GDL-Chef Weselsky droht mit noch längeren Streiks

gdl-chef weselsky droht mit noch längeren streiks

Claus Weselsky auf einer Kundgebung am Donnerstag in Nürnberg

Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, hat trotz Kritik eine positive Zwischenbilanz des laufenden Bahnstreiks gezogen. „Ich erlebe Disziplin auf breiter Front. Die Stimmung ist exzellent“, sagte Weselsky der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vom Freitag. Außerdem gebe es Solidarität mit den Eisenbahnern in der Bevölkerung: „Viel mehr Kunden haben Verständnis für den Streik als mancher behauptet“, sagte der Gewerkschaftschef.

„Wir werden diesen Streik erfolgreich zu Ende bringen, und dann schauen wir, was passiert“, sagte Weselsky weiter. Gebe es keine Bewegung seitens der Bahn-Spitze, „werden wir wieder streiken. Und dann vielleicht noch länger.“

Weselsky wies zugleich Vorwürfe zurück, die GDL verursache mit ihrem Ausstand einen erheblichen wirtschaftliche Schaden. „Das ist doch Unfug. Für den angeblichen, wirtschaftlichen Schaden sind nicht wir, sondern ist das Bahn-Management verantwortlich.“

„CDU hat die Bahn mit heruntergewirtschaftet“

Weselsky kritisierte in der „Rheinischen Post“ auch Forderungen nach einer Verschärfung des Streikrechts. Es sei „unverfroren“, die Rechte der Arbeitnehmer beschneiden zu wollen, nur weil sie für bessere Arbeitszeiten und ein höheres Einkommen kämpfen würden. „Wir werden beim Streikrecht kein einziges Zugeständnis machen. Dann wären wir doch bescheuert.“

„Wenn gerade die Union darüber nachdenkt, ist das zugleich bezeichnend“, sagte der GDL-Chef weiter. „Denn es war die CDU, die die Bahn im Privatisierungswahn mit heruntergewirtschaftet hat.“ Die Union habe zu verantworten, dass aus der Bahn ein marodes Unternehmen geworden sei, „das nicht in der Lage ist, seine Kunden pünktlich an die Zielorte zu bringen“. Dafür seien nicht die Arbeitnehmer verantwortlich.

Einer Schlichtung des Tarifkonflikts erteilte Weselsky zum jetzigen Zeitpunkt eine Absage. „Bisher sehe ich die nicht. Ich lehne eine Schlichtung auch genauso lange ab, wie Personalvorstand Seiler es ablehnt, mit mir Tarifverträge über andere Berufsgruppen im Konzern zu schließen.“

Der Streik der GDL führt auch über das Wochenende zu erheblichen Einschränkungen im Fern- und Regionalverkehr. Wer als Fußballfan, Ausflügler, Partner in einer Fernbeziehung oder als Wochenpendlerin in diesen Tagen auf die Schiene angewiesen ist, braucht eine Alternative. Erst am Montagabend um 18 Uhr soll der Streik enden. Bis Dienstagmorgen wird es laut Bahn mindestens dauern, bis alles wieder normal fährt. Es ist das erste Mal im laufenden Tarifstreit, dass ein Ausstand der GDL über das komplette Wochenende geht.

Bahnbeauftragter: „Niemand darf auf Maximalpositionen beharren“

Der Bahn-Beauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer, forderte „auf allen Seiten“ Gesprächsbereitschaft. „Niemand darf am Verhandlungstisch auf Maximalpositionen beharren“, sagte der Verkehrsstaatssekretär der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Am Ende sind die Deutsche Bahn und ihre Mitarbeiter gleichermaßen auf die gesellschaftliche Akzeptanz des Verkehrsträgers Schiene angewiesen. Gerade der Hochlauf der Steuerzahlergelder für Erhalt und Ausbau des Schienennetzes hängt hiervon direkt ab.“

Der Tarifstreit dürfe nicht weiter auf dem Rücken der hart arbeitenden Gesellschaft ausgetragen werden. „Unsere Volkswirtschaft ist auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen“, so Theurer. „Arbeitnehmer müssen zum Arbeitsplatz, Güter zu den Kunden und Vorprodukte zu Unternehmen kommen. Deutschland ist nicht in der Lage, sich das Lahmlegen des Verkehrsträgers Schiene dauerhaft leisten zu können.“

Streikbetroffenheit hält sich in Grenzen

Die Betroffenheit bei den Bürgerinnen und Bürgern hält sich einer Umfrage zufolge in Grenzen. Lediglich jeder fünfte Befragte spürt die aktuellen Einschränkungen im Bahnverkehr, wie bei einer Yougov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur herauskam. Für mehr als 75 Prozent hat der Streik hingegen keine Auswirkungen. Für die Umfrage hat das Institut zwischen dem 23. und 25. Januar rund 2000 Menschen befragt. Sie ist repräsentativ für die Bevölkerung ab 18 Jahren.

