiniger eine sehr breite Palette an Produkten fürs Bad und den Putzschrank herstellt. Und dabei ist der Bereich mit Margarine, Speisefett und veganen Käse-Alternativen noch gar nicht aufgezählt.
Sie ist aus unterschiedlichen Firmen entstanden, mit denen der Migros-Gründer Gottlieb «Dutti» Duttweiler die Versorgung seiner Läden sicherte und grossen Markenherstellern den Kampf ansagte.
Mibelle hat mehr als 1600 Beschäftigte und gehört nach eigenen Angaben zu den grössten Eigenmarkenproduzenten in Europa. Zieht man vom Umsatz von 663 Millionen Franken (2022) den Exportanteil ab, setzt sie Waren für rund 200 Millionen im Inland ab. Davon entfällt der grösste Teil auf den Migros-Kanal.
Ein ausländischer Hersteller könnte durch die Übernahme mit der Migros ins Geschäft kommen. Wie lange und in welchem Ausmass der Händler nach einem Verkauf noch Produkte aus den Mibelle-Werken bezöge, ist offen. Die Migros hat seit Jahren einen Eigenmarkenanteil von rund 80 Prozent. Diese müssen aber nicht zwingend in der Migros-Industrie produziert werden.
Bei der Bekanntgabe der Verkaufspläne Anfang Februar hiess es ausdrücklich, dass bekannte Migros-Marken wie «Handy» oder «I am» weiterhin in den Regalen zu finden sein würden. Möglicherweise würden sie aber von Drittfirmen hergestellt.
Hingegen gibt es durchaus Trends, die sich für eine Mibelle in neuen Händen positiv auswirken könnten.
Mehr Eigenmarken und Beauty-Boom
So sorgt zum Beispiel die hohe Inflation dafür, dass viele Konsumenten in Europa aus Spargründen statt Markenprodukte zu kaufen vermehrt auf Eigenmarken von Detailhändlern ausweichen. Mibelle hat solche unter anderem schon für die Drogeriemarktkette dm oder für Amazon produziert, um nur zwei von vielen Abnehmern zu nennen.
Doch bei solchen Aufträgen liegen die Preise, die Mibelle als Auftragsfertiger verlangen kann, in der Regel klar tiefer als bei den Waren für das Migros-Sortiment. Das gilt insbesondere für Waschmittel. Allerdings hat sich die Mibelle-Führung in der Vergangenheit auch schon als Alternative für jene Detailhändler angepriesen, die nicht gänzlich von den beiden Riesen Procter & Gamble (P&G) oder Henkel abhängig sein wollen.
Schon Dutti provozierte, indem er sein Waschmittel «Ohä» nannte – die Abkürzung stand für «ohne Hänkel». Das fand der fast gleichnamige deutsche Konkurrent nicht lustig.
Entgegenkommen dürfte Mibelle zudem das Wachstum im Kosmetikmarkt. Dort haben in den vergangenen Jahren viele Startups und Influencer Produkte lanciert, die zum Teil bereits von grösseren Firmen übernommen worden sind, weil sie sich so eine neue, oft jüngere Kundschaft erschliessen möchten. Dafür braucht es Produktionskapazitäten und Know-how.
Wie gross die Hoffnungen auf das Geschäft mit der Schönheit sind, zeigt sich etwa bei Clariant. Hat doch der Spezialchemiehersteller erst kürzlich einen Anbieter von Wirkstoffen für Kosmetik übernommen.
Mibelle verfügt selber über eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die Preise gewonnen und Marketing-Erfolge gelandet hat. Etwa als die damalige US-Präsidentengattin Michelle Obama ihr Gesicht mit einem Serum aus Apfelstammzellen pflegte. Die Substanz war in den Labors der Migros-Tochter entwickelt worden.
Ein andermal war es die Sängerin Kylie Minogue (Eisweintrauben gegen Falten). Wie gewichtig solche Erfolge in kommerzieller Hinsicht für die Firma sind, lässt sich von aussen nicht beurteilen.
