Fern-Duell an der Grenze zu Mexiko: Biden, Trump und das Migrationsproblem der USA

Am Donnerstag besuchen sowohl der ehemalige als auch der amtierende US-Präsident an Mexiko grenzende Städte. Das zeigt: Die Flüchtlingspolitik wird eines der Hauptthemen im Wahlkampf.

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Migranten laufen Hand ind Hand durch den Rio Grande River, um aus Mexiko nach Eagle Pass in Texas zu gelangen.

Es ist ein Wettlauf der besonderen Art: Wenige Tage nachdem bekannt wurde, dass der ehemalige US-Präsident Donald Trump an die amerikanische Südgrenze zu Mexiko reisen würde, kündigte das Weiße Haus für denselben Tag eine Visite von Joe Biden an. Der amtierende Präsident, der im November für eine zweite Amtszeit wiedergewählt werden will, und sein potenzieller Herausforderer liefern sich an diesem Donnerstag eine Art Fernduell in Texas – und beide werden den jeweils anderen für die zugespitzte Situation verantwortlich machen.

Trump wird eine Rede an der Grenze in Eagle Pass halten, einer 28.000-Einwohner-Stadt im Südwesten des Bundesstaats, die seit mehreren Wochen als zentraler Schauplatz der überhitzten Migrationsdebatte dient. Dort wird der Republikaner erneut ein drastisches Bild von der Lage zeichnen, von einer „Invasion“ sprechen und ankündigen, nach einem Wahlsieg die Grenze sofort abzuriegeln.

Zudem will er nach Informationen der „New York Times“ jüngste Verbrechen in Großstädten wie New York, die von Migranten begangen wurden, anprangern und Biden dafür direkt die Schuld zuschieben. Derzeit macht die Ermordung einer 22-jährigen Studentin Schlagzeilen, für die ein illegal eingereister Venezolaner verantwortlich sein soll.

Biden wiederum plant, sich im knapp 500 Kilometer weiter südöstlich gelegenen Brownsville mit Grenzpolizisten und Lokalpolitikern zu treffen. Der Demokrat wird dabei, so wird erwartet, die Republikaner im Kongress anprangern, die einen überparteilich ausgehandelten Kompromiss für ein neues Einwanderungsgesetz auf Geheiß von Trump blockieren.

Biden versprach eine humanere Einwanderungspolitik

Das Fernduell zeigt, wie sehr Biden in der Einwanderungspolitik unter Druck steht. Eine große Mehrheit der Amerikaner ist Umfragen zufolge unzufrieden mit seiner Arbeit in dieser Frage und gibt der amtierenden Regierung die Schuld für die Lage an der Grenze.

Biden hatte im Wahlkampf 2020 einen humaneren Umgang mit Migranten versprochen und im Amt dann unter anderem Pandemie-bedingte Asyl-Einschränkungen aufgehoben, die Trump erlassen hatte. Seitdem ist die Zahl illegaler Grenzübertritte aus Mexiko auf ein Rekordniveau gestiegen.

„Die Einwanderungspolitik, insbesondere die Grenzpolitik, hat sich in den vergangenen sechs Monaten radikal verändert. Präsident Biden hat endlich damit begonnen, das Narrativ zu verwenden, dass es eine Krise an der Grenze gibt und dass er einen Plan hat, um sie zu bewältigen“, sagt Muzaffar Chishti, der als Senior Fellow das New Yorker Büro des überparteilichen Migration Policy Institute leitet.

Lange habe das Weiße Haus behauptet, es gäbe keine Krise, sagt Chishti, der die amerikanische Einwanderungspolitik seit Anfang der 80er Jahre analysiert. „Seit aber Bundesstaaten und Städte im ganzen Land den brutalen Druck spüren, fordern auch demokratische Gouverneure und Bürgermeister Grenzkontrollen.“

Chishti sagt voraus, dass die Kontroverse um die Grenze das Thema bei den Wahlen in diesem Jahr sein wird. Für die Demokraten und insbesondere Joe Biden gefährlich sei daran, dass es – anders als etwa das Abtreibungsthema – die eigene Partei spalte. „Einige pragmatische Demokraten befürworten jetzt die Idee, dass man die Grenze kontrollieren muss. Aber die Progressiven in der Partei sind gegen jegliche Kontrollen.“