Selbst wenn sich der Tarifstreit noch über Wochen hinziehen sollte, betrifft das nur eine Minderheit der Befragten. Mehr als zwei Drittel gaben bei der Umfrage an, in den nächsten Wochen keine Bahnreise geplant zu haben und somit von möglichen weiteren Streiks nicht beeinflusst zu sein.

Die Zahlen spiegeln das generelle Verkehrsverhalten der Bürgerinnen und Bürger wider. Lediglich rund ein Fünftel der gesamten Verkehrsleistung in Deutschland entfiel laut Umweltbundesamt in den vergangenen Jahren auf den sogenannten Umweltverbund, zu dem auch die Bahn gehört. Es fahren also deutlich weniger Menschen regelmäßig mit dem Zug als mit dem Auto.

Vor allem Sportfans müssen umplanen

Am ehesten bekommen am Wochenende Hand- und Fußballfans den Streik zu spüren. In Köln findet das Finalwochenende der Handball-EM statt. Betroffen sind vor allem jene Fans, Mannschaften und Offizielle, die vom Hauptrunden-Spielort Hamburg nach Köln reisen müssen. Der Deutsche Handballbund und die Europäische Handballföderation appellierten schon zu Beginn der Woche an die Fans, „gemeinsame Lösungen“ zu finden. „Empfohlen wird das Bilden von Fahrgemeinschaften sowie das Nutzen gängiger Portale hierzu“, teilten die Verbände mit.

In der Bundesliga dürfte sich der GDL-Streik unter anderem auf die An- und Abreise der Zuschauer der Begegnung zwischen Eintracht Frankfurt und dem FSV Mainz 05 am Freitagabend (20.30 Uhr/DAZN) auswirken. Die Bahn bat explizit alle Fußballfans, genügend Zeit bei der Anreise einzuplanen und sich vorab sowie kurz vor Reiseantritt über Reisemöglichkeiten und -alternativen zu informieren. Eintracht Frankfurt passt die Stadionöffnungszeit aufgrund der besonderen Bedingungen an: Die Stadionöffnung wird um eine Stunde auf 17.30 Uhr vorgezogen, wie der Verein mitteilte.

Die Anreise der Mainzer-Fans soll vorwiegend mit Fanbussen erfolgen. Auch bei den anderen Spielen des Spieltags dürfte es für Anhänger kompliziert werden. Laut einer Bahnsprecherin nutzen rund 100 000 Fans pro Wochenende die Bahn, um zu den Bundesligaspielen zu reisen.

Ärgernis auch für Wochenpendler

Wer unter der Woche in einer anderen Stadt arbeitet, hat ebenfalls das Nachsehen, sollte er oder sie üblicherweise mit der Bahn nach Hause fahren. Im Fernverkehr der Deutschen Bahn sind an den Wochenenden zudem auch viele Bundeswehrsoldaten unterwegs, die die freien Tage nicht in der Kaserne verbringen wollen. Auch sie brauchen eine Alternative.

Von den laut Yougov-Umfrage aktuell Betroffenen gaben jeweils ein knappes Drittel an, Freizeittermine aufgrund des Streiks abgesagt zu haben beziehungsweise an der geplanten Reise festzuhalten, dafür aber ein anderes Verkehrsmittel zu nutzen. Rund ein Viertel hat die Reisepläne vor oder nach den aktuellen Streik verschoben. Ein weiteres Viertel musste dienstliche Termine absagen.

Auch wenn laut Umfrage nur eine Minderheit vom Ausstand der GDL betroffen ist, lehnt eine Mehrheit den Arbeitskampf ab. Mehr als 60 Prozent der Befragten haben eher kein oder überhaupt kein Verständnis für die Maßnahmen. Lediglich elf Prozent können den Streik der Lokführer „voll und ganz“ nachvollziehen.

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