ARCHIV – Am vergangenen Wochenende haben sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums mehr als 900.000 Menschen an Demonstrationen gegen rechts beteiligt.
Auch an diesem Wochenende werden wieder tausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen: Über 200 Demonstrationen sind bundesweit geplant. Die meisten finden am Samstag statt, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Dieser erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945. Über 150 Kundgebungen listet das Bündnis „Zusammen gegen rechts“ allein für Samstag auf – unter anderem in Düsseldorf, Nürnberg, Halle und Chemnitz.
Zu der Demo in Düsseldorf, die sich gegen die AfD wendet, werden 30.000 Teilnehmer erwartet werden. Größere Veranstaltungen sind unter anderem auch in Aachen, Mannheim und Marburg geplant. In Osnabrück will Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit auf die Straße gehen – in Wittenberg Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Schon am Freitag gingen in mehreren Städten erneut Tausende Menschen gegen rechts auf die Straße. Proteste gab es etwa in Frankfurt am Main, Saarbrücken, Herne und Gütersloh.
Am Sonntag wollen dem Bündnis zufolge Menschen in gut 50 Städten wie Hamburg oder Neuss auf die Straße gehen. Bereits am vergangenen Wochenende hatten nach Polizeiangaben über 900.000 Menschen in zahlreichen deutschen Städten gegen Rechts demonstriert. Anlass waren Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv über ein Geheimtreffen von AfD-Politikern, Rechtsextremisten und Unternehmern, wobei demnach über die Vertreibung vor allem von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte beraten wurde.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich erfreut über die Demonstrationen, mahnte aber weitergehendes Engagement für die Demokratie an. „Ich freu’ mich darüber und bin dankbar, dass die demokratische Mitte der Gesellschaft aufgewacht ist“, sagte Steinmeier dem SWR-Hauptstadtstudio. Diese Menschen würden beweisen, dass nicht die lautstarken Verächter der Demokratie in der Mehrheit seien: „Das darf Demokraten selbstbewusst und auch ein bisschen stolz machen.“
Diese Demonstrationen könnten aber nicht politisches Engagement ersetzen, sagte Steinmeier auf die Frage, wie es weitergehe mit den Protesten. Seine Bitte an Unzufriedene sei, runter vom Sofa zu kommen und sich aktiv für die Gemeinschaft einzusetzen. Demokratie lebe vom Engagement ihrer Bürger. In keinem Land gebe es so gute Möglichkeiten dazu wie in Deutschland. Dazu müsse Menschen, die politische Verantwortung übernehmen gerade auf kommunaler Ebene, aber auch wieder mehr Respekt entgegengebracht werden, mahnte Steinmeier.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte die zahlreichen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus der letzten Tage und Wochen. „Unser Land ist gerade auf den Beinen. Millionen Bürgerinnen und Bürger gehen auf die Straße“, sagte er in seinem wöchentlichen Video „Kanzler kompakt“. Es sei der Zusammenhalt der Demokratinnen und Demokraten, der die Demokratie stark mache. „Unsere Demokratie ist nicht gottgegeben. Sie ist menschengemacht. Sie ist stark, wenn wir sie unterstützen. Und sie braucht uns, wenn sie angegriffen wird.“
Auslöser für die Proteste waren Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter am 25. November, an dem einige AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei dem Treffen nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. Laut Correctiv nannte Sellner drei Zielgruppen: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht – und „nicht assimilierte Staatsbürger“.
In Brandenburg, Sachsen und Thüringen werden im September neue Landtage gewählt. Umfragen zufolge könnte die AfD in allen drei Ländern stärkste Kraft werden, sogar mit deutlichem Abstand. In zwei bundesweiten Umfragen der Institute Insa und Forsa (für die „Bild“ und für RTL/ntv) aus der auslaufenden Woche verlor die AfD an Zuspruch, sie blieb aber nach der Union die zweitstärkste Kraft. Die AfD wird in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom jeweiligen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch bewertet, bundesweit ist sie als Verdachtsfall eingestuft.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, warnte, man dürfe die Wirkung der Proteste auf potenzielle Wähler nicht überschätzen. Wichtig sei aus seiner Sicht, dass man sich politisch mit der AfD und ihrem Gedankengut auseinandersetze und extremistischem Treiben keine Chance gebe, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“. „Dies kann nur erfolgreich gelingen mit einer Politik der Bundesregierung, die die Sorgen und Nöte der Bürger ernst nimmt und nicht aus purer Ignoranz weiter Öl ins Frust-Feuer gießt.“
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