Um die Migros gewachsenes Gebilde
Auch wenn der Migros-Bezug von Mibelle über die Jahre gesunken ist, so würde ein Käufer doch ein Gebilde übernehmen, das historisch gewachsen und auf die Bedürfnisse des Detailhändlers zugeschnitten ist.
Die Mibelle Group wurde 2012 gebildet, als der Kosmetikbereich (Mibelle) mit den Reinigungsmitteln, der Margarine (Mifa) und der 2010 in Grossbritannien zugekauften ehemaligen Hallam Beauty unter einem Firmendach zusammengeschlossen wurde. Dass ein neuer Besitzer an allen Geschäftsfeldern gleich stark interessiert wäre, würde überraschen.
Ziel der Migros ist es, die Gruppe als Ganzes zu verkaufen. Ausschliessen möchte man am Hauptsitz einen Teilverkauf oder die Weitergabe von Teilen an mehrere Eigentümer aber nicht.
Wie viel die Migros für Mibelle lösen könnte, ist schwierig abzuschätzen, ohne die Details und insbesondere die Profitabilität zu kennen. Als grobe Annäherung nennt ein Branchenkenner eine Grössenordnung vom 1- bis 1,5-Fachen des Umsatzes.
Preisdruck vonseiten Detailhandel
Möglich ist, dass sich ein Mibelle-Konkurrent von einer Übernahme eine Verstärkung der Schlagkraft gegenüber den mächtigen Detailhändlern erhofft oder seine Angebotspalette erweitert.
Ein grosser Auftragsfertiger, der Kosmetik und Putzmittel produziert, ist zum Beispiel Fareva. Doch das Familienunternehmen mit Sitz in Luxemburg hat in letzter Zeit eher im Pharmabereich investiert.
Abgesehen von einer allfälligen Belieferung von Schweizer Kunden ist es fraglich, ob ein ausländischer Hersteller am Kauf von Produktionsstätten hierzulande interessiert ist.
In vielen Fällen wäre wegen des Preisdrucks ein Ausbau an bestehenden, günstigeren Standorten im Ausland für solche industriellen Käufer wohl attraktiver – falls sie zusätzliche Aufträge nicht ohnehin mit bestehenden Kapazitäten erledigen könnten.
Im Mibelle-Paket sind jedoch auch eine Fabrik in Frankreich enthalten, die das Unternehmen 2016 von P&G übernommen hat, sowie Produktionsstätten in Grossbritannien und den USA.
Warten der Investoren auf 2023er-Zahlen
Statt eines Käufers aus der Industrie könnte ebenso ein Finanzinvestor auf den Plan treten. Allerdings sind gerade die Akteure aus dem Private-Equity-Bereich angesichts der gestiegenen Zinsen viel zurückhaltender geworden. «Transaktionen dauern spürbar länger», sagt der M&A-Berater Jan Wetter von Proventis Partners.
Seit Anfang Jahr sei aber eine deutliche Zunahme von Übernahmen zu registrieren. Mit ein Grund dürfte sein, dass viele Käufer die Zahlen für 2023 haben abwarten wollen, um nach der Covid-Periode noch ein «normales» Jahresresultat für die Einschätzung zu haben.
Die Migros hat angekündigt, dass der Verkauf von Mibelle längere Zeit in Anspruch nehmen werde. Zwar ist der Händler solide finanziert und nicht auf Cash angewiesen, doch allzu lange wird er dennoch nicht abwarten wollen. Für den Abschluss von neuen Aufträgen ist die Unsicherheit über den Besitzerwechsel nicht fördernd.
Vielleicht lohnte sich ein Austausch mit der Coop-Führung. Bei der Konkurrentin gab es vor Jahren ebenfalls Überlegungen, die hauseigene Kosmetik- und Putzmittelherstellerin Steinfels Swiss abzustossen. Dazu kam es damals aber nicht. 2021 kündigte die Produzentin den Neubau einer zweiten Fabrik in Winterthur für 35 Millionen Franken an.
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