Er gehe davon aus, dass Biden bei seiner für den 7. März geplanten Rede zur Lage der Nation einen Punkt setzen wird, sagt Chishti. „Ob er so weit gehen wird zu sagen, dass wir einen Notfall haben, wissen wir nicht. Aber ich denke, er wird sagen, dass die Demokraten das Problem erkennen und es angehen wollen.“ Entweder vorher oder bald danach werde Biden dann eine Reihe von Durchführungsmaßnahmen erlassen, für die er keine Unterstützung aus dem Kongress braucht.

In US-Medien wurde bereits über entsprechende Überlegungen des Weißen Hauses berichtet. So werde diskutiert, illegal ins Land gekommenen Migranten die Möglichkeit zu nehmen, einen Asylantrag zu stellen. Biden könnte Asylrechtseinschränkungen zum Beispiel auf Grundlage von Abschnitt 212f des „Immigration and Nationality Act“ erlassen: Demnach kann der Präsident vorübergehend Einwanderungsbeschränkungen verhängen, wenn die Situation an der Grenze amerikanische Interessen gefährdet.

Wie die „New York Times“ berichtet, könnte er mit einer Verordnung die Grenze so regulieren, dass sie geschlossen werde, wenn sie innerhalb einer Woche im Schnitt mehr als 5000 Migranten pro Tag illegal zu überqueren versuchten oder mehr als 8500 an einem einzelnen Tag. Dass Gerichte solch eine Regelung passieren lassen würden, ist unwahrscheinlich. Aber dieser Schritt würde dem Weißen Haus eine weitere Möglichkeit geben, zu demonstrieren, dass die Regierung das Thema ernst nimmt – und es nun an den Republikanern sei, Kompromissbereitschaft zu zeigen.

Ob ein Kompromiss gelingt, ist weiter fraglich. „Trump hat die Einwanderungsfrage 2016 mit großem Erfolg genutzt“, sagt Chishti. „Er glaubt also, dass dies auch im Jahr 2024 wieder ein verlässliches Thema ist.“ Darum sei er selbst nicht an einer Lösung interessiert.

Zwar seien die Zahlen illegaler Grenzübertritte seit dem Rekordhoch vom Dezember wieder etwas zurückgegangen. „Aber die Republikaner werden im Wahlkampf behaupten, dass dies nur ein kleiner Ausrutscher sei und die Zahlen weiter in die Höhe gehen, dass Biden dafür die Verantwortung trage – und dass er es nicht in Ordnung bringen wolle.“

Eine der Kongressabgeordneten, die an einem überparteilichen Kompromiss interessiert sind, ist die Demokratin Veronica Escobar, die selbst die texanische Grenzstadt El Paso vertritt. Nach den Zwischenwahlen 2022, als die Demokraten im Repräsentantenhaus die Mehrheit verloren, begann sie mit ihrer republikanischen Kollegin Maria Salazar aus Miami an einer Einwanderungsreform zu arbeiten.

Im Mai 2023 Jahr brachten sie zusammen den „Dignity Act of 2023“ ein, „den ersten überparteilichen Gesetzentwurf für eine umfassende Einwanderungsreform im Kongress seit einem Jahrzehnt“, wie sie im Gespräch mit dem Tagesspiegel sagt.

Doch es gebe nur sehr wenige Republikaner, die sich in dieser Sache wirklich engagieren, kritisiert Escobar und sagt: „Das Thema wird immer schwieriger.“ Das Problem für die Demokraten sei, dass es den Wählern egal sei, wer die Schuld an der Lage an der Grenze trage.

„Sie sagen uns: Ihr müsst es nur in Ordnung bringen. Ich versuche, ihnen zu erklären, dass ich daran arbeite. Dass ich tatsächlich einen Kompromiss über Parteigrenzen hinweg gefunden habe. Aber die Wähler müssten auch verstehen, dass es immer wieder eine Partei ist, die dem Fortschritt im Wege steht: die Republikanische Partei.“